Die gelenkschonende chinesische Kampfsportart Tai Chi eignet sich besonders für Personen mit Rücken- und Knieproblemen. Sie wirkt ausserdem beruhigend und steigert die Konzentration. Urs Krebs, Tai-Chi-Lehrer der Migros Klubschule, über weitere Vorteile.
Wer schon mal in China war, hat möglicherweise beobachtet, wie alte Menschen frühmorgens in Parks langsame, fliessende Bewegungsabläufe ausführen. Tai Chi ist eine der chinesischen Kampfsportarten, die wegen ihrer positiven Wirkung auf Körper und Geist auch im Westen populär geworden sind. Wobei: Um einen richtigen Sport, der einen ausser Atem bringt, handelt es sich dabei nicht. Gesund ist er allemal, wenn man ihn korrekt ausführt.
Die Bewegungsart Tai Chi stammt aus China. Bei uns ist die Disziplin auch unter dem Begriff Schattenboxen bekannt. Dabei werden bestimmte Bewegungsabfolgen im Zeitlupentempo kontrolliert ausgeführt. Einige davon tragen anschauliche Namen wie «den Vogel beim Schwanz packen» oder «der weisse Kranich breitet die Flügel aus». Beim Tai Chi soll man stabil und locker mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und ein Gefühl von Gleichgewicht entwickeln. Einige Übungen werden auch zu zweit ausgeführt. In China sind es typischerweise ältere oder zuweilen auch sehr alte Menschen, die Tai Chi in Pärken praktizieren.
Beim Begriff Tai Chi Chuan handelt es sich um den vollständigen Namen von Tai Chi. Wegen der verschiedenen Möglichkeiten, die chinesischen Schriftzeichen in unsere Schrift zu übersetzen, gibt es verschiedene Schreibweisen: Tai Chi Quan, Taijiquan oder Taichi Chuan. Die Aussprache ist jedoch immer gleich: Tai Tschi Tschüan.
Tai Chi Chuan beruht unter anderem auf dem Prinzip der chinesischen Philosophie namens Daoismus (oder Taoismus), welche Gegensätze wie Tag und Nacht oder hell und dunkel als Einheit betrachtet. Übertragen auf die Kampfkunst bedeutet dies: Härte mit Weichheit zu besiegen. Tai Chi Chuan ist rund 400 Jahre alt und hat sich ursprünglich aus der Kampfkunst entwickelt. Ein ehemaliger Offizier soll nach der Pensionierung vom Dienst in sein Heimatdorf zurückgekehrt sein und die Disziplin aufgrund seiner kämpferischen Erfahrung entwickelt haben. Tai Chi Chuan blieb über 200 Jahre hinweg in der Chen-Familie, die Leibwächter und Begleiter für Karawanen stellte. Der erste Schüler, der nicht dieser Familie angehörte, brachte Tai Chi Chuan schliesslich nach Peking und begründete später den Yang-Stil, der kaum noch kämpferische Elemente enthält. Nach der chinesischen Revolution im 20. Jahrhundert wurde Tai Chi Chuan von der Regierung als gesundheitsfördernder Volkssport propagiert.
Das kommt darauf an, wie man Tai Chi praktiziert. Es gibt verschiedene Stile, wovon die einen anstrengender und kämpferischer sind, die anderen ruhiger, sodass man dabei kaum ausser Atem gerät. Der Dachverband für Chinesische Kampfkünste, die Swiss Wushu Federation, ist Mitglied bei Swiss Olympics und führt Tai-Chi-Disziplinen mit und ohne Schwert. Es finden regelmässig Wettkämpfe statt.
Insgesamt gibt es sechs Hauptstile. Zwei davon, der Chen- und der Zhaobao-Stil, sind ursprünglicher und näher an der Kampfkunst und daher etwas anstrengender. Die anderen vier sind langsamer und werden in gleichmässigerem Rhythmus ausgeführt. Dazu gehört neben dem Hao-, Wu- und Sun-Stil auch der Yang-Stil, der im Westen am häufigsten praktiziert wird. Immer mehr kommt aber auch der Chen-Stil auf. Dabei handelt es sich um eine Form, die noch kämpferische und teilweise explosivere Elemente enthält und auch für die Selbstverteidigung angewendet werden kann.
Neben den gelenkschonenden Effekten kann Tai Chi die Lungenkapazität und den Sauerstoffgehalt im Blut erhöhen sowie den Blutdruck senken. Die Bewegungsart hat zudem eine beruhigende Wirkung und steigert die Konzentrationsfähigkeit. Wie mehrere Studien zeigen, ist die chinesische Bewegungslehre ideal, um Stress abzubauen. Menschen mit Morbus Parkinson können von einer besseren Körperhaltung und weniger Stürzen profitieren.
Wie verschiedene Studien belegen, handelt es sich um eine gelenkschonende Bewegungsart. Sie eignet sich besonders gut für Menschen mit Rücken- oder Knieproblemen oder um diesen vorzubeugen. Bei rheumatischen Erkrankungen wie etwa Kniearthrose kann Tai Chi die Beweglichkeit verbessern und die Schmerzen lindern. Voraussetzung sei aber, dass man Tai Chi korrekt ausführt, warnt der Schweizer Tai-Chi-Lehrer Urs Krebs. «Bei falscher Körperhaltung können der Rücken oder die Knie geschädigt werden.» Anfängerinnen und Anfängern empfiehlt er deshalb, Tai Chi nur unter Anleitung einer erfahrenen Lehrperson zu praktizieren.
Im Internet gibt es diverse Anleitungsvideos. Für Laien ist es jedoch schwierig zu erkennen, ob die Verfasser gut ausgebildet sind und die Bewegungen korrekt wiedergeben. Denn eine eigentliche Qualitätskontrolle gibt es in dieser Disziplin nicht. Wer keine Gesundheitsschäden in Kauf nehmen will, sollte deshalb zu Beginn besser einen Kurs besuchen, der von einer erfahrenen Lehrperson geleitet wird. Diese kann allfällige Fehlhaltungen korrigieren. (Fortsetzung weiter unten…)
Beide Bewegungsarten haben ihren Ursprung in Asien – Yoga in Indien und Tai Chi Chuan in China. Eine weitere Gemeinsamkeit sind die fliessenden Bewegungsabfolgen, die ruhig und konzentriert ausgeführt werden. Auch die Kombination der Übungen mit der Atmung sowie das Training des Gleichgewichts und der Koordination sind in beiden Disziplinen wichtig. Yoga enthält jedoch mehr Elemente des Dehnens, bei dem auch manchmal länger in einer Position verharrt wird, und braucht teilweise mehr Kraft. Auch im Yoga gibt es zahlreiche verschiedene Arten. Einige davon, etwa das ruhige Hatha-Yoga, kommen dem Tai Chi Chuan näher, während sich zum Beispiel das sportliche Power-Yoga stärker unterscheidet.
Beide Bewegungsarten stammen aus China und es gibt diverse Überschneidungen. Qigong ist jedoch sehr viel älter als Tai Chi Chuan – möglicherweise mehrere tausend Jahre alt – und stammt nicht aus der Kampfkunst, sondern wurde von Anfang an als gesundheitsfördernde Bewegungsform entwickelt.
Die asiatische Lebenskunst Qigong verbindet Bewegung mit korrekter Atmung und Meditation. Qigong-Meister Jumin Chen zeigt drei Übungen.
«Im Prinzip können alle fast Menschen von Tai Chi profitieren», sagt Tai-Chi-Chuan-Lehrer Urs Krebs. Voraussetzungen seien lediglich eine gewisse Beweglichkeit und die Fähigkeit, auf zwei Beinen zu stehen. Typischerweise seien es in der Schweiz aber Menschen über 40 oder auch deutlich ältere, die Tai Chi praktizieren. «Weil die Bewegungsart besonders gelenkschonend ist und nicht nach ausgeprägter körperlicher Fitness verlangt, kann sie bis ins hohe Alter ausgeübt werden». Die Übungsdauer beträgt idealerweise eineinhalb Stunden. Aber auch Kurzformen von 15 bis 20 Minuten können bereits eine gute Wirkung erzielen. Praktisch ist, dass Tai Chi keinerlei Infrastruktur oder Gerätschaften erfordert und auch jederzeit zuhause gut durchgeführt werden kann. Inzwischen gibt es sogar reduzierte Formen, die im Sitzen ausgeübt werden können.