Jahrein, jahraus Tomaten und Erdbeeren? Das wird schnell langweilig. Wer sich bei der Ernährung an Nähe und Jahreszeit hält, hat mehr Genuss und Vielfalt.
Diverse Restaurants setzen schon länger auf den Trend der regionalen und saisonalen Ernährung. Auf den Speisekarten findet man Produkte vom benachbarten Bauernhof oder vom Weingut im Dorf. Auch Wochenmärkte, Hofläden und Gemüseabos erfreuen sich grosser Beliebtheit. Doch welche Vorteile haben eigentlich Lebensmittel, die keine lange Reise hinter sich haben?
Das kommt ein wenig auf die Definition an. Irgendwo auf der Welt hat schliesslich alles irgendwann Saison. In der Regel versteht man unter saisonaler Ernährung diejenigen Lebensmittel, die im Umkreis von wenigen Kilometern im Freiland oder in ungeheizten Treibhäusern wachsen. Eine etwas weiter gefasste Definition lässt auch Gemüse und Früchte noch durchgehen, die mit wenig Heizenergie auskommen – also zum Beispiel Auberginen, die als Setzlinge in einem geheizten Treibhaus gezogen wurden, aber im Juni bei natürlicher Wärme heranreifen.
Auch dies ist kein klar abgegrenzter Begriff. Wie weit man die Grenzen ziehen will zum Gebiet, das man als seine Region versteht, ist individuell. Bei der Migros zum Beispiel werden schweizweit über 10’000 Produkte mit dem Label Aus der Region. Für die Region gekennzeichnet. Diese werden im Gebiet der jeweiligen Genossenschaft angebaut – bei der Migros Aare also zum Beispiel in den Kantonen Aargau, Bern und Solothurn oder bei der Migros Tessin aus dem Tessin. Bei allen handelt es sich um frische und saisonale Nahrungsmittel. Manche verstehen unter regionaler Ernährung auch Produkte aus der Schweiz. Dabei gilt es zu bedenken, dass zum Beispiel in den nördlichen Landesteilen der süddeutsche oder französische Raum näher liegt als etwa das Tessin oder das Wallis und auch die klimatischen Bedingungen ähnlicher sind. Die gesetzlichen Bestimmungen dagegen sind meist an Landesgrenzen gebunden. Dies fällt vor allem bei tierischen Produkten ins Gewicht, weil in der Schweiz teilweise strengere Vorschriften bezüglich Tierwohl gelten als in der EU oder in anderen Ländern.
Dies hängt naturgemäss von der Jahreszeit ab. Ein repräsentatives Bild von dem, was in der Wohnregion gerade Saison hat, geben Wochenmärkte ab, wo Bauern ihre eigenen Produkte verkaufen. Im Frühling findet man dort noch Lagergemüse vom letzten Herbst und Winter – zum Beispiel Randen, Sellerie, Kartoffeln, Wirz und Äpfel – aber auch schon die ersten Salate und Radieschen sowie Spinat, Rhabarber und Spargel. Im Mai und Juni gibt es wieder Frühkartoffeln, und langsam werden Erdbeeren, Bohnen, Karotten und Gurken reif. Im Juli kommen Himbeeren und Brombeeren, Aprikosen und Kirschen hinzu. Am üppigsten präsentiert sich die Palette im Spätsommer. Denn viele wärmeliebende Pflanzen brauchen bis zum August oder September, bis sie im Freiland richtig erntereif sind: Tomaten, Peperoni, Zucchetti, Zwetschgen und vieles mehr. Gegen Oktober findet man Äpfel und Kürbisse in allen Formen, Endiviensalat und andere Arten, die kältere Nächte vertragen. Und selbst im Winter gibt es neben den diversen Wurzelgemüse- und Kohlsorten frisches, kälteresistentes Gemüse wie etwa Nüsslisalat, Rosenkohl oder Lauch. Eine gute Orientierung zu saisonalen Lebensmitteln bietet der Migusto-Saisonkalender.
Die allermeisten Tropenfrüchte – also Mangos, Papayas, Ananas, Bananen, Avocados etc. – stammen nicht aus der Schweiz, sondern aus warmen Ländern in Südamerika, Afrika oder Asien. Ein Grossteil der Gemüse und Früchte in Schweizer Läden wird aber immerhin in Europa angebaut. Orangen, Melonen und Beeren typischerweise in Italien oder Spanien, Peperoni ebenfalls in Spanien oder Holland. Spargel stammt häufig aus Deutschland oder Ungarn. Im Winter kann bestimmtes Gemüse wie etwa Knoblauch auch mal aus China kommen.
«Dass saisonale Ernährung per se gesünder ist als importierte, gefrorene oder konservierte Produkte, ist wissenschaftlich nicht erwiesen», sagt David Fäh, Ernährungswissenschaftler an der Berner Fachhochschule. Doch wer seinen Speiseplan der Saison anpasst, hat automatisch mehr Abwechslung auf dem Teller. «Vielfalt ist generell ein Vorteil für die Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen», stellt Fäh klar. «Je grösser die kulinarische Diversität, desto kleiner das Risiko von Mangelerscheinungen.» Ein breites Spektrum an Nahrungsmitteln verhindere zudem, dass man von gewissen Schadstoffen oder natürlichen Inhaltsstoffen zu viel erwische. «Bei Lebensmitteln von weit her würden zudem häufiger Pestizidrückstände nachgewiesen», erklärt Fäh weiter. Es gebe zudem Hinweise, dass Pflanzen mehr gesunde Nährstoffe ausbilden, wenn sie dann wachsen dürfen, wenn es von der Natur vorgesehen ist.
Auf jeden Fall. Statt das ganze Jahr hindurch Kopfsalat, Gurken und Peperoni zu essen, kann man seinen Bedarf an Vitaminen und Ballaststoffen im Winter bestens mit Randen, Rüebli und Kabis abdecken. Gleichzeitig entdeckt man dabei neue Geschmäcker und Kreationen, während Tomaten und Erdbeeren im Januar oft fad schmecken. Wer sich mehr oder weniger an den Schweizer Saisonkalender hält, freut sich umso mehr, wenn im Frühling der erste Spargel oder frische Radieschen im Regal liegen oder im August reife, geschmackvolle Tomaten in verschiedenen Grössen und Formen zusammen mit frischem Basilikum zum Kauf locken. Obwohl die Vielfalt auch im Winter überraschend gross ist, kann man den Speiseplan in dieser Jahreszeit je nach Bedarf mit Zitrusfrüchten oder Trockenobst ergänzen.
Tendenziell trifft das zu. Einerseits benötigen kälteresistentere Pflanzen im Winter weniger oder keine Energie für das Heizen von Gewächshäusern. «Und anderseits sind Gemüsesorten, die nicht der Saison entsprechen, öfter mit Mitteln behandelt, die einen Ertrag unter nicht optimalen Bedingungen erst ermöglichen», erklärt Ernährungswissenschaftler Fäh. Stoffe wie Phosphor und Stickstoff, aber auch Pflanzenschutzmittel können Gewässer und andere Ökosysteme belasten und die Artenvielfalt reduzieren. Bei Produkten aus der Nähe sind zudem die Transportwege kürzer. Generell wird jedoch der ökologische Fussabdruck des Transports stark überschätzt – ausser es handelt sich um eingeflogene Ware. Tomaten und Auberginen aus dem Süden generieren im Winter weniger klimaschädliche Emissionen als entsprechendes Gemüse aus hiesigen Treibhäusern. Wie wissenschaftliche Studien zur Ökobilanz zeigen, entsteht ein Grossteil der Umweltschäden sowieso in der Produktion selbst: beim Wasser-, Land- und Energieverbrauch, durch den Einsatz von Pestiziden und Dünger und in der Tierhaltung durch den Ausstoss von Treibhausgasen und den Verlust der Artenvielfalt. Stark ins Gewicht fällt der Transport vom Geschäft in die Privathaushalte. Wenn man mit dem Auto zum Laden fährt, stösst man viel mehr Klimagase aus, als der Transport der gleichen Produkte vom Anbauort in den Laden verursacht. Und wer sich möglichst umweltfreundlich ernähren will, erzielt die grösste Wirkung mit möglichst wenig tierischen Produkten.