Jedes fünfte Paar in der Schweiz ist von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen. Wir beleuchten Fakten und Mythen zum für die Betroffenen oft belastenden Thema.
Kann ein Mann auf natürlichem Weg kein Kind zeugen oder wird eine Frau trotz regelmässigem ungeschütztem Sex innerhalb eines Jahres nicht schwanger, spricht man laut der Weltgesundheitsorganisation WHO von Unfruchtbarkeit oder Sterilität. «Infertilität» der Frau bedeutet, dass sie zwar schwanger wird, das Kind aber nicht austragen kann. In der Umgangssprache werden alle Begriffe meist synonym verwendet. Sowohl Mann wie Frau können unfruchtbar sein.
Rund jedes fünfte Paar bleibt in der Schweiz ungewollt kinderlos. Weltweit betrifft es jedes sechste Paar. In 30 Prozent der Fälle liegt der Grund der Unfruchtbarkeit bei der Frau, in 30 Prozent beim Mann. Bei rund 20 Prozent tragen sowohl die Frau als auch der Mann dazu bei.
Grundsätzlich kann Sterilität bei Mann und Frau körperliche oder in Ausnahmefällen psychische Ursachen haben, aber auch der Lebensstil spielt eine Rolle: Länger andauernder Stress, starker Nikotinkonsum, ein hoher Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung und Übergewicht sind bei Mann und Frau ungünstig. Auch Medikamente, Chemotherapie, Bestrahlungen, Anabolika, Umweltgifte oder Pflanzenschutzmittel können sich negativ auswirken. Trotzdem: Die meisten Ursachen für Unfruchtbarkeit lassen sich nicht mit dem Lebenswandel erklären.
Ja, denn man weiss aus älteren Studien, dass ungewollt kinderlose Paare psychisch gleich gut unterwegs sind wie Eltern und die Bevölkerung. Die Unfruchtbarkeit und die reproduktionsmedizinischen Behandlungen können aber auf Dauer so belastend sein, dass unfruchtbare Frauen ängstlicher und depressiver werden. Die psychischen Probleme sind also meist nicht die Ursache sondern die Folge von Kinderlosigkeit. Setzt die Monatsblutung trotz Hoffnung auf eine Schwangerschaft wieder ein, stürzen Paare oft in ein emotionales Loch.
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«Fixiert euch nicht so, dann wird es schon klappen», unterstellt psychische Selbstblockaden. Ältere Untersuchungen zeigen, dass sich bei Paaren, die sich keine eigenen Kinder mehr wünschen und ein Kind adoptierten oder zur Pflege aufnahmen, nicht häufiger «spontan» eine Schwangerschaft einstellte als bei Paaren, die weiter auf ein Kind hoffen.
Es gibt sehr viele Gründe: Hormonstörungen, Gebärmutterfehlbildungen, Myome oder Polypen in der Gebärmutter. Verwachsungen nach einem Chlamydieninfekt bis hin zum Tubenverschluss. Medikamente, Chemotherapie, Anabolika, Über- oder Untergewicht, Schleimhautschädigungen, Stoffwechselstörungen oder Endometriose – um nur einige zu nennen. Auch das Alter spielt eine Rolle: Je älter eine Frau ist, desto höher ist das Risiko, dass die Reifung der Eizellen gestört und die Eizellreserve eingeschränkt sein kann.
Welche hormonellen Störungen können zu Unfruchtbarkeit bei Frauen führen?
Die Auswirkung einer hormonellen Störung kann sein, dass zu wenig Eizellen heranreifen, der Eisprung ausbleibt oder sich die Gebärmutterschleimhaut nicht richtig aufbaut. Dann kann sich das Embryo nicht einnisten. Ausserdem verändert sich manchmal die Qualität des Zervixschleims, sodass die Spermien die Gebärmutter nicht erreichen.
Welches sind die körperlichen Ursachen von Unfruchtbarkeit bei Frauen?
Forschende der Universität Genf haben im Jahr 2019 die Spermienqualität bei mehr als 2500 jungen Männern in der Schweiz zwischen 18 und 22 Jahren untersucht. Das Resultat: bei 60 Prozent dieser jungen Männer wurden die Normwerte der Spermienqualität nicht erreicht. Entweder waren zu wenig Spermien vorhanden, deren Beweglichkeit eingeschränkt oder die Anzahl der normal geformten Spermien war reduziert. Verminderte Spermienqualität und -Produktion sind die häufigsten Gründe für die Unfruchtbarkeit von Männern. Auch das Alter, das eine verminderte Produktion des Geschlechtshormons Testosteron mit sich bringt, trägt dazu bei.
Gründe für Unfruchtbarkeit bei Männern:
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Das kommt auf die Ursache an. Meistens geht man schrittweise vor, um die Abklärungen durchzuführen, dann werden die Optionen besprochen. Die reichen von gezieltem Sex bis hin zur In-vitro-Fertilisation IVF. Dazwischen gibt es viele Optionen, die Gynäkologinnen für Frauen und Urologen für Männer aufzeigen können.
Da kommt die altbekannte Lebensmittelpyramide voll zum Zuge: am besten ist eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Früchten, Vollkornprodukten, massvollem Fleischkonsum – vorzugsweise Geflügel – sowie Fisch. Besonders wichtig rund um die Fruchtbarkeit scheinen mehrfach ungesättigte Fettsäuren, insbesondere Omega-3-Fettsäuren zu sein.
Dass gewisse Lebensmittel wie etwa Austern oder Venusmuscheln die Fruchtbarkeit fördern, gehört ins Reich der Mythen. Auch Granatäpfeln haftet diese Wunderwirkung an. Bewiesen ist nichts, doch auch hier gilt Altbewährtes: «Nützt es nichts, so schadet es immerhin nicht».