Eine Geburt, die Wechseljahre oder lediglich das Alter: Eine Inkontinenz bei Frauen kann verschiedene Ursachen haben. Wird das Problem früh genug angesprochen, können verschiedene Behandlungen die Beschwerden lindern.
Wer an Inkontinenz leidet, verliert ungewollt Urin. Deshalb wird oftmals auch von einer schwachen Blase oder Blasenschwäche gesprochen.
Eine gesunde Blase speichert Urin während einer längeren Zeit. Währenddessen ist der Blasenmuskel entspannt und der Schliessmuskel sorgt dafür, dass kein Urin über die Harnröhre abfliesst. Beim Wasserlassen zieht sich dann der Blasenmuskel zusammen, der Schliessmuskel und die Beckenbodenmuskulatur erschlaffen.
Damit dieser Vorgang reibungslos funktioniert, müssen verschiedene Teile des Körpers intakt sein und zusammenspielen: Zentren im Gehirn, Rückenmark, Muskeln, Nerven… Liegt nur hier irgendeine Störung vor, kann das System nicht mehr problemlos arbeiten.
Gemäss Kantonsspital Winterthur leiden in der Schweiz etwa 400'000 Menschen an Inkontinenz. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, die Häufigkeit nimmt im Alter zu. Laut der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2012 ist knapp jede fünfte Person ab 65 Jahren betroffen.
Bei der Belastungsinkontinenz kommt es zu ungewolltem Urinverlust, wenn sich der Druck im Bauchraum erhöht. Also zum Beispiel bei körperlicher Belastung oder auch beim Husten oder Niesen. Die Betroffenen verspüren im Normalfall keinen Harndrang. Der Urinverlust kann dabei sehr gering sein (wenige Tropfen), aber es kann auch zu einem Urinverlust im Strahl kommen.
Bei der Dranginkontinenz spüren Betroffene immer wieder einen plötzlichen, übermässig starken Harndrang. Auch wenn die Blase nicht voll ist. Schaffen sie es nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette, geht der Urin schwallartig ab. Das kann bis zu mehrmals pro Stunde passieren
Bei der Überlaufinkontinenz kann sich die Blase nicht mehr richtig entleeren und ist längerfristig übermässig voll. Das führt zu einem permanenten Tröpfeln von Urin – ähnlich wie bei einem undichten Wasserhahn.
Bei der Reflexinkontinenz kann die Entleerung der Blase nicht mehr willentlich gesteuert werden. Stattdessen passiert sie reflexartig. Es bleibt jedoch meistens etwas Restharn in der Blase zurück.
Bei der Belastungsinkontinenz liegt die Ursache meist in einer Schwächung der Beckenbodenmuskulatur. Diese kann verschiedene Gründe haben. Zum einen kann sie altersbedingt auftreten, zum anderen aber auch als Folge von Verletzungen, Operationen, Schwangerschaft oder Geburt.
Bei der Dranginkontinenz kann die Blase den Urin nicht mehr ausreichen speichern. Darum sendet sie schon bei geringer Füllung fälschlicherweise ein Signal ans Hirn. Dieses führt dann zum kaum unterdrückbaren Harndrang.
Bei der Überlaufinkontinenz hingegen verhindert ein Hindernis oder eine Nervenschädigung die komplette Entleerung der Blase. Das Hindernis kann beispielsweise aus einer vergrösserten Prostata, einer Gebärmuttersenkung oder Myome bestehen.
Bei der Reflexinkontinenz sorgen Nervenschäden an Gehirn oder Rückenmark dafür, dass die Zusammenarbeit der beteiligten Muskeln nicht mehr optimal funktioniert. Diese Schäden können zum Beispiel durch Multiple Sklerose, einen Schlaganfall, Parkinson, Alzheimer, Demenz oder nach einer Querschnittslähmung auftreten.
Ein Miktionsprotokoll kann dabei helfen, eine Inkontinenz zu diagnostizieren. In diesem Trink- und Toilettentagebuch halten Betroffene während einiger Tage fest, wie viel sie trinken und wie ihre Toilettengänge aussahen: Wie oft mussten sie Wasser lassen? War der Harndrang stark? Kann es zu unwillkürlichem Harnabgang?
«Die Informationen aus dem Miktionsprotokoll können dabei helfen, die Form der Inkontinenz zu bestimmen. So kann die Therapie bestmöglich gestaltet werden», sagt Tobias Gross, Facharzt für Urologie.
Eine Studie, die im British Journal of Sports Medicine veröffentlicht wurde, zeigt auf, dass Leistungssportlerinnen (30 Prozent) deutlich öfter an Inkontinenz leiden als gleichaltrige Frauen, die keinen Leistungssport betreiben (13 Prozent). Betroffen waren vor allem Frauen, die «Schwerkraft-Sportarten» wie Hochsprung, Weitsprung oder Trampolin ausübten. 39 Prozent der Befragten gab an, dass die Inkontinenz ihre sportliche Leistung beeinflusse.
Quelle: «British Journal of Sports Medicine»
Während der Schwangerschaft und auch bei der Geburt wird die Beckenbodenmuskulatur stark beansprucht. Deshalb ist sie danach geschwächt und es kann zu einer Belastungs- oder Dranginkontinenz kommen. Rückbildungskurse mit Beckenbodentraining oder auch Physiotherapie können dabei helfen, die Muskeln wieder zu stärken und die Inkontinenz zu lindern oder ganz zu beseitigen.
Während der Wechseljahre verändert sich der Hormonhaushalt: Der Östrogenspiegel sinkt. Zudem wird die Beckenbodenmuskulatur schwächer und die Gebärmutter kann sich absenken. Das kann häufigeren Harndrang oder gar eine Inkontinenz auslösen.
«Es gibt verschiedene wirkungsvolle Massnahmen, um eine Inkontinenz zu behandeln. Operative Massnahmen wie das Einsetzen von Harnröhrenbänder kommen deshalb normalerweise erst zum Zuge, wenn die konservativen Methoden keine Wirkung zeigen», meint der Experte.
Je nach Art und Ursache der Inkontinenz sollte aber auch eine Änderung des Lebensstils in Betracht gezogen werden. So kann Inkontinenz zum Beispiel durch Übergewicht begünstigt werden. Ausserdem sollten Betroffene, wenn möglich, auf Kaffee, schwarzen Tee oder kohlensäurehaltige Getränke verzichten. Sie wirken harntreibend und können die Blase reizen. Besser sind Wasser, Kräutertee oder ungesüsste Fruchtsäfte.
Inkontinenz-Hilfsmittel für Frauen können Sicherheit vermitteln und dadurch ein Stück Lebensqualität zurückgeben. Sie sollten jedoch nur übergangsmässig angewendet werden und ersetzen keine Behandlung des Problems.
Mögliche Inkontinenzhilfen:
Bei ersten Anzeichen von Inkontinenz sollte man so bald wie möglich eine medizinische Fachperson beiziehen. «Viele schämen sich noch immer, das Thema Inkontinenz anzusprechen. Doch gerade während der Anfangsphase wäre Blasenschwäche gut behandelbar», sagt auch der Facharzt für Urologie Tobias Gross.
Nach einer Geburt verschwindet die Inkontinenz meistens innerhalb von drei Monaten wieder. Hält diese länger an, sollte auch in diesem Fall eine Ärztin oder ein Arzt konsultiert werden.