Eine Gesundheitsstudie deckt Defizite in Sachen Stress, Schlafqualität und Intimität bei Herr und Frau Schweizer auf. Experten sagen, wie wir unser Wohlbefinden wieder steigern können.
Wie ist es um den Lebensstil der Schweizerinnen und Schweizer bestellt? Das liess die Migros in Zusammenarbeit mit Ringier in einer gross angelegten Umfrage vom Forschungsinstitut Sotomo eruieren und erhielt jede Menge interessante Resultate – in Teil 1 zum generellen Lebensstil, in Teil 2 rund um das Thema Ernährung und in Teil 3 zur Bewegung.
In Teil 4 der Artikelserie geht es nun um den Bereich Wohlbefinden beziehungsweise die mentale Gesundheit. Hier spielen Fragen eine Rolle wie: Was ist der Stresslevel der Schweiz? Wie schläft die Schweiz? Und: Wie intim ist die Schweiz?
Was den Stress betrifft, so geben die Umfrageergebnisse nur zum Teil Entwarnung: Denn 36 Prozent sind bis zu einem gewissen Grad gestresst. Ein gutes Drittel der Bevölkerung also, das damit auch einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt ist: Chronischer Stress kann unter anderem zu Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Problemen, Diabetes und chronischer Erschöpfung (Burn-out) führen. Dass der Gesundheitszustand direkt mit dem Stresslevel zusammenhängt, zeigt auch die Umfrage: Der Anteil jener, die sich sehr gestresst fühlen, ist bei den Befragten mit schlechtem Gesundheitszustand mit 22 Prozent besonders hoch. Es liegt hier vermutlich eine fatale Wechselwirkung vor: Stress wirkt sich negativ auf den Gesundheitszustand aus, andererseits können gesundheitliche Probleme Stress verursachen. (Fortsetzung weiter unten…)
Für Experten ist deshalb klar, bei Anzeichen von dauerhaftem Stress schnell zu handeln. «Oft werden Menschen aufgrund von chronischem Stress zu spät aktiv», sagt Nadine Kügerl von SalutaCoach. Der Basler Gesundheitsdienstleister unterstützt Menschen im Rahmen eines Personal Health Coachings in den Bereichen Ernährung, Bewegung und Entspannung. «Lernen Sie zum Beispiel, sich abzugrenzen und öfter Nein zu sagen», empfiehlt Kügerl. «Beginnen Sie, Aufgaben und Tätigkeiten zu gewichten, und priorisieren Sie Ihre Erholung.» Wichtig sei hier auch der Einbezug des sozialen Umfelds. «Scheuen Sie sich nicht, aktiv nach Hilfe zu fragen, und nehmen Sie diese dann auch wirklich an.»
Wirft man beim Umfragethema Stress einen Blick auf Geschlechter und Alter der Befragten, so ist zu beobachten, dass bei den Frauen durchschnittlich 41 Prozent bis zu einem gewissen Ausmass von Stress betroffen sind, bei den Männern nur 32 Prozent. Erschwerend kommt hinzu, dass Frauen im Vergleich zu Männern auch öfter unter Symptomen als Folge von Stress leiden. Nebst schlechtem Schlaf (62 Prozent) sind dies Rückenschmerzen (34 Prozent), Verdauungsprobleme und Übelkeit (34 Prozent) und Kopfschmerzen (32 Prozent). Ein knappes Drittel leidet auch unter einem Libidoverlust (29 Prozent). Männer hingegen sind «nur» von Schlafproblemen (52 Prozent) und Kopfschmerzen (26 Prozent) in grösserem Masse betroffen. Die restlichen Symptome manifestieren sich bei weniger als jedem fünften Mann.
Immerhin: Strategien, den Stress zu lindern oder gar nicht erst entstehen zu lassen, kennen gemäss der Umfrage sowohl Männer und Frauen. Vielen Befragten hilft es, in die Natur zu gehen, auch Bewegung und Sport ist für viele eine sinnvolle Strategie. Weitere gute Tipps haben die Personal Health Coaches von SalutaCoach auf Lager.
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In der Tat ist genug und guter Schlaf ein probates Mittel gegen Stress. Herr und Frau Schweizer sind diesbezüglich nicht schlecht auf Kurs: 80 Prozent der Befragten geben an, unter der Woche mehr als sieben Stunden zu schlafen. Besonders leicht fällt es der jüngsten Altersgruppe von 18 bis 24 Jahren sowie den Senioren ab 65. Bei Personen in der anspruchsvollen Lebensphase von 25 bis 64 Jahren ist der Anteil der Befragten, die nur sechs bis sieben Stunden schlafen, indes höher. Der Anteil derer, die unter sechs Stunden schlafen, ist mit 9 Prozent bei den 18- bis 24-Jährigen am höchsten.
Die Schlafdauer ist zudem nur ein Parameter für guten Schlaf. Genauso wichtig ist auch die Schlafqualität. Und hier gibt es in Schweizer Nachtlagern grössere Defizite. So geben 31 Prozent der Befragten an, gelegentlich unter Schlafproblemen zu leiden, 12 Prozent sogar oft oder immer. Die meisten Befragten, die unter Schlafproblemen leiden, klagen über Wachphasen in der Nacht – das betrifft besonders die Befragten ab 35 Jahren. Etwas weniger häufig sind Schwierigkeiten beim Einschlafen, worunter besonders Jüngere von 18 bis 34 Jahren leiden – und frühzeitiges Erwachen, das am stärksten die Alterskategorie 45 bis 64 Jahre betrifft. Der Mythos von der «senilen Bettflucht» wird also nicht bestätigt, wie die Grafik zeigt.
Doch was tun gegen diese Schlafprobleme? Fragt man die Schweizerinnen und Schweizer, welche Mittel sie anwenden, sagen die meisten «regelmässige Schlafzeiten einhalten» (38 Prozent). Bereits deutlich weniger Befragte schwören auf Entspannungsübungen (22 Prozent) oder Sport (20 Prozent). Kaum beachtet werden indes Schlaftabletten: Nur jeder Zehnte hält Medikamente für hilfreich. Und was raten hier die Experten? Für sie ist klar: Guter Schlaf wird am Tag gemacht. Das heisst: mehr Erholung am Tag, den Stress reduzieren. «Hilfreich sind auch Bewegung und Sport. Beides baut Schlafdruck auf, der uns besser ein- und auch durchschlafen lässt», erklärt Nadine Kügerl von SalutaCoach. Nicht zuletzt sollte das Schlafzimmer wirklich nur zum Schlafen benützt werden. «Alle anderen Aktivitäten – ausser Sex – gehören nicht ins Schlafzimmer. Eliminieren Sie zudem alle Störfaktoren.» Die besten Empfehlungen der SalutaCoaches für Jung und Alt stehen in der folgenden Zusammenstellung.
Nebst Schlaf ist für viele auch eine erfüllte Sexualität wichtig für eine gute Gesundheit. Die Umfrage zeigt diesbezüglich allerdings, dass die Libido von Herr und Frau Schweizer ein bisschen eingeschlafen ist – so hatten Schweizerinnen und Schweizer im Laufe eines Monats lediglich zweimal Sex. Intimität in Form von Umarmungen ist bei Frauen verbreiteter. Sie geben mit 75 Prozent häufiger als Männer (64 Prozent) an, dass sie in der Woche vor der Umfrage zumindest eine Person für längere Zeit umarmt haben.
Beide Arten von Intimität seien für die Gesundheit eines Menschen sehr wichtig, sagt Personal Health Coach Anja Amann. «Durch Intimität und körperliche Nähe wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, das für Wohlbefinden sorgt sowie zu verstärkter Bindung und Stressreduktion führt. Zudem fördert Intimität das Selbstvertrauen, das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.» Um dies zu erreichen, müsse nicht zwingend immer zum Sex kommen, ergänzt sie. «Manchmal reicht auch körperliche Nähe in Form von Kuscheln, Händchen halten oder gemeinsam Duschen.» Amann rät Paaren, sexuelle Wünsche und Bedürfnisse beim Gegenüber anzusprechen. Helfen kann Intimität nicht zuletzt zur Reduktion von Stress. Beziehungsweise könnte. Denn laut der Umfrage greift nur ein sehr kleiner Teil von Herr und Frau Schweizer auf diese Stressbewältungstherapie zurück. Am meisten sind es noch die 25- bis 34-Jährigen mit 14 Prozent.