Albträume sind wie Horrorfilme. Die Gespenster lassen sich aber vertreiben – indem man das Kopfkino-Drehbuch einfach umschreibt.
Das Wörtchen «Alb» oder «Alp» in Alb- oder Alptraum bezeichnet ein Geschöpf aus der germanischen Mythologie. Das heimtückisches Wesen löste in den Erzählungen schlechte Träume und Beklemmungsgefühle aus, indem es sich schlafenden Menschen auf die Brust setzt.
Die Hälfte der Erwachsenen hat Albträume. Etwa fünf Prozent von ihnen sogar regelmässig. Frauen erwachen öfter als Männer schweissgebadet. «Besonders gefährdet sind zudem kreative, sensible Personen», sagt Michael Schredl, Schlafforscher im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim (D). Wer depressiv, traumatisiert oder angstgestört ist, leidet öfter unter chronischen Albträumen. Diese können zu einer eigenen Störung werden.
Der häufigste Auslöser von Albträumen ist Stress. Kann das Gehirn Tagesängste nicht bewältigen, neigt es dazu, sie im Schlaf als surreale Schreckensbilder zu wiederholen. Vielleicht, um sie so zu verarbeiten. Bei manchen kehren die Gespenster aber immer wieder zurück.
Es gibt keine Medikamente gegen das nächtliche Kopfkino. Mittel, die auf die Psyche wirken, erzeugen als Nebenwirkung oft sogar Albträume. Was hingegen nützt, sind psychologische Methoden. «Albträume spiegeln reale Ängste wider», erklärt Schredl. Diese erscheinen uns im Schlaf wie unter einem Vergrösserungsglas. Aus der Therapie von Ängsten ist bekannt: Blickt man ihnen nicht in die Augen, wachsen sie. «Ein bewusstes Auseinandersetzen ist auch bei Albträumen die wirksamste Therapie», so Schredl.
Erster Schritt: den Traum zu verstehen versuchen. Wichtig ist dabei, darauf zu achten, was man während des Traums fühlt und wie man sich verhält. Sitzt ein Monster im Nacken, sollte man sich fragen: Was finde ich derzeit im Wachzustand so bedrohlich, dass ich davor weglaufen will? Gelingt es, die reale Alltagsangst anzugehen, verschwindet meist auch ihr nächtliches Spiegelbild. (Lesen Sie unten weiter …)
Der Horrorfilm lässt sich auch abstellen, indem man ihn umschreibt. Als sehr wirksam gilt die «Imagery Rehearsal Therapy» (IRT) – was etwa soviel bedeutet wie «Therapie mit eingeübten Gedankenbildern». Sie wurde ursprünglich für traumatisierte US-Kriegsveteranen entwickelt.
Dabei schreibt der Betroffene als Erstes seinen quälenden Traum auf und überlegt, was im Traum passieren müsste, damit er keine Angst mehr haben muss. Die Antwort sollte dabei nicht lauten: davonfliegen oder wegrennen. Denn so vermeidet man Angst bloss erneut. «Das neue Drehbuch muss eine grosse Nähe zum ursprünglichen Albtraum-Skript haben», erklärt Psychologe Reinhard Pietrowsky von der Uniklinik Düsseldorf. Der Professor für klinische Psychologie ist einer der führenden Albtraumforscher im deutschsprachigen Raum. Wer beispielsweise träumt, erschossen zu werden, kann sich in seinem Drehbuch eine schusssichere Weste anziehen. Wer träumt zu fallen, kann sich einen Fallschirm umschnallen und beim Sturz öffnen. Der Träumer schreibt das neue Drehbuch auf und spielt es jeden Tag etwa zehn Minuten lang in Gedanken durch.
Der Erfolg dieser Methode lässt sich messen: Eine Studie zeigte, dass nach zwei Wochen die Hälfte der Albträume verschwunden waren. Auch traumatisierte Patienten profitieren. Die Therapie beeinflusst auch das wache Leben. Wem es gelingt, bizarre Monster aus seinem Schlaf zu vertreiben, der kommt mit realen Ängsten ebenfalls besser zurecht.