Wie bringt man Kinder dazu, sich beim Impfen oder Abhören der Lunge ruhig zu verhalten? Wichtig ist die Einstellung der Eltern, sagen Fachpersonen.
Spritzen, Plastikschläuche, seltsame Apparaturen, grelles Licht und weisse Kittel – eine Arztpraxis kann auf Kinder ganz schön furchteinflössend wirken. Nicht selten kommt es zu Tränen und Geschrei. Für die Eltern ist es oft harte Arbeit, ihr Kind so weit zu bringen, dass es eine Impfung über sich ergehen lässt, sich ruhig ans Röntgengerät stellt oder in den Finger stechen lässt, um einen Tropfen Blut abzunehmen.
So viel gleich vorweg: Ein Patentrezept, um dem Kind die Angst zu nehmen, gibt es nicht. Viele Eltern versuchen, ihr Kind mit einer Belohnung in die Praxis zu locken. Wenn es nachher einen feinen Zvieri bekommt oder das lang ersehnte Lego-Set, steigt bei manchen die Bereitschaft zum Mitmachen. Auch in vielen Kinderarztpraxen liegen kleine Geschenke bereit, die sich die Kleinen nach dem Untersuch oder dem Piks aussuchen dürfen.
Die Zürcher Kinder-Psychotherapeutin Valentina Corti findet es sinnvoll, das Kind fürs Tapfersein zu loben. Mindestens so wichtig sei aber die Haltung der Eltern, betont Corti: «Sie müssen dem Kind die Behandlung zutrauen, auch wenn sie schmerzhaft oder unangenehm ist, und dies auch signalisieren.» Mutter oder Vater sollten ruhig bleiben und die Ängste des Kindes anerkennen, sich aber keinesfalls davon anstecken lassen. Denn wenn die Eltern selber verzweifelt und nervös sind, überträgt sich dies ziemlich sicher auf das Kind.
Ähnliche Erfahrungen macht Roland Kägi in seiner Praxis. «Die begleitende Person sollte dem Kind eine Stütze sein», sagt der Zürcher Kinderarzt. «Sie muss ihm vermitteln, dass die Intervention sinnvoll und nötig ist.» In seiner Praxis am Rigiplatz achtet er darauf, dass bereits das Personal am Empfang eine ruhige, einfühlsame Atmosphäre ausstrahlt. Fürchten sich Kinder vor Impfungen, erledigt er diese oft gleich zu Beginn der Konsultation, um danach stressfrei Gespräche zu führen und weitere Untersuchungen vorzunehmen.
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Wenn immer möglich plant er genügend Zeit ein, damit er jede Massnahme Schritt für Schritt auf altersgerechtem Niveau erklären kann. «Wenn etwas wehtut, verheimliche ich es nicht», betont Kägi. Schwierig sei es natürlich bei Babys. Wenn im Alter von zwei Monaten die ersten Impfungen anstehen, kann man sie nicht mit Worten auf den Stich vorbereiten. «Sie tun mir jeweils schon leid, wenn sie losschreien», bekennt der erfahrene Kinderarzt.
Als angehende Ärztin ist es auch Núria Zellweger ein Anliegen, Kinder gut auf allfällige Arztbesuche und Spitalaufenthalte vorzubereiten. Deshalb engagiert sich die Medizinstudentin seit vier Jahren ehrenamtlich beim Projekt Teddybärspital. Am Universitäts-Kinderspital beider Basel führt die 25-Jährige mit ihren Kolleginnen und Kollegen jedes Jahr einen Anlass durch, an dem Kinder ihre Plüschtiere zur Untersuchung und Behandlung mitbringen dürfen.
Die Kinder begeben sich in die Rolle der Eltern und müssen zum Beispiel erklären, dass ihr Häschen Ohrenweh oder das Elefäntchen den Rüssel gebrochen hat. Die Kleinen dürfen an einem Hellraumprojektor selber Röntgenbilder anfertigen oder ihrem Kuscheltier mit einem Stethoskop das Herz abhören, während die Studierenden mit dem Finger auf dessen Rücken klöpfeln.
«Wir haben da so unsere Tricks», verrät Núria Zellweger. Die Kinder würden im Laufe der Veranstaltung oft einen Prozess durchmachen, beobachtet sie. «Viele wollen die Spritzen zuerst nicht anfassen. Am Schluss trauen sie sich, ihren Teddy selber zu impfen.»
Im Teddybärspital kommen Kinder spielerisch in Kontakt mit medizinischen Gerätschaften und lernen die Spitalumgebung kennen, ohne dass sie sich selber in einer Krankheitssituation befinden. Die Veranstaltungen richten sich an Kindergarten- und Primarschulklassen. Diese sollten sich vorgängig mit dem Thema beschäftigen und erhalten dafür entsprechende Materialien. Die Anlässe finden im Spital statt und werden von Studierenden der Medizin, Zahnmedizin und Pharmakologie durchgeführt. Sie schlüpfen in die Rolle von Ärzten, während die Kinder als Eltern ihrer Plüschtiere und Puppen auftreten, sie aber auch selber untersuchen und behandeln dürfen.
Die Idee gelangte in den 90er-Jahren aus Skandinavien in viele weitere Länder. In der Schweiz findet der Anlass jedes Jahr in Basel, Bern, Fribourg, Lausanne, Genf, St. Gallen, Lugano, Bellinzona und Locarno und zuweilen im Jura statt. Die Daten sind auf den jeweiligen Webseiten auffindbar, zum Beispiel unter: www.tbs-basel.ch
Um Kinder auf medizinische Behandlungen vorzubereiten, eignen sich auch Bilderbücher sehr gut. Eine grosse Auswahl zum Thema findet sich unter www.kindundspital.ch