Jeder vierte frische Vater zeigt Zeichen einer Depression. Dann ist es wichtig, sich nicht zu verkriechen, sondern darüber zu reden, bevor die ganze Familie darunter leidet.
Wenn sich ein neues Familienmitglied ankündigt, dann ist die Freude bei den werdenden Eltern gross. Gleichzeitig hat man auch Zweifel, ob und wie man das neue Leben als Familie meistern wird. Hohe Erwartungen an sich selbst und gesellschaftliche Erwartungen von aussen setzen die jungen Eltern stark unter Druck. Das bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Psyche: etwa jede siebte Frau leidet nach der Geburt ihres Kindes an einer Depression, und Hormone tragen noch ihren Teil dazu bei.
Immer noch wenig Beachtung finden hingegen die Väter. Auch sie haben ein hohes Risiko für den Babyblues, denn sie müssen sich nicht nur mit ihrer neuen Rolle im Familienleben arrangieren. Auf ihren Schultern lastet zusätzlich der ständige Druck, dass sie für die nächste Zeit alleine finanziell für die Familie sorgen müssen – auch wenn sie die ganze Nacht lang wegen Babygeschrei nicht geschlafen haben. Leidet die Junge Mutter im Wochenbett unter Babyblues, sorgt das beim frischgebackenen Vater zusätzlich für Stress und steigert das Risiko, selbst an einer Depression zu erkranken.
Nach einer neuen schwedischen Studie zeigt gar jeder vierte Vater nach der Geburt seines Kindes deutliche Zeichen einer Depression. Die Forscher der University von Lund begleiteten 10 Jahre lang 447 neue Väter. 28 Prozent von ihnen zeigten im ersten Jahr nach der Geburt ihres Kindes milde Symptome einer Depression, 4 Prozent hatten moderate Beschwerden. Symptome waren dabei Unruhe, Angst, Reizbarkeit, freiwillig längeres Arbeiten im Büro oder erhöhter Alkoholkonsum, aber auch Antriebslosigkeit, Überforderung und Erschöpfung.
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Schon 2010 zeigt eine grosse Studie mit über 28 000 frischgebackenen Vätern, dass im Laufe der ersten 18 Monate nach der Geburt im Schnitt fast jeder zehnte Anzeichen einer Depression entwickelte. Besonders kritisch scheinen die ersten Monate der Umgewöhnung zu sein: In den ersten drei bis sechs Monaten nach der Geburt hatten mit 25 Prozent der Väter die meisten mit einer depressiven Phase zu kämpfen.
Doch statt über die Probleme des Vaterseins in der Familie oder mit Freunden zu reden, verdrängen viele die Belastung und fliehen stattdessen in ihre Hobbys oder Treffen mit Freunden oder Mehrarbeit. Hilfe suchen nur die Wenigsten. In der schwedischen Studie traute sich noch nicht einmal jeder fünfte betroffene Vater zum Arzt, obwohl jeder dritte in dieser Gruppe zugab, bereits Gedanken entwickelt zu haben, sich wegen der Depression selbst zu verletzen. Hilft Reden allein nicht, kann eine sanfte Verhaltenstherapie von Nutzen sein oder kurze Zeit Antidepressiva.
Aus dem emotionalen Strudel herauszukommen, sei wichtig, sagen Experten. Nicht nur, um den Vater vor sich selbst zu schützen, sondern weil seine Depression langfristig auch negative Folgen auf die ganze Familie und das Neugeborene haben kann. Ein depressiver Vater spielt und lacht weniger mit seinem Kind, ist weniger häufig für das Kind da, hat möglicherweise mehr Streit mit der Partnerin. Studien vermuten schon länger, dass Kinder dadurch im Grundschulalter Auffälligkeiten im Sozialverhalten zeigen und möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Angststörungen, Depressionen und Drogenmissbrauch im Erwachsenenalter aufweisen.
Schwedische Studie:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/sjop.12396
Metastudie:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20483973