Übergewicht ist mehr als eine Zahl auf der Waage. Und weil das Thema so komplex ist, gibt es viele Missverständnisse und falsche Behauptungen, welche wiederum zu Vorurteilen führen. Dieser Artikel soll Klarheit schaffen und ein besseres Verständnis fördern.
Übergewicht und Adipositas sind Themen, die oft von Vorurteilen und falschen Annahmen geprägt sind. Schnell werden Betroffene verurteilt und als ‘selbst schuld’ abgestempelt. Doch die Realität ist viel komplexer. Wir prüfen die häufigsten Behauptungen und erklären, warum schnelle Urteile nicht nur falsch, sondern auch stigmatisierend sind.
Diese Annahme ignoriert die wissenschaftlichen Fakten und stigmatisiert die Menschen, die mit Übergewicht oder Adipositas leben. Übergewicht und Adipositas entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die oft ausserhalb der persönlichen Kontrolle liegen:
Die Genetik hat einen erheblichen Einfluss auf die Entstehung von Adipositas. Sind nahe Verwandte stark übergewichtig, erhöht sich auch das Risiko für andere Familienmitglieder, ebenfalls Übergewicht zu entwickeln.
Ganz so einfach ist es nicht. Übergewicht und Adipositas werden mithilfe des Body-Mass-Index (BMI) beurteilt. Von Übergewicht spricht man ab einem BMI von 25. Der BMI kann in bestimmen Fällen irreführend sein, etwa bei älteren Personen, Sportlern, sehr grossen oder kleinen Personen sowie bei muskulösen Körpern.
Ein weiterer wichtiger Wert ist das Taillen-Körpergrössen-Verhältnis. Mit dem sogenannten Waist-to-Height-Ratio-Rechner (kurz: WHtR-Rechner) kann man den Taillenumfang ins Verhältnis zur Körpergrösse setzen. Der Vorteil: Der WHtR-Rechner setzt die Körperfettverteilung ins Zentrum. Er bezieht den Bauchumfang sowie das viszerale Fett im Bauchraum mit ein. Das ist ein wichtiger Indikator für das Risiko möglicher Erkrankungen.
Ein erhöhter BMI (ab 25.0) bedeutet somit nicht, dass jemand krank ist. Genauso wenig gilt ein normaler BMI-Wert (zwischen 18.5-24.9) immer als gesund.
Die Realität zeigt ein differenzierteres Bild: Übergewicht und Adipositas verursachten in der Schweiz im Jahr 2022 tatsächlich erhebliche Kosten – rund 6.8 Milliarden Franken jährlich. 3.5% dieser Kosten (228 Millionen Franken) entfallen auf Gesundheitskosten, wenn Adipositas als Krankheit diagnostiziert wird. Diese umfassen Ausgaben für ambulante und stationäre Behandlungen, Medikamente und Medizinalprodukte sowie den Aufwand der Kranken- und Unfallversicherungen und der öffentlichen Gesundheitsverwaltung. Der Grossteil der Gesundheitskosten von Übergewicht und Adipositas – 54% oder 3,7 Milliarden Franken – entfällt allerdings auf Folgeerkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten.
Ein falscher Fakt, der noch immer im Umlauf ist. Warum Abnehmen komplizierter ist:
Nachhaltiges Gewichtsmanagement erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der biologische, psychologische und soziale Faktoren berücksichtigt.
Die Ursachen für Übergewicht bei Kindern sind vielfältig: Bewegung, Ernährung, Krankheiten oder Medikamente. Kinder mit Eltern, die mit Adipositas leben, haben ein erhöhtes Risiko für Übergewicht – auch bei gesunden Lebensgewohnheiten. Forschungen zeigen, dass starkes Übergewicht vererbbar ist. Doch eine ausgewogene Ernährung und angepasstes Essverhalten können dem entgegenwirken.
Übergewicht bei Kindern entsteht somit durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren.
Leistungsfähigkeit hängt von vielen Faktoren ab, wie körperlicher Fitness, mentaler Stärke, Erfahrung und Motivation – und nicht allein vom Körpergewicht. Tatsächlich gibt es viele Menschen mit Übergewicht, die sportlich aktiv, beruflich erfolgreich und körperlich sowie geistig belastbar sind. Die Zahl auf der Waage sagt nichts darüber aus, wie leistungsfähig eine Person ist. Solche Vorurteile können für Betroffene belastend sein und tiefgreifende Auswirkungen haben. Sie führen zu Diskriminierung am Arbeitsplatz, im Sport und im sozialen Umfeld. Sie können das Selbstwertgefühl betroffener Menschen erheblich beeinträchtigen und zu einem Teufelskreis aus Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung führen.
Viele Diäten versprechen schnelle Erfolge: 10 Kilos in 10 Wochen, mit dieser Wunder-Diät funktioniert es. Die Realität sieht anders aus: Acht von zehn Menschen nehmen die abgenommenen Kilos nach einer Diät wieder zu. Warum Diäten oft nicht nachhaltig sind? Der Appetit wird von einem Zusammenspiel aus Hormonen und Gehirnfunktionen gesteuert, wobei der Körper entschlossen versucht, eine Gewichtsabnahme zu verhindern.
Es gibt keine Universallösung für Gewichtsmanagement. Erfolgreiche, dauerhafte Veränderungen erfordern individuelle Ansätze, Geduld und oft professionelle Unterstützung. Eine behutsame, schrittweise Gewichtsabnahme in Kombination mit einer langfristigen Umstellung auf eine ausgewogene Ernährung ist der Schlüssel, um die Gesundheit zu fördern und den Körper nicht zu belasten.
Selbst schuld! Eine verletzende Aussage, die Betroffene leider viel zu schnell zu hören bekommen. Menschen mit Übergewicht oder Adipositas stehen nicht nur gesundheitlichen Herausforderungen gegenüber, sondern müssen sich auch mit Vorurteilen auseinandersetzen. Die Ursachen für Übergewicht und Adipositas sind viel komplexer: genetische Faktoren, medizinische Ursachen oder auch psychologische Einflüsse spielen eine Rolle. Erfahre mehr über die Hintergründe von Adipositas: Adipositas verstehen: Ursachen, Folgen und Behandlungsansätze.
Diese Annahme entspricht längst nicht mehr der Realität. Übergewicht und Adipositas sind zu einem weltweiten Gesundheitsproblem geworden: Im Jahr 2022 lebten 2,5 Milliarden Erwachsene (18 Jahre und älter) mit Übergewicht, davon 890 Millionen mit Adipositas. Besonders dramatisch zeigt sich die Entwicklung in den Inselstaaten des Südpazifiks wie Samoa, Tonga, Fidschi, den Cook-Inseln und Vanuatu. Dort hat sich die Ernährung zunehmend an westliche Muster angepasst, mit einem deutlich höheren Anteil an verarbeiteten Lebensmitteln. Die Folgen sind alarmierend: Innerhalb von nur 50 Jahren stieg das durchschnittliche Gewicht eines Samoaners von 73 Kilogramm auf 95 Kilogramm an – eine Zunahme von über 30 Prozent.
Ein gutes Vorbild zu sein, hat nichts mit dem Körpergewicht zu tun. Pauschale Aussagen wie diese fördern Stigmatisierung und schaden der gesellschaftlichen Akzeptanz. Was echte Vorbilder auszeichnet:
Vorbildfunktion entsteht durch das, was Menschen tun und wie sie andere behandeln. Nicht durch das, was sie wiegen.
Übergewicht ist ein komplexes Thema, das mehr verdient als schnelle Urteile und einfache Lösungen. Die Ursachen sind vielfältig, und jeder Mensch hat seine eigene Geschichte. Stigmatisierung hilft niemandem. Sie verstärkt Probleme, statt sie zu lösen.
Deshalb: Lasst uns Vorurteile ablegen und einander mit Respekt und Verständnis begegnen. Gemeinsam können wir ein Umfeld schaffen, das stärkt statt ausgrenzt.