Social Media, Netflix, Handy-Games – alles findet am Bildschirm statt. Warum es sich lohnt, die Nase auch mal in ein Buch zu stecken, welche Werke empfehlenswert sind und wie man die passende Lesebrille findet.
Die Schweizerische Hirnliga unterstützt die Hirnforschung in der Schweiz. 4 x jährlich erscheint ihr Magazin «das Gehirn» mit neuesten Erkenntnissen aus der Hirnforschung und kniffligen Denkspielen. Es kann kostenlos bestellt werden über www.hirnliga.ch, info@hirnliga.ch oder per Telefon 031 310 20 91.
Eine Denkspiel-Kostprobe: Welcher Buchstabe folgt als nächster in dieser Reihe?
E, Z, D, V, F, S ...?
Die Auflösung findest du in einer Box weiter unten.
Unser Gehirn ist ein Wunderwerk. Während der Schwangerschaft bilden sich in einem Embryo pro Sekunde 4300 Nerven- sprich Hirnzellen. Das macht 86 Milliarden in 9 Monaten. «Und wir kommen mit fast allen davon auf die Welt», sagt Professor Jürg Kesselring. Er ist Senior Botschafter und Neuroexperte des Rehabilitationszentrums Kliniken Valens, im Vorstand der Schweizerischen Hirnliga und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Funktionsweise des Gehirns.
Unsere vielen Hirnzellen vegetieren aber nicht einzeln vor sich hin, sondern bilden ein komplexes Netzwerk und kommunizieren pausenlos miteinander. «Jede Hirnzelle hat zwischen 1000 und 10’000 Verbindungen zu anderen Nervenzellen», so Jürg Kesselring. Alles, was wir über unsere Sinne erfahren, wirkt auf dieses Netzwerk ein und verändert es. «Auch wenn nach der Geburt nur noch wenige neue Hirnzellen hinzukommen: Neue Verbindungen im Netzwerk gibt es zeitlebens.»
Lesen forme das Gehirn dabei besonders. «Haben wir es mal gelernt, können wir nicht mehr NICHT lesen», betont der Mediziner. «Kleine Kinder oder Analphabeten erkennen keine Buchstaben, sie sehen nur schwarze Schleifen und Striche. Einzelne Buchstaben zu erkennen und diese zu Wörtern und Sätzen mit Bedeutung zusammenzufügen, ist eine grosse Hirnleistung!»
Neben den visuellen Fähigkeiten spricht Lesen auch das Arbeits- und das Langzeitgedächtnis an und stabilisiert die Verbindung zwischen den Hirnzellen. Auch die Konzentration wird gefördert. Es gibt sogar Studien, die besagen, dass Lesen Demenz vorbeugt. Jürg Kesselring: «Ich glaube das, auch wenn das Thema noch zu wenig erforscht ist, um genaue Aussagen machen zu können.»
«Beim Lesen kann man dem Alltag entfliehen und in andere Welten eintauchen. Das kann sehr beglückend sein», sagt Jürg Kesselring. Wie anregend – und auch körperlich aktivierend – Lesen wirken kann, lässt sich gerade bei Kindern gut beobachten. So kann es vorkommen, dass sie zum Beispiel nach der Lektüre von «Harry Potter» darüber nachgrübeln, wie sie ohne fliegende Besen Quidditch spielen können, Zauberstäbe basteln und Zaubersprüche in Latein üben.
Doch auch Erwachsene werden auf Reisen unterschiedlichster Arten mitgenommen, können innerhalb von kürzester Zeit die Sicht von Millionären und Millionärinnen, Forschern und Forscherinnen oder Detektiven und Detektivinnen erleben – und sich manchmal gar darin verlieren. «Für eine Weile in Fantasiewelten abzutauchen, ist in Ordnung. Doch nur in Romanen mit Happy End zu leben, ist keine gute Idee», sagt Jürg Kesselring. Er empfiehlt deshalb, sich regelmässig mit anderen auszutauschen. «Als Realitätscheck.»
Bücher können nicht nur Spass machen, sie können auch Balsam für die Seele sein. «Hat jemand Kummer, kann es trösten, Bücher darüber zu lesen, wie es anderen in ähnlichen Situationen ergangen ist», sagt Jürg Kesselring. Gut geeignet sind Biografien oder Ratgeber. «Liest man Beispiele von anderen, relativiert das die eigene Person, ohne dass man abgewertet wird», so der Neurologe. Liebeskummer nur über den Austausch von Kurznachrichten mit Freunden abzuhandeln, hält er für ungeeignet. «Wenn man in Not ist, braucht man kein Kurzfutter, sondern etwas, das einem richtig Trost spendet.»
Mit einem guten Buch in der Hand im Garten zu sitzen oder am Strand oder auf dem Sofa zu liegen, ist für viele Lebensqualität – und Erholung pur. Warum aber wirkt Lesen so erholsam auf uns? Augen und Hirn sind schliesslich gefordert, wenn wir lesen – nicht nur bei komplizierter Lektüre, sondern auch bei einfacheren Büchern. «Entspannung entsteht nicht durch Nichtstun, sondern durch angemessene Anregung», sagt Jürg Kesselring. «In diesem Fall ist die Anstrengung wohltuend.»
Hilfreich ist auch, dass man durch das Lesen fremder Ideen und Vorstellungen eine Pause von den eigenen Gedanken bekommt. Das gibt Zeit, mal wieder richtig durchzuatmen. Wichtig ist aber: Treten beim oder nach dem Lesen Kopfschmerzen auf, kann das ein Anzeichen dafür sein, dass die Sehkraft nachgelassen hat oder Brillen oder Kontaktlinsen nicht mehr richtig eingestellt sind. Dann ist es Zeit für einen Sehtest beim Augenarzt oder Optiker – und eventuell für eine Lesebrille. (Fortsetzung weiter unten…)
Ermittelt hat die Zahlen das Bundesamt für Statistik bei einem Vergleich von 2014 und 2019.
Wer liest, lernt immer dazu. Und das nicht nur, weil sie – oder er – andere Welten, andere Standpunkte und andere Meinungen kennenlernt: Lesen bedeutet auch sprachlich zu profitieren. Weil jeder Mensch – und somit jede Autorin und jeder Autor – sich wieder anders ausdrückt, lernt man beim Lesen viele neue Wörter und Redewendungen kennen. George Orwell zum Beispiel prägte in «Farm der Tiere» den Ausdruck «Alle Tiere sind gleich, aber einige Tiere sind gleicher als andere». «Alter schützt vor Torheit nicht» geht auf William Shakespeares Drama «Antonius und Kleopatra» zurück. Und Wilhelm Busch sinnierte in «Plisch und Plum»: «Aber hier, wie überhaupt, kommt es anders, als man glaubt.»
Weil sich das Hirn mit unbekannten Begriffen oder ungewohnten Wendungen länger auseinandersetzen muss als mit Gewohntem, stockt zwar kurz der Lesefluss. Bleibt man trotzdem bei der Stange und schlägt vielleicht das eine oder andere Unbekannte nach, wachsen Wortschatz und Ausdrucksmöglichkeiten. Begegnen einem unvertraute Begriffe gleich mehrmals, bleiben sie zudem besser im Gedächtnis haften. Denn Repetition stärkt die Verbindung zwischen den Hirnzellen.
Vokabeln büffeln ist ein notwendiges Übel, wenn man eine Fremdsprache erlernen will. Hat man sich einen gewissen grundlegenden Wortschatz erarbeitet, lohnt es sich, nach einem Roman in der betreffenden Fremdsprache Ausschau zu halten. Denn gerade weil Lesen Spass macht, lässt sich so auch hier spielend dazulernen. Fesselt einen die Geschichte, will man in der Regel wissen, wie sie ausgeht, und bleibt trotz Sprachhürden dran.
Zögere nicht, Ausschau nach vereinfachten und zweisprachigen Ausgaben zu halten! Denn liegt die Latte zu hoch, leiden Freude und Motivation darunter. Auch wenn man in der eigenen Sprache liest, kann es angezeigt sein, sich von Einfacherem zu Komplizierterem vorzuarbeiten. «Will man Einstein lesen, muss man sich sukzessive herantasten», so Jürg Kesselring. Anders ausgedrückt: Wie bei einem regulären ist auch bei einem geistigen Marathon die Vorbereitung das A und O, will man ins Ziel kommen. (Fortsetzung weiter unten…)
Nach einem gemeinsamen Kinobesuch folgen oft angeregte Gespräche über das Gesehene. Genauso ist es mit Büchern. Deshalb treffen sich viele Lesebegeisterte auch gerne mit anderen, um sich über Bücher auszutauschen. «Das ist gut für den sozialen Umgang», sagt Jürg Kesselring. Gerade auch Alleinstehende finden so Gelegenheit, in einem guten Rahmen andere Menschen zu treffen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Kesselring empfiehlt jedoch, eine Gruppe zu wählen, die einen aufbaut. «Hat es Besserwisser dabei, die andere mit ihrem Wissen einschüchtern wollen, hat man nicht viel davon.» Denn das könne Ängste auslösen. «Und Angst ist eines der stärksten Hirngifte.» Bewege man sich in einer wohlwollenden Gruppe, würden sich dagegen die Hirnströme aller miteinander synchronisieren. «Das ist dann wahnsinnig schön, und man kann viel Freude erfahren.»
Nie war es einfacher, stets ein gutes Buch dabeizuhaben. Denn durch E-Reader und Tablet kann man tonnenweise Lesestoff mit sich führen – jederzeit und überall. Vorbei auch die Zeiten, in denen die Hälfte des Reisegepäcks aus Büchern bestand. Ob man auf Papier oder elektronisch liest, ist allerdings nicht genau dasselbe. Bei einem gedruckten Buch gibt es keine Ablenkung. Wenigstens nicht unmittelbar im Blickfeld. Liest man auf dem Tablet, können Push-Nachrichten von Social Media, Kalender oder Newsseiten dazwischenfunken. «Unser Gehirn mag Multitasking nicht unbedingt. Auch wenn gerade Frauen sehr rasch von einer Aufgabe zu einer anderen switchen können: Wir sind nicht gut darin, gleichzeitig verschiedene Dinge zu tun», sagt Jürg Kesselring.
Die Folge: Je häufiger wir fragmentiert lesen, desto weniger gut können wir uns über längere Zeit konzentrieren. Was zudem Schlaf- und andere Gesundheitsexperten betonen: Wir sollten das Lesen – egal, ob auf Papier oder digital – eine Stunde vor dem Zubettgehen einstellen. Denn jede Information und jede Nachricht, die bei uns eintrifft, löst im Gehirn etwas aus. Will man gut (ein)schlafen, gilt es also, das zu vermeiden.
Die Buchstaben sind als Anfangsbuchstaben der Zahlen 1 bis 6 zu deuten: Eins, Zwei, Drei, Vier, Fünf, Sechs. Darauf folgt die Zahl Sieben, also «S».
Andere Lösungen sind nicht ausgeschlossen.
Die Auswahl an Literatur ist riesig. Und es ist für jede und jeden etwas dabei. Ist man sich unsicher, welchem Buch man sich widmen soll, helfen Tipps von anderen. «Wenn ich auf die berühmte einsame Insel gehen würde und nur das schönste Buch mitnehmen dürfte, wäre das ‹Doktor Schiwago› von Boris Pasternak», sagt Jürg Kesselring. «Müsste ich das tiefgründigste Buch mitnehmen, wäre das ‹Die Brüder Karamasow› von Fjodor Dostojewski.» Ebenfalls auf seiner Liste von Empfehlungen stehen «Frauen, die lesen, sind gefährlich» von Stefan Bollmann und «Das lesende Gehirn» von Maryanne Wolf.
Daniel Röthlin, Unternehmensleiter der Ex Libris AG, spricht über aktuelle Trends im Buchmarkt, Dauerhits und die Zugänglichkeit von Büchern.
Ja, es wird mehr gelesen. Und nicht nur durch E-Books, was uns natürlich sehr freut. Für viele Kundinnen und Kunden sind E-Books eine ergänzende, je nach Situation auch bevorzugte Alternative. Sie haben aber bei weitem nicht zu einem solchen Nachfrageeinbruch bei den physischen Büchern geführt wie digitale Angebote in der Musik- und Film-Branche.
Insbesondere der Einfluss von BookTok, einer Community auf TikTok, ist generell und auch in den Bücher-Charts spürbar. Dort tauschen sich junge Leserinnen und Leser intensiv über alle möglichen Buchtitel aus und motivieren sich gegenseitig.
Ich glaube, die Frage müsste lauten: «Gibt es Bücher, die wegen der grossen Veränderungen mehr gefragt sind?» Diese Frage kann man getrost mit Ja beantworten. Besonders von den Medien aufgegriffene Themen können eine erhöhte Nachfrage erzeugen.
Generell sind «Ratgeber» eine immer beliebtere Literatur, haben doch viele Menschen Fragen zu einer Unzahl Themen. Zu den Dauerbrennern der letzten Jahre gehören denn auch «Das Kind in dir muss Heimat finden», «Woman on Fire» und «Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen».
Ich bin noch aus der «Block-und-Bleistift-Generation» und brauche den Duft, das Gewicht und die Haptik eines physischen Buches. Ich bin mir sicher, dass ich damit nicht allein bin.
Das ist richtig und liegt seit unserer Gründung 1947 in unseren Genen. Schon Gottlieb Duttweiler übernahm mit diesem Gedanken den damaligen Buchverlag Ex Libris. Damals herrschte in der Schweiz noch das Buchpreisbindungsgesetz. Die Verlage hielten die Buchpreise absichtlich hoch. Der breiten Bevölkerung war es nur unter Abstrichen möglich, sich ein Buch zu kaufen. Mit Ex Libris vertrieb Duttweiler Bücher zu günstigen Preisen – erfolgreich.
Deshalb hat Ex Libris 2011 gegen die Wiedereinführung des Buchpreisbindungsgesetzes erfolgreich das Referendum ergriffen. So können wir auch heute mit Tiefpreisen (ca. 24% günstiger als der Branchenführer) die Lesefreude in der Schweiz wecken. Ganz im Sinne von Gottlieb Duttweiler. Darauf sind wir stolz!
«Gesellschaft im Wandel». Selten waren die gesellschaftlichen Veränderungen so schnell und so gross wie in unserer Gegenwart. Schlagworte wie Individualisierung, Globalisierung oder digitale Revolution stellen das gesellschaftliche Miteinander vor grosse Herausforderungen, bieten jedoch auch Potenzial für die Weiterentwicklung. Aber nur, wenn wir sie richtig verstehen und damit umzugehen wissen.