Haben Sie Blumen von einem Verehrer, einer Verehrerin erhalten? Oder sind Sie über beide Ohren verliebt? Aufregend! Aber wie geht es weiter, wenn diese Phase vorbei ist?
Die Schmetterlinge im Bauch trüben bekanntlich den Verstand und lassen das Gegenüber als perfekt und wie für einen geschaffen erscheinen. Denn so soll sie doch sein, die grosse Liebe, die mit dem Anspruch einhergeht, einen Seelenverwandten gefunden zu haben, der einen vollkommen versteht und die gleichen Werte und Überzeugungen teilt. Wiederkehrende Auseinandersetzungen sind in diesem Weltbild höchstens ein Hinweis, dass es sich eben doch nicht um die grosse Liebe handelt.
Diese romantisch-ideelle Verklärung, genährt von Filmen und Büchern, ist oft der Grund, warum Paare vorschnell aufgeben. Oder warum Alleinstehende unter der Sehnsucht nach der grossen Liebe leiden. Das ist nicht zu unterschätzen: Trennungsschmerz oder Liebeskummer können die Gesundheit arg in Mitleidenschaft ziehen. In der Medizin ist sogar vom «Broken-Heart»-Syndrom die Rede.
Ob Liebe «gesund» ist, einem also guttut, hängt zum grossen Teil von sich selbst ab – und somit von den eigenen Erwartungen an die Liebe. Die verlässliche Liebe fällt nicht einfach so vom Himmel, sondern ist das Ergebnis harter Arbeit. An sich, an der Partnerschaft, am Beisammensein. Sehr unromantisch.
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Zitate aus dem Buch «Der Lauf der Liebe» von Alain de Botton, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016
Die Liebe ist nämlich ein Handwerk, wie der Philosoph Alain de Botton in seinem neusten Buch «Der Lauf der Liebe» darlegt. «Wir wissen zu viel darüber, wie die Liebe beginnt, und bedenklich wenig darüber, wie es mit ihr weitergeht.» Lieben zu können, das wird heute als etwas angesehen, das intuitiv richtiggemacht wird, wenn einem der passende Mensch begegnet.
De Botton legt Paaren und Liebesuchenden ans Herz, sich einem aufgeklärten romantischen Pessimismus zu stellen. Konkret: Bei der Frage nach dem passenden Partner die Überlegung ins Zentrum stellen, welche Art Leiden wir aushalten wollen – und nicht, ob der betreffende Mensch den Vorstellungen der grossen Liebe entspricht, mit der sich alle Probleme in Luft auflösen.
Das romantisch-verklärte Ideal funktioniert in der Fiktion, nicht aber in der Realität, wo alle Paare irgendwann von den Alltagssorgen eingeholt werden. Nur schon deshalb, weil jeder seine eigenen Defizite in die Partnerschaft einbringt. Die Liebe hat vor allem dann eine Chance, wenn die Partner nachsichtig zueinander sind. Im Sinne von Alain de Botton bedeutet das: mit unterschiedlichen Präferenzen wohlwollend umgehen, sich den eigenen und den Schwächen des Partners stellen sowie den Mustern, die dahinterstecken – anstatt Feindseligkeiten immer auf sich selber zu beziehen.
Eine Garantie, dass die Liebe funktioniert, kann natürlich auch der romantische Pessimismus à la de Botton nicht geben. Aber er erhöht zumindest die Chancen, aus Krisen herauszufinden, anstatt auf das vermeintlich Bessere im Neuen zu hoffen.
Im Zeitalter der Dating-Apps und Dating-Portale ist das eine besondere Herausforderung. Es funkt nicht gleich auf Anhieb? Es kriselt in der Beziehung? Da ist es ein kleiner Schritt, sich von einem Algorithmus oder einem Matchmaker ein anderes mögliches Objekt der Begierde auf dem Bildschirm anzeigen zu lassen. Es könnte sich ja da draussen jemand tummeln, der noch viel besser zu einem passt.
Doch die grosse Auswahl ist ein Trugschluss. Nicht umsonst beklagen sich manche Menschen, die online einen Lebenspartner suchen, über die mangelnde Verbindlichkeit. Die Beschleunigungsgesellschaft hat offensichtlich auch jenen Bereich erfasst, der auf viel Zeit angewiesen ist, um überhaupt gedeihen zu können.