Freundinnen und Freunde sorgen für Spass und Erholung, geben uns Geborgenheit und tragen uns durch schwierige Zeiten: Für das Wohlbefinden sind sie enorm wichtig und verringern sogar das Risiko für Krankheiten.
Gesund essen, sich bewegen und nicht rauchen – so die gängigen Ratschläge für eine gute Gesundheit. Weniger häufig kommt hingegen ein anderer Faktor zur Sprache, obwohl er für Körper und Psyche genauso wichtig ist: Freundschaften führen zu mehr Lebenszufriedenheit, schützen vor einer gesundheitlichen Verschlechterung im mittleren Alter sowie vor kognitivem Abbau in späteren Jahren. Oder umgekehrt betrachtet: Einsamkeit kann krank machen.
Studien zeigen, dass einsame Menschen öfter als andere an Schlafstörungen, depressiven Symptomen und Rückenschmerzen leiden. Sogar Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz treten gehäuft auf. Denn Einsamkeit bedeutet Stress. In der Urzeit hätten Menschen auf sich allein gestellt gar nicht überleben können. Deshalb sind wir grundsätzlich nicht zum Alleinsein gemacht. Die meisten schätzen zwar auch ruhige Zeiten für sich. Diese zu geniessen, fällt jedoch leichter, wenn der Rückzug selbst gewählt ist, während man sich eingebunden fühlt in eine Partnerschaft oder einen Freundeskreis.
«Freunde sind unsere Wahlfamilie», sagt die psychologische Beraterin Gabriela Kratzer. Während sich in der Herkunftsfamilie nicht alle gleichermassen geborgen und zugehörig fühlen, dürfe man selber entscheiden, wer zum Freundeskreis gehört. Freundinnen und Freunde begleiten uns im besten Fall ein Leben lang und überdauern häufig auch Ehen und Partnerschaften. Manche sind aber auch nur während einer Phase präsent. «In dieser Zeit stiften sie Sinn im Leben und das Gefühl, nicht allein zu sein», sagt die Winterthurerin. In einer echten Freundschaft könne man sich auch mal eine Zeit lang aus den Augen verlieren und später wiederfinden. Dann erzählt man sich, was man inzwischen erlebt hat, und es fühlt sich oft so an, wie wenn das letzte Treffen erst gestern gewesen wäre.
Bei der Pflege von Freundschaften komme es nicht so stark auf die Menge an, sondern vielmehr auf die Qualität, betont die Beraterin: «Zwei bis fünf enge Freunde reichen. Es müssen nicht zwanzig sein.» Gemäss Studien in verschiedenen Ländern unterhalten Menschen im Durchschnitt vier enge Freundschaften – einige haben mehr, viele aber auch nur drei oder weniger. Dazu kommt eine grössere Anzahl von Personen im erweiterten Freundes- und Bekanntenkreis.
Mehr Informationen zur GDI-Studie und zur #freundschaftsinitiative der Migros.
Freundinnen und Freunde steigern das Wohlbefinden und Selbstwertgefühl, bieten uns Erholung, Stressabbau und Spass. Man verbringt die Freizeit zusammen und geht gemeinsamen Interessen nach. Besonders bei Jugendlichen hat der Freundeskreis auch einen bedeutenden Einfluss auf die Wahl der Hobbys, den Musik-, Kunst- und Filmgeschmack sowie auf den Humor und beeinflusst somit die Identitätsbildung und das persönliche Wachstum.
Weil wir in der Regel nicht mit unseren Freunden zusammen wohnen und weniger eng verbandelt sind als mit Familienmitgliedern, können wir mit ihnen auch über Probleme in diesem Umfeld sprechen. Zu den Ansprüchen an eine Freundschaft gehört es, jemanden zu haben, der zuhört und mit dem man offen reden kann über Dinge, die einen beschäftigen. Gemäss der neuen Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI) «In guter Gesellschaft» tauschen sich Frauen etwas häufiger über Gefühle und Probleme aus als Männer, während mehr Männer eher zusammen Sport treiben oder diskutieren, zum Beispiel über Politik.
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In der Befragung der 3000 Personen zeigte sich ein Grossteil zufrieden mit ihrer sozialen Eingebundenheit. Dennoch gaben acht Prozent an, weder enge Freunde noch einen erweiterten Freundeskreis zu haben, und weitere zehn Prozent halten die Quantität oder Qualität ihrer Beziehungen für unbefriedigend. Mehr als der Hälfte mangelt es zumindest teilweise an Zeit für die Freundschaftspflege – darunter vor allem Erwerbstätigen. In den USA ist die Anzahl Menschen mit keinen oder sehr spärlichen Freundschaften seit den 90er-Jahren deutlich gestiegen, weshalb gar von einer «Recession of Friendship» gesprochen wird. Akut soll das Problem in Grossbritannien sein, weshalb der Staat 2018 den Posten «Minister for Loneliness» geschaffen hat.
Verbreitet ist Einsamkeit unter anderem bei älteren Menschen. Ja, das Risiko steigt, wenn die Kinder ausziehen, man aus dem Berufsleben ausscheidet, der Partner oder die Partnerin wegstirbt und auch der Bekanntenkreis immer kleiner wird. Doch obwohl der Freundeskreis mit zunehmendem Alter meist schrumpft, sind es deutlich mehr Junge, die sich einsam fühlen. Dies hat wohl damit zu tun, dass diese Lebensphase gemeinhin mit wilden Partys und einem aktiven Sozialleben assoziiert wird. Wer da nicht mithalten kann, fühlt sich schnell ausgeschlossen. Speziell betroffen sind zudem Personen mit eingeschränkter Mobilität, die am gesellschaftlichen Leben weniger teilnehmen können, Erwerbstätige mit unregelmässigen Arbeitszeiten sowie Menschen, die nicht in der Schweiz aufgewachsen sind.
Aus der Einsamkeit herauszufinden und soziale Kontakte zu knüpfen, brauche Mut, sagt Gabriela Kratzer. «Man muss sich zeigen und sich anschliessen.» Gute Möglichkeit seien Angebote für gemeinsame Aktivitäten wie Wandergruppen, Kochen oder Sprachkurse, Sportvereine und Chöre. So finde man am ehesten Leute, die zu einem passen und mit denen man sich wohlfühle. Wer sich auf eine Beziehung einlässt, sollte jedoch auf Gegenseitigkeit bedacht sein – zum Beispiel nicht nur von sich erzählen, sondern auch Interesse am Gegenüber zeigen, betont die psychologische Beraterin. «Man muss bereit sein, selbst das zu geben, was man von der anderen Person erwartet.»
Viele Gemeinden und Organisationen bieten Kontaktmöglichkeiten an: Mittagstische, gemeinsame Wanderungen, Kurse, Gymnastik oder Tanzveranstaltungen. Eine Auswahl:
In Kontakt zu bleiben, ist einfacher, als aus der Einsamkeit wieder herauszufinden. Deshalb ist es wichtig, aktiv zu bleiben, Freizeitaktivitäten zu pflegen, in einem Verein mitzumachen, sich gemeinnützig zu engagieren und Freundschaften nicht einschlafen zu lassen. Wer merkt, dass er nicht gerne allein lebt, sollte sich spätestens aufs Alter hin um eine gemeinschaftliche Wohnform kümmern. Das Internet und Social Media sollten persönliche Beziehungen zwar nicht ersetzen. Beim Pflegen von Beziehung und Knüpfen neuer Kontakte können die digitalen Kanäle aber durchaus hilfreich sein. Wenn man feststellt, dass eine Person in der Nachbarschaft sehr einsam ist, wäre es sinnvoll, sie darauf anzusprechen. Vielen tut es nur schon gut, mal darüber zu reden. Man könnte die Person auf Kontaktangebote aufmerksam machen. Dabei sollte man sich aber auch der eigenen Grenzen bewusst sein: Jemanden anzusprechen, heisst nicht, dass man dann automatisch zuständig ist, das Problem zu lösen.