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Gesünder leben?

Gesünder leben?

Wenn die grosse Liebe in die Brüche geht

Verlassen oder zurückgewiesen zu werden, kann einem den Boden unter den Füssen wegziehen. Liebeskummer schmerzt. Ein neues Leben aufzubauen, braucht Zeit und einen sorgsamen Umgang mit sich selber.

Dass in der Beziehung nicht alles zum Besten stand, hatte sich schon länger abgezeichnet. Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten hatten sich über die letzten Monate gehäuft. Lisa hatte sich rarer gemacht. Die früher so angeregten Gespräche waren schweigsamen Nachtessen gewichen. Zuweilen hatte sich zwischen dem Paar ein sarkastischer Tonfall eingeschlichen. Dennoch war Thomas perplex, als plötzlich diese Nachricht kam: Lisa beendete die gut fünfjährige Beziehung per sofort.

Nach seiner gescheiterten Ehe hatte sich Thomas heftig in Lisa verliebt. Die beiden teilten kulturelle Interessen und gingen oft zusammen in die Berge. Doch nachdem Lisa ihre Arbeit verloren hatte, wurde es schwieriger. Dennoch hatte der 38-Jährige gehofft, die Beziehung mit Gesprächen retten zu können. Und nun dies.

Nach der Trennung ging es dem Krankenpfleger nicht gut. Er konnte kaum essen und schlafen, nahm einige Kilos ab, trank zu viel und seine Gedanken drehten sich ständig um seine Ex-Partnerin. An einigen Tagen schrieb er ihr mehrere Nachrichten, die sie meist unbeantwortet liess. Einmal ging er sogar zu ihrem Haus und versuchte, sie durch das Fenster zu erspähen. Um sich abzulenken, versenkte er sich schliesslich in die Arbeit und ging fast täglich joggen.

Wie Drogenentzug oder Schmerzen

Die Erfahrung von Thomas dürfte den meisten von uns bekannt vorkommen. Eine Trennung oder die Zurückweisung vonseiten einer geliebten Person kann uns in Zustände versetzen, die wir sonst kaum kennen. Auch bekannte Persönlichkeiten haben schon ihren Ruf ruiniert, weil sie eine ehemalige Partnerin stalkten. Studien haben ergeben, dass schwerer Liebeskummer im Gehirn biochemische Prozesse auslöst, die einem Drogenentzug oder einer körperlichen Verletzung gleichen, und dass im Extremfall sogar Herzbeschwerden auftreten können.

Toxischer und ungewohnter Gefühlsmix

Bei den Emotionen, die gemeinhin unter dem Begriff «Liebeskummer» zusammengefasst werden, handle es sich um ein ganzes Paket verschiedener Gefühlsregungen, erklärt Guy Bodenmann, Psychologie-Professor an der Universität Zürich und Paartherapeut. «Meist spielen besonders schmerzhafte Gefühle wie Groll, Bitterkeit, Gram, Verzweiflung und Kränkung mit. Dies macht die Sache komplizierter als etwa eine Trauerreaktion bei einem Todesfall.»

Wir seien uns viel mehr gewohnt, mit Emotionen wie Angst, Trauer und Ärger umzugehen, sagt Bodenmann. Deshalb sei eine Trennung für viele ein besonders schwieriger Zustand. Kommt dazu, dass beim Tod einer nahestehenden Person eingespielte Rituale zum Zug kommen, bei denen die Hinterlassenen Zuwendung und Stütze erfahren, während der Verlust einer noch lebenden Person meist viel weniger ernst genommen oder gar belächelt wird.

Auf Liebeskummer spezialisierte Coaches

Doch die Not ist gross. Gerade in Zeiten der Dating-Plattformen ist es einfacher geworden, sich nach einer neuen Liebschaft umzusehen und der alten den Laufpass zu geben. Während reifere Männer oft schnell wieder eine neue – oft jüngere – Freundin finden, haben es Frauen ab 50 schwerer auf dem Beziehungsmarkt. In Deutschland gibt es sogar Psychotherapeutinnen und Coaches, die auf das Thema spezialisiert sind. Und sie werden überrannt. Auch der deutsche Psychiater Günter H. Seidler fand in seiner Studie zum Thema ohne Probleme zahlreiche Teilnehmende, die bereitwillig Auskunft erteilten. Gemäss dem Professor ist der Begriff «Liebeskummer» eigentlich eine Untertreibung: «Bei schwerer Ausprägung handelt es sich viel eher um eine posttraumatische Belastungsstörung.»

(Fortsetzung weiter unten…)

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Narzissten empfinden Liebeskummer oft schwerer

Wie intensiv das Leiden an Liebeskummer ist, habe auch mit der Persönlichkeit zu tun, erklärt Guy Bodenmann. «Menschen, die zu einem gewissen Narzissmus neigen, tun sich schwerer. Denn sie bauen ihren Selbstwert zu einem grossen Teil auf der Wertschätzung durch andere auf. Fällt diese weg, erlebt man dies als besonders schmerzhaft.»

Weitere Kriterien für das Ausmass des Leidens seien auch, wie viel man in die Beziehung investiert hat, wie stark man an eine Zukunft mit dem Partner glaubte, welche Aussichten auf eine neue Beziehung bestehen, ob die Beendigung überraschend kam oder wie fair sie erfolgte, weiss der Forscher. «Eine Kurznachricht über Handy ist unwürdig.»

Thomas, der so stark unter der Trennung von Lisa gelitten hatte, erholte sich etwa nach einem halben Jahr allmählich wieder. In einer psychologischen Beratung hatte er viele ungünstige Muster erkannt, die sich in der Beziehung entwickelt hatten. Er hatte sich mit eigenen Schwächen auseinandergesetzt, aber auch mit denen der Partnerin.

Zudem hatte Thomas alte, vernachlässigte Freundschaften wiederbelebt und sich einem Wanderclub angeschlossen. Nach rund einem Jahr fühlte er sich wieder frei für eine neue Liebesbeziehung und streckte die Fühler aus. Diesmal mit klareren Vorstellungen, was für eine Frau zu ihm passen könnte.

So kommt man über Liebeskummer hinweg

  • Zuerst sollte man sich gründlich ausweinen, am besten bei einer guten Freundin oder einem Freund. Man darf dabei auch klagen und schimpfen.
  • In der schlimmsten Krise sollte man gut für sich selbst sorgen: regelmässig und gesund essen, sich bewegen, Musik hören, Freunde treffen. Denn in dieser Phase ist Ablenkung sehr wichtig, um innerlich Distanz zu gewinnen.
  • Vielen hilft das narrative Schreiben: Die vergangenen Ereignisse Revue passieren lassen und reflektieren, sich Gefühle von der Seele schreiben. Dies kann in Form eines Briefes an den/die Ex-Geliebte/n sein, den man aber besser nicht abschickt.
  • Nach dem ersten Schockmoment ist es wichtig, einen Schritt weiterzugehen. Statt sich im Selbstmitleid zu suhlen, sollte man selbstkritisch und realistisch über die Beziehung nachdenken. Viele Verlassene tendieren dazu, den verlorenen Partner oder die verlorene Partnerin und die gemeinsame Zeit entweder zu idealisieren oder abzuwerten. Nun gilt es zu klären, wer mit welchen Anteilen zum Ende beigetragen hat. Daraus kann mit der Zeit eine klarere Vorstellung entstehen, was man in einer neuen Partnerschaft anstrebt.
  • Im Zeitalter von Parship und Tinder ist die Versuchung gross, sich schnell in einen neuen Flirt zu stürzen, um über die unangenehmen Gefühle hinwegzukommen. Dabei besteht die Gefahr, dass die alte Beziehung nicht vollständig verarbeitet wird. Dies kann zur Hypothek für eine nächste Partnerschaft werden und ein Lernen aus den Fehlern bleibt aus.
  • Genauso ungünstig ist jedoch, gedanklich im Vergangenen zu verharren. Mit der Zeit sollte man die Trennung akzeptieren und im besten Fall verzeihen können. Erst dann ist man wieder frei für eine neue Beziehung.
  • Geht eine Beziehung in die Brüche, ist das häufig mit dem Verlust von Freizeitaktivitäten, einem gemeinsamen Freundeskreis oder sogar des vertrauten Wohnsitzes verbunden. All diese Verluste muss man allmählich und ganz bewusst wieder aufbauen. Es kann auch eine Chance sein, Neues zu wagen.
  • Einigen Paaren gelingt es, eine gewisse Zeit nach der Trennung wieder Kontakt zueinander zu pflegen und einen freundschaftlichen Umgang zu finden. Sind gemeinsame Kinder im Spiel, ist dies besonders wichtig. Andernfalls sollte man prüfen, ob einem der Kontakt guttut und ab welchem Zeitpunkt, oder ob man besser Distanz wahrt.
  • Wer über längere Zeit nicht klarkommt mit der Situation, sollte sich professionelle Hilfe holen.

von Andrea Söldi,

veröffentlicht am 18.11.2020

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