Wer Gluten nicht verträgt, der leidet möglicherweise an Zöliakie. Was ist das genau und wieso macht die Verdauung schlapp?
Herzhaft in ein Bürli beissen oder einen Teller Spaghetti verschlingen – das ist für Menschen mit Zöliakie nicht bedingungslos möglich. Denn viele Nahrungsmittel auf Getreidebasis enthalten Gluten. Das Protein – auch Klebereiweiss genannt – sorgt bei der Vermischung mit Wasser für einen elastischen Teig. Bei Zöliakie-Betroffenen kommt es zu einer Immunreaktion gegen Gluten. Diese führt zu einer Schädigung der Dünndarmschleimhaut. Menschen mit einer Glutenintoleranz müssen stets das Kleingedruckte lesen und sich beim Restaurant-Besuch in Acht nehmen. Eine grosse Sicherheit hat hingegen, wer selbst mit frischen Zutaten kocht.
Etwa ein Prozent der Bevölkerung. Galt Zöliakie früher als eine seltene Kinderkrankheit, so haben die besseren diagnostischen Methoden seit den 80er-Jahren dazu geführt, dass die Erkrankung auch bei Erwachsenen häufiger erkannt wird. Fast alle Betroffenen weisen eine bestimmte Genvariante auf, die jedoch auch in der Gesamtbevölkerung bei 30 Prozent vorhanden ist. Der Nachweis dieser genetischen Variante reicht also nicht aus für eine Diagnose. Neben den Personen mit Zöliakie gibt es auch eine Gruppe mit einer gewissen Sensibilität auf Gluten. Die Folge sind diverse Beschwerden, doch keine Schädigung der Dünndarmschleimhaut. Die genaue Ursache für das Unwohlsein zu finden, ist bei diesen Personen schwierig. Es kann sich auch um einen Reizdarm handeln.
Wegen der geschädigten Darmschleimhaut können Betroffene Nährstoffe weniger gut aufnehmen. Es kann deshalb zu Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen kommen – häufig ist zum Beispiel Eisenmangel. Auch chronische Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung können auf eine Zöliakie hinweisen. Weitere mögliche Symptome sind Kopf- und Muskelschmerzen, Müdigkeit und Verstimmungen. «Zöliakie ist das Chamäleon unter den Magen-Darm-Erkrankungen», sagt PD Dr. med. Jonas Zeitz, Leiter des Zöliakie-Zentrums am Gastrozentrum Hirslanden in Zürich. Weil die Krankheit so unterschiedliche und unspezifische Symptome zeigen kann, dauere es oft lange bis zu einer klaren Diagnose. Im Durchschnitt sind es sieben Jahre, bei Frauen tendenziell mehr.
Bei einem Arztbesuch stehen zuerst eine Befragung und eine körperliche Untersuchung an. Danach folgt ein Bluttest für die Bestimmung von spezifischen Antikörpern. Bei einem positiven Resultat braucht es für eine sichere Diagnose eine Magenspiegelung. Dabei wird Gewebe aus dem Duodenum entnommen und auf Veränderungen untersucht. (Das Duodenum – auch Zwölffingerdarm genannt – ist der erste Abschnitt des Dünndarms, der gleich nach dem Magenausgang liegt. Hier macht sich eine Zöliakie am stärksten bemerkbar.) Sowohl der Bluttest als auch die Biopsie sind jedoch nur aussagekräftig, wenn die Ernährung noch nicht auf glutenfrei umgestellt wurde.
Gluten kommt in Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel, Grünkern und Emmer vor, nicht aber in Mais, Reis, Hirse, Buchweizen, Kartoffeln und Soja. Kleinere Mengen an glutenhaltigen Getreiden verstecken sich auch in vielen Fertigprodukten wie etwa Suppen, Saucen, Würsten, Getränken oder sogar in tiefgekühlten Pommes, weil diese teilweise mit Mehl bestäubt werden.
Sobald man auf Gluten verzichtet, erholt sich die Darmschleimhaut innerhalb rund eines Jahres wieder. Mit einer abwechslungsreichen Ernährung haben Betroffene also keine gesundheitlichen Nachteile zu befürchten, wenn sie sich das ganze Leben lang konsequent verhalten. Allerdings treten bei Menschen mit Zöliakie häufiger psychische Probleme wie Depressionen, Angst- und Essstörungen auf. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Verstärkend wirkt wahrscheinlich die Angst vor Restaurantbesuchen und Einladungen, die zu sozialer Isolation führen kann.
Nein, das ist nicht sinnvoll. Denn Verdauungsbeschwerden können auch viele andere Ursachen haben. Bei einem Verzicht auf Gluten ohne klare Diagnose schränkt man sich unter Umständen unnötig ein. «Die glutenfreie Diät ist häufig ungesünder», sagt Jonas Zeitz zudem. «Wer sich nicht gründlich mit Ernährung auseinandersetzt, riskiert Mangelerscheinungen.» Bevor man umstellt, rät der Arzt unbedingt zu einer seriösen Abklärung. Denn die Diagnose wird erschwert, wenn die Ernährung bereits umgestellt wurde.
Sie sollten sich beim Einkaufen an Produkte halten, die mit dem Glutenfrei-Symbol (der durchgestrichenen Ähre) gekennzeichnet sind. Es gewährleistet, dass keine Spuren von glutenhaltigen Getreiden enthalten sind. Spuren können zum Beispiel auftreten, wenn glutenfreies Getreide in der gleichen Mühle wie Weizen verarbeitet wird. Auch nicht alle Restaurants sind hundert Prozent sattelfest bei der glutenfreien Küche. Gelegentliche kleine Diätfehler hätten jedoch für die meisten Betroffenen keine schwerwiegenden Folgen, betont Jonas Zeitz. «Man rückt wieder vermehrt von der Meinung ab, dass auch kleinste Spuren problematisch sind.» Wer mit anderen zusammenwohnt, könne also meist dasselbe Geschirr und denselben Toaster benutzen, wenn er die Krümel entferne und die Sachen reinige.