Die Kurzsichtigkeit hat in den letzten 100 Jahren stark zugenommen. Gründe dafür sind: zu wenig Tageslicht, zu viel Lesen und ständiges Starren auf Bildschirme.
Raus mit den Kindern ins Freie! Das raten Augenärzte, um der Kurzsichtigkeit vorzubeugen. In Europa steigt der Anteil junger Kurzsichtiger seit Jahrzehnten. Für die Schweiz fehlen bei Kindern genaue Zahlen; bei den 15- bis 24-Jährigen sieht mindestens jeder Dritte schlecht in die Ferne.
In Deutschland sind mittlerweile 51 Prozent der Maturanden kurzsichtig. «Das wird noch weiter zunehmen», prophezeite der Direktor der Augenklinik im deutschen Rostock kürzlich. Er ist nicht der einzige Augenarzt, der vor dem übermässigen Gebrauch von Smartphones durch Kinder warnt.
Zur Kurzsichtigkeit kommt es, wenn der Augapfel übermässig in die Länge wächst. Ständige «Naharbeit» wie Lesen oder auf Handys und Bildschirme schauen regt die Augen dazu an. Deshalb gibt es umso mehr Kurzsichtige, je «studierter» die Bevölkerung ist.
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So krass wie in Asien, wo mancherorts 90 Prozent der Schulabgänger kurzsichtig sind, ist es in Europa nicht. Korea, Singapur, Taiwan, China, Japan – überall stieg die Rate kurzsichtiger Kinder im letzten halben Jahrhundert sprunghaft. Bis zu 20 Prozent der Kinder dort sind bereits stark kurzsichtig, das heisst, sie brauchen eine Brille mit mindestens -6 Dioptrien. Zurückbilden tut sich dies nicht, im Gegenteil: Bei Schulkindern nimmt die Kurzsichtigkeit jährlich um rund -0,5 Dioptrien zu. Das entspricht einer Verlängerung im hinteren Augenabschnitt von einem sechstel Millimeter. Starke Kurzsichtigkeit kann im Extremfall zur Netzhautablösung führen. Sie ist der fünfthäufigste Grund für Erblindung in westlichen Ländern.
Einen Hinweis, warum die Kurzsichtigkeit bei Heranwachsenden so zunimmt, lieferte 1969 eine Studie an Inuit in Alaska. Sie hatten ihre Lebensweise stark verändert und lebten neu in Siedlungen. Die Folge: Von den Erwachsenen war nicht einmal ein Prozent kurzsichtig – ihre Kinder und Grosskinder aber zu fast 60 Prozent.
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Den nächsten Hinweis brachte eine Studie an israelischen Teenagern, die ausgiebig religiöse Texte studierten. Sie waren viel öfter kurzsichtig als solche, die nicht den ganzen Tag über Büchern sassen. Weitere Studien untersuchten darum Leseratten – doch Fehlanzeige: Kinder, die viele Bücher verschlingen oder ständig vor dem Computer sitzen, sind per se nicht öfter kurzsichtig als solche mit anderen Hobbies – vorausgesetzt, sie verbringen viel Zeit im Freien. Helles Licht setzt den Botenstoff Dopamin in der Augennetzhaut frei. Er bremst das Längenwachstum des Augapfels. «Drei Stunden täglich in mindestens 10’000 Lux hellem Licht», empfahl darum der australische Augenarzt Ian Morgan im Wissenschaftsblatt «Nature».
In Asien schickten einige Schulen die Kinder während der Pausen versuchsweise ins Freie oder eine Unterrichtsstunde wurde täglich ins Freie verlegt – mit Erfolg: Die Rate an kurzsichtigen Kindern fiel um rund neun Prozent. Andere Ideen sind, in gläsernen Schulzimmern zu unterrichten oder abends schwache Atropintropfen ins Auge zu geben, die das Längenwachstum des Augapfels hemmen können.