Haare sind heute primär Ausdruck der herrschenden Mode und der persönlichen Einstellung. Doch geben Sie auch Hinweise auf unsere Gesundheit. Haarexperte Thomas Kündig im Gespräch.
Warum haben Menschen Haare?
Thomas Kündig: Haare in den Ohren und der Nase sind ein Schutz gegen äussere Einwirkungen wie etwa Insekten. Kopfhaare schützen je nach Breitengrad gegen Sonne oder Kälte. Auch optisch haben Haare, Fell oder Federn eine Funktion: Im Tierreich und auch beim Menschen spielt das Aussehen eine wichtige soziale Rolle: Eindrückliches Beispiel ist die Imponiergeste des Pfaus mit seinem Rad.
Haben Körper- und Kopfhaare heute überhaupt noch eine medizinische Bedeutung?
Die medizinische Bedeutung der Körperbehaarung ist gering, doch die Kopfbehaarung ist nach wie vor wichtig. Wenn Männer eine Glatze bekommen, steigt das Risiko massiv an, dort an Hautkrebs zu erkranken.
Was verrät das Haar über unsere Gesundheit?
Haare und auch Nägel gehören zu den Organen, die ständig nachwachsen. Daran sind zahlreiche Zellen beteiligt, deshalb reagieren diese Organe empfindlich auf Einflüsse. Gewisse Krankheiten zeigen sich an den Haaren: Schütteres Haar kann auf Schilddrüsenprobleme hinweisen oder bei jüngeren Frauen auf Eisenmangel. In solchen Fällen sollte man auf jeden Fall den Dermatologen aufsuchen.
Dann stimmt der Mythos, dass Menschen mit vollem Haar gesund sind?
Nein, dieser Umkehrschluss ist falsch. Auch Menschen mit vollem Haar können krank sein.
Warum leiden gewisse Menschen unter Haarausfall?
Haarausfall ist bei Frauen und Männern genetisch bedingt. Bei eineiigen Zwillingen haben entweder beide eine Glatze oder keiner. Rund 50% der Männer sind von einer Glatze betroffen. Auch bei den Frauen beträgt der Anteil 50% - allerdings leiden Frauen selten unter einer Vollglatze, sondern vielmehr unter schütterem Haar. (Lesen Sie unten weiter...)
Führen bei Frauen die gleichen Ursachen zu Haarausfall wie bei Männern?
Die Wissenschaft hat bislang noch keine Antwort auf diese Frage geliefert. Klar ist einzig: Für Frauen ist «die Glatze» ein schwerwiegenderes Problem als für Männer. 80% der Menschen, die sich in die Haarsprechstunde des Unispitals Zürich begeben, sind Frauen, 20% Männer.
Was kann man gegen Haarausfall tun?
Minoxidil ist ein Wirkstoff, der Erfolg verspricht. Die Wirkung ist wissenschaftlich belegt. Allerdings weiss niemand genau, wie das Mittel wirkt. Ursprünglich wurde es als Blutdrucksenker eingesetzt. Als Nebenwirkung führte es zu starkem Haarwuchs am ganzen Körper.
Wie steht es mit den Nebenwirkungen von Medikamenten gegen Haarausfall?
Finasteride ist eine Tablette, welche bei Männern eingesetzt werden kann, und ebenfalls eine gut belegte Wirkung hat. Dieses Mittel greift allerdings in den Hormonhaushalt ein und 4% der Behandelten erfahren Nebenwirkungen im sexuellen Bereich – etwa Impotenz – während der Behandlung. Diskutiert wird aktuell die Frage, ob die Nebenwirkungen auch anhalten können, nachdem der Wirkstoff abgesetzt worden ist.
Warum werden Haare grau?
Werden die Haare grau, hören die Zellen auf, Pigmente zu produzieren. Offen ist, warum das so ist. Sicher ist: Es hat nichts dem Hormonhaushalt zu tun. (Lesen Sie unten weiter...)
Ist die Haarentfernung am Körper nach wie vor im Trend oder zeichnet sich ein «Retour zur Behaarung» ab?
Enthaarung ist die Folge einer gesellschaftlichen Entwicklung: Peergruppen wie Models haben haarfreie, schöne Beine und vermitteln die optische Botschaft: Ohne Körperhaare sind wir schöner. Statistiken belegen, dass sich vor allem Jüngere die Körperhaare entfernen. Praktisch alle jungen Frauen rasieren sich auch im Intimbereich. Der Trend ist ungebrochen.
Gilt er auch für Männer?
Auch viele Männer möchten keine Körperbehaarung. Es gibt unterdessen eine breite Kollektion an Rasierapparaten, um sie zu entfernen. Der Haarlos-Trend ist auf die Männer übergeschwappt. Es gibt aber nicht nur optische Gründe dafür: Gewisse Sportler wie Velofahrer oder Schwimmer rasieren die Körperhaare ab, um weniger Widerstand zu erzeugen.
Warum haben Frauen und Männer unterschiedliche Körperbehaarung?
Die Körperbehaarung ist abhängig von Hormonen, das bekannteste ist Testosteron. Frauen haben in der Regel weniger davon als Männer. Deshalb haben sie weniger Körperbehaarung.
Haare werden gezupft, rasiert, gewachst, gelasert, bestrahlt, mit Stromschlägen bekämpft, hormonell und genetisch behandelt. Worauf sollte man bei der Wahl der Methode achten?
Die Methoden haben sich über Jahre verändert – dabei geht es auch um ein Milliardengeschäft. Alle Methoden haben Vor- und Nachteile. Epilationscreme stinkt jämmerlich. Rasieren geht schnell, doch wachsen auch die Haare auch schnell nach. Dauerhafte Haarentfernung mit der Blitzlampe ist effektiv, aber ein Luxus. Nach rund sechs Behandlungen sind Haare dauerhaft weg.
Zum Abschluss noch der Mythencheck: Die Haarentfernung führt zu einem insgesamt stärkeren Wachstum der Haare.
Es ist schwierig, eine wissenschaftlich abgestützte Antwort zu geben. Deshalb muss ich so antworten: Es gibt mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen stärkeren Haarwuchs.
Enthaarte Körperstellen sind hygienischer als behaarte.
Hautbakterien tummeln sich unabhängig von der Behaarung auf der Haut. Auf die Hygiene hat die Körperbehaarung deshalb keinen Einfluss.
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