Das Affenpocken-Virus hat sich im letzten Monat auch in Europa ausgebreitet. Panik ist deswegen nicht angebracht – Vorsicht jedoch schon.
Kaum ist die Corona-Pandemie abgeklungen, taucht schon wieder ein unbekanntes Virus auf: Auch in der Schweiz wurden in den letzten zweieinhalb Wochen die ersten Fälle von Affenpocken registriert. Zwar handelt es sich erst um vereinzelte Infektionen. Auffällig ist jedoch die rasante Ausbreitung innerhalb kürzester Zeit. Erst am 7. Mai hatte Grossbritannien den ersten bekannten Fall in Europa gemeldet. Betroffen war ein aus Nigeria zugereister Mann. In weniger als einem Monat hat das Virus in vielen anderen Ländern insgesamt mehrere hundert Menschen angesteckt. Eine erneute Epidemie sei dennoch nicht zu befürchten, sagen Fachleute.
Wie das Coronavirus ist der Erreger der Affenpocken sehr wahrscheinlich aus dem Tierreich auf den Menschen übergesprungen – man spricht von einer Zoonose. Jedoch nicht wie es der Name vermuten lässt von einer Affenart, sondern von Nagetieren.
Erkrankte Personen zeigen zuerst einmal grippeähnliche Beschwerden: Fieber, Schüttelfrost, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, Erschöpfung und geschwollene Lymphknoten. Meistens entwickelt sich nach wenigen Tagen ein Ausschlag mit Bläschen und Pusteln, die aufplatzen und verkrusten. Typischerweise ist zuerst das Gesicht betroffen, danach weitere Körperteile. Die Krankheitszeichen treten nach aktuellem Wissensstand 5 bis 21 Tage nach der Infektion auf.
Bläschen treten unter anderem auch bei Windpocken auf – eine meist harmlose Erkrankung, welche die meisten Kinder in den ersten Lebensjahren durchlaufen („wilde Blattern“). Bei Windpocken sind die juckenden Bläschen gleichzeitig in unterschiedlichen Stadien anzutreffen. Dagegen zeigen sie sich bei Affenpocken allesamt im gleichen Reifestadium. Auch Gürtelrose (Herpes Zoster) und viele weitere Erkrankungen verursachen ähnliche Hautausschläge. Für eine exakte Diagnose muss eine ärztliche Fachperson konsultiert werden.
Das Virus wird in erster Linie bei engem Hautkontakt mit einer erkrankten Person übertragen oder über die Schleimhäute (Mund, Nase, Augen, Geschlechtsorgane). Weiter kann man sich über den Kontakt mit infiziertem Wundsekret, Blut oder grösseren Atemwegströpfchen anstecken, zum Beispiel auch über gebrauchte Bettwäsche, wahrscheinlich jedoch nicht über Aerosole, die in schlecht gelüfteten Räumen schweben. Weniger heimtückisch als Covid sind Affenpocken auch, weil sie wahrscheinlich nur von Menschen übertragen werden, die bereits Symptome haben.
Prinzipiell sind alle Menschen gefährdet, die engeren Kontakt mit Erkrankten hatten, insbesondere sexueller Art. Die meisten bestätigten Fälle betrafen bis jetzt Männer, die Sex mit anderen Männern haben. Ein höheres Risiko für einen schwereren Verlauf scheinen auch immungeschwächte Personen sowie Säuglinge, Kinder, schwangere Frauen und ältere Menschen zu haben.
Es gibt zwei Formen von Affenpocken: Die westafrikanische und die zentralafrikanische. Letztere nimmt einen deutlich schwereren Verlauf. Glücklicherweise hat sich jedoch in Europa bisher nur die westafrikanische Variante verbreitet. Diese verläuft in der Regel mild und Betroffene erholen sich innerhalb weniger Wochen. Eine ursächliche Behandlung gibt es nicht. Je nach Symptomen stehen jedoch verschiedene lindernde Mittel zur Verfügung.
Affenpocken existieren schon länger in West- und Zentralafrika. In der Demokratischen Republik Kongo zum Beispiel sind dieses Jahr bereits 1200 Fälle mit 57 Toten aufgetreten. Erstmals nachgewiesen wurde die Krankheit im Jahr 1970. Der Grund für die aktuelle Häufung ausserhalb Afrikas ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Eine Rolle spielen könnten einerseits die vermehrte Reisetätigkeit nach der Pandemie und andrerseits, dass seit 1980 keine Pocken-Impfungen mehr durchgeführt werden, weil diese viel schlimmere Krankheitsform ausgerottet werden konnte. Die Impfung schützt anscheinend auch gegen Affenpocken.
Ausser dem Einhalten der üblichen Hygieneempfehlungen wie regelmässiges Händewaschen gibt es kaum Möglichkeiten, sich vor Infektionen zu bewahren. Gemäss aktuellen Kenntnissen schützen Kondome nicht vollständig vor Affenpocken, weil die Übertragung über Hautläsionen erfolgt. Personen über 50, die noch gegen Pocken geimpft wurden, dürfen jedoch auf einen guten Schutz vertrauen. In der Schweiz wurde die Impfung 1972 eingestellt und ist seither nicht mehr verfügbar.
In der Verantwortung stehen vor allem Personen mit einem Verdacht auf Affenpocken. Sie sollten sich von anderen fernhalten und sich möglichst schnell ärztlich abklären lassen. Bei einem positiven Test ordnen Kantonsärztinnen oder -ärzte eine Isolation an. Zudem sollten sämtliche Personen informiert werden, die engeren Kontakt mit der erkrankten Person hatten.