Fabienne Humm ist Top-Stürmerin beim FCZ, Torschützenkönigin und Weltrekordhalterin. An der WM in Australien und Neuseeland 2023 will sie Werbung für den Frauenfussball machen.
Frauen-WM 2015: Die Schweizer Nationalspielerin Fabienne Humm schiesst in nur 5 Minuten drei Tore zur 5:0-Führung gegen Ecuador! #hummbelievable – so feiert die Sportwelt den schnellsten Hattrick in der Geschichte des Frauenfussballs. Humm, inzwischen 36 und immer noch Stürmerin beim FCZ, antwortet auf die Frage, warum sie dermassen gut trifft:
Treffen tut sie fast immer, allein für den FCZ hat sie in den letzten 14 Jahren in 367 Spielen 293 Tore erzielt, gewann Cups, Meisterschaften und wurde vier Mal Torschützenkönig: Humm ist auf dem Spielfeld eine Wucht. Abseits des Rasens ist sie die Bescheidenheit in Person. Die Anfrage für dieses Porträt beantwortet nicht etwa ein Manager, sondern Humm persönlich und umgehend. Die treffsichere Stürmerin liefert auch gerade die Termine für Interview und Fotoshooting. Das Gespräch findet während der Autofahrt von ihrem Arbeitsort in Gebenstorf AG ins Training nach Zürich Schwammendingen statt. Anruf 16 Uhr. Trainingsbeginn: 18.15 Uhr.
Was sie erreicht hat, ist in der Schweiz einmalig. Dafür trainiert sie vier Mal pro Woche mit der Mannschaft, an Tag fünf individuell. Auf dem Papier gilt als Profi, wer hierzulande als Frau mehr als 500 Franken pro Monat verdient. Das deckt nicht einmal die Spesen. Leben vom Fussball kann frau in der Schweiz definitiv nicht.
Das Geld verdient Humm heute mit einem 100-Prozent-Pensum – dort, wo sie bereits ihre KV-Lehre absolviert hat. Dieses Jahr feiert sie ihr 20-jähriges Jubiläum beim Händler von LCD-Flüssigkristallanzeigen. Seit ihrem Berufseinstieg erhielt sie vom Betrieb im aargauischen Gebenstorf Unterstützung und Freiheiten. Wobei sie mit Freiheiten unbezahlten Urlaub und Minusstunden meint. Letztere arbeitet sie jeweils wieder ab. Deshalb reist sie nach der WM in Australien und Neuseeland am anderen Ende der Welt nicht herum, sondern fliegt so schnell wie möglich wieder in die Schweiz zurück. Grund: Minusstundenabbau.
Hinter ihrem Erfolg stecken die Leidenschaft und die Freude am Fussball. Geweckt durch ihren vier Jahre älterer Bruder, der bei Windisch kickte. Sie begleitete ihn oft an seine Matches. Fussball spielen − das wollte sie auch. In der Wohnsiedlung in Birr AG war sie nicht die einzige mit diesem inneren Feuer fürs runde Leder. «Wir waren recht viele Jugendliche in ähnlichem Alter und jede freie Minute auf dem Fussballplatz». Schon damals stellte die aktuell amtierende Torschützenkönigin fest: «Ich schiesse gerne Goals!» Und tat es. Beim FC Windisch, ihrem ersten Club, startete sie indes mit rund 6 Jahren als einziges Mädchen im Team – als Goalie. Die Antwort auf Aussagen wie «Jö. Die haben ein Mädchen im Tor» quittierte Humm auf dem Platz. Denn meist verlor die gegnerische Mannschaft. Nach dem Spiel gabs dann keine Kommentare mehr. Wenig später zog es das Talent aufs Feld, da es ihr «im Tor zu langweilig» war. Eine Fügung des Schicksals. Sie wechselte in ein reines Frauenteam, obwohl sie sich stets gerne mit Jungs mass. Auch aufgrund der körperlichen Änderungen, die sie wie alle Teenagerinnen erlebte.
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Frauenfussball-WM 2023
Die 9. Fussball-Weltmeisterschaft der Frauen dauert vom 20. Juli bis 20. August 2023. Gespielt wird in Australien und Neuseeland. Die Schweiz in eines von 12 Teams aus Europa, die sich für die WM qualifiziert haben. Insgesamt nehmen 32 Nationen teil.
Was ist ein Hattrick?
Unter einem klassischen oder lupenreinen Hattrick versteht man drei in Folge erzielte Treffer der gleichen Spielerin in einer Halbzeit. Auch drei Tore einer Spielerin in einer Partie werden oft als Hattrick bezeichnet.
Viele ihrer Nati-Kolleginnen «tschutten» in ausländischen Ligen. Liefern sie dort attraktive Spiele, jubelt Humm via Social Media mit. Sie selber zog es nicht ins Ausland, obwohl sie nach ihrem WM-Auftritt von 2015 im kanadischen Vancouver zahlreiche Angebote erhalten hat. «Ich habe ein bisschen Heimweh, wenn ich nicht zuhause bin», sagt die Top-Stürmerin der FCZ-Frauen. «Es ist mir wichtig, meine Leute um mich zu haben». Freunde, Familie, das gewohnte Umfeld. Das war schon immer so. Bereits als Juniorin erhielt sie Anfragen, ob sie nicht in höheren Schweizer Ligen spielen wolle. Sie lehnte ab. Erst als sie mit zwei Kolleginnen nach Schlieren wechseln konnte, machte auch sie diesen Schritt. Vom Zürcher Vorort gelangte sie dann zum FCZ in die Nationalliga A, wo sie die meisten Spielerinnen aufgrund von Matches bereits kannte.
Ob die 36-Jährige Rekordhalterin «down under» auf dem Rasen stehen wird, steht noch nicht fest. Das wird die Trainerin Inka Grings vor Ort entscheiden. Dass sich die Frauen-Nati für die WM qualifiziert hat, ist für den Frauenfussball wichtig. Dank TV-Übertragungen und Medienberichten werden Zuschauerinnen und Zuschauer aufmerksam auf die Fussballfrauen. «Wenn wir Erfolg haben, ist das die beste Werbung für unseren Sport. Wir bleiben dran». Fest steht: Nach jedem Anlass interessieren sich viele Mädchen für Fussball. Dass die Frauen-EM 2025 in der Schweiz stattfinden wird, unterstützt diese Tendenz. Dass die beste Torschützin in der Schweizer Liga an der WM nicht aufs Feld laufen wird, ist schwer vorstellbar. Für Fabienne Humm ist klar: «Die Leistung wird entscheiden.» Ursprünglich war die EM 2022 ihr Abschied von der internationalen Fussball-Bühne. Die WM 2023 hat Humm noch angehängt. Den Vertrag beim FCZ hat sie auch bis dahin verlängert.