Ohne Schuhe über Stock und Stein wandern und Kneippen auf über 1800 Metern rund um den wunderbaren Härzlisee: In Engelberg kann man seine Füsse komplett gehen lassen.
Füsse können einem leidtun: Oft stecken sie tagsüber in Schuhen und können sich nicht frei bewegen. Umso besser, dass es auf zahlreichen Barfusswegen in der Schweiz «Schuhe ade» heisst. Das tut gut und ist auch gesund. Wer barfuss läuft, bringt die Durchblutung in Schwung und stärkt die Muskulatur der Füsse. Dazu kommen mannigfaltige neuartige Empfindungen, wenn man auf leisen Sohlen durch die Natur streicht. Ein Selbstversuch in Engelberg, dessen Highlight auf Video festgehalten ist.
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Der geschäftliche Termin ist vorbei, es bleibt ein Nachmittag in Engelberg. Was tun in drei Stunden? Härzlisee hallt es irgendwo in meiner Erinnerung. Dort soll sich eine 220 Meter lange Kneippstrecke rund um einen kleinen Bergsee befinden. Geeignet für Jung und Alt.
Der Weg vom Engelberger Bahnhof zur Brunni-Bahn, welche die Gäste hinauf zum Ristis und von da zum Härzlisee bringt, nimmt 15 Minuten in Anspruch. Zuerst gehts Richtung Kloster. Dass es berühmt ist, beweist nicht zuletzt der riesige Carparkplatz. In einem der Cars scheint sich eine ältere Dame dem klösterlichen Leben anzunähern, indem sie in Stille auf dem Polster sitzt. Eine Meditation? Das leise Schnarchen lässt eher auf Reiseerschöpfung oder Siesta schliessen. Ich lasse das Schnarchen hinter mir und mache mich auf zur akustischen Steigerungsform in der Brunni-Gondel.
«So scheen chaschs nur im Brunni ha, ich bleybä ewig trey», jodelt es aus dem Lautsprecher während der Fahrt nach Ristis. Leicht irritiert blicken sich die Touristen an, bis sie merken, dass sie musikalisch auf den Ausflug eingestimmt werden. Das «Brunni-Liäd» stammt aus der Kehle und Feder von Lokalmatador Franz Arnold aus Wolfenschiessen, der durch eine Coverversion von «Ewigi Liäbi» aus dem gleichnamigen Schweizer Musical weitherum bekannt wurde. In Ristis laden Gasthaus und Kinderspielplatz Familien zu einem ersten Stopp ein. Von hier bringt eine Sesselbahn Ausflügler zur Brunnihütte und zum Härzlisee.
Ich entscheide mich für den Barfussweg, der von der Hütismatt, einer Alp nahe der Talstation des Sessellifts zur Brunnihütte, in 30 bis 45 Gehminuten zum Härzlisee führt. Es handelt sich um den herkömmlichen Wanderweg, angereichert mit Extraposten für Barfussgeher. Der Weg wurde vor einem Jahr im August 2016 eröffnet, um das 15-jährige Jubiläum des Barfussparadieses Härzlisee zu würdigen.
Ich ziehe die weissen Stadt-Turnschuhe aus und kralle die Zehen in die Kuhweide, um die Füsse auf die nächsten 30 Minuten vorzubereiten. Die ersten vereinzelt trockenen Gräser in der Weide stechen leicht und animierend in die Sohle, begleitet vom stoischen Gebimmel der Kuhglocken. Angenehm, denke ich und halte nach dem ersten Posten Ausschau. Den frischen Kuhfladen, der sich meinem Fuss in erschreckend schnellem Tempo nähert, sehe ich erst in letzter Sekunde – ein Ausfallschritt, kurz die Balance halten, den hinteren Fuss neben den vorderen stellen. Uff! Das ging noch mal gut. Ich habe meine Lektion «Yoga am Berg» für heute erledigt. Ich hoffe für die Kühe, dass kein Touristiker Zeuge dieser Szene geworden ist. Ich weiss nicht, ob die Wiederkäuer auf der Weide nebst den unsicher tappenden Barfusswanderern noch Yogapraktizierende in der Kriegerpose ertragen könnten.
Mit Titeln wie «Zapfenstreich», «Steinreich» oder «Auf dem Holzweg» werden die einzelnen Posten angekündigt. Der erste heisst «Barfüsserbrücke»: Dabei gilt es Treppenstufen aus runden Holzrollen zu erklimmen. Schwieriger als gedacht, denn ruht das gesamte Körpergewicht auf der Fläche des Fusses, der die Rundung des Holzes nachvollzieht, erinnert das Erlebnis eher an das Bearbeiten von Triggerpoints als an eine lockernde Wellnessmassage. Ich rolle auf der Fusssohle hin und her, das entlastet. Langsam steigt wohltuend prickelnde Wärme von den Sohlen zu den Waden hinauf.
Meine Füsse erreichen nach mehreren Stationen einen Weg, der mit Tannzapfen belegt ist. Die kleinen, weichen Rundungen unter den Füssen fühlen sich wohltuend und belebend an. Die Füsse treten immer mehr in den Fokus meiner Wahrnehmung, ich werde quasi ganz Fuss. 10 Fühlerlebnisse gibts auf dem Barfussweg, vom Watscheln im rinnenden Bächlein bis hin zum leicht schmerzhaften Gang über baumnussgrosse Steine. Auf dem mit Holzhäckseln belegten Weg bewegen sich die Füsse beschwingt über das warme Holz. Einzig die Wespe, die sich ebenfalls hier niedergelassen hat, gilt es zu umgehen.
Die grosse Herausforderung des Barfusswanderwegs ist der normale Wanderweg mit Steinen, Felsen, trockenem Grasboden und Kuhfladen. Wobei der Posten «Nennen wir es Wellness» ebenfalls in diese Kategorie fällt. Die Lehmstrecke, in die beide Füsse knöcheltief versinken, erinnert optisch an etwas anderes, das mit Kühen und Rindern zu tun hat. Letztere scheinen sich ohnehin ihren Spass aus den Touristen zu machen. Zuverlässig dort, wo spitze Steine den Weg ausmachen, galoppieren sie vereinzelt mit Bocksprüngen heran. Die Füsse reagieren prompt. Sie beweisen, dass sie trotz Ecken und Kanten auf dem Boden flink vorankommen … (Lesen Sie unten weiter...)
Anreise: Mit Zug (via Luzern) oder Auto nach Engelberg. Von dort zu Fuss oder per Auto zur Talstation der Brunni-Bahn. Mit der Gondel bis Ristis, umsteigen auf die Sesselbahn zur Brunnihütte, wo sich der Härzlisee befindet.
Barfussweg: Ab Ristis via Alp Hütismatt zur Brunnihütte. Dauer zwischen 30 und 45 Minuten. www.barfusswanderweg.ch
Härzliweg: Geeignet für Kinder und Familien. Für eine Runde müssen rund 20 Minuten eingerechnet werden. Er befindet sich in unmittelbarer Nähe der Brunnihütte.
Verpflegung: Restaurant Berglodge bei Ristis und Brunnihütte beim Härzlisee. Am Härzlisee gibt es zusätzlich einen Kiosk.
Infos zum Härzlisee:
www.brunni.ch/haerzlisee-mit-kitzelpfad
Der Star des Tages ist der Härzlisee mit Aussicht auf den auffälligen Berg Hahn (niemand kennt ihn, doch allen fällt er auf) und den bekannten Gletscherberg Titlis. Es herrscht Ferienstimmung. Liegestühle und Decken, Picknicktüten und Kioskhäuschen und natürlich der Kneippweg rund um den See sorgen für entspannte Stimmung. Der «Kitzelweg», wie er offiziell benannt wird, besteht aus Kieselsteinpassagen, Tannzapfen- und Rindenstrecken und Abschnitten mit Steinen verschiedener Grösse. Dazwischen kühlen sich die Füsse im See im knöcheltiefen Wasser ab. Wunderbar. Kneippen, wie man es sich vorstellt.
Auch optisch bietet sich einiges. Im Storchenschritt (Bein nach oben ziehen, ausstrecken und danach ins Wasser senken) schreiten die Kneipper durchs Wasser, genauso wie es auf den Infotafeln empfohlen wird. Fans der englischen «Monty Pythons» denken da sofort an den Sketch «Ministry of silly walks». Der Sprudelweg im Wasser mit Massagedüsen von unten und ein Holzzuber, in dem die Füsse umsprudelt werden, gehören zu den Höhepunkten. Und dann gibt es noch die Schlammgrube … meinen Favoriten. Mehr dazu erfahren Sie im Video, mit dem ich diese spezielle Erfahrung vor Ort festgehalten habe.
Runter geht es dann mit der Sesselbahn nach Ristis und der Gondel nach Engelberg. Zurück am Bahnhof Engelberg stelle ich überrascht fest, dass der ganze Ausflug 10 000 Schritte eingebracht hat – die Distanz, die als Tagespensum für gesunde Bewegung empfohlen wird. Passt doch alles.