Früher verdiente sie sich das Geld für ihre Himalaya-Expeditionen in der Täschhütte im Wallis. Inzwischen hat Renata Schmid Pickel und Seil gegen Röstipfanne und Handy ausgetauscht – als Hüttenwartin auf 2700 Metern.
Nach 4½ Stunden schweisstreibendem Aufstieg vom Tal zur Täschhütte heisst es: Luft holen und Ausblick geniessen! Sieben 4000er sind zu sehen, darunter das Weisshorn, die Dufourspitze sowie die Hausberge Alphubel und Rimpfischhorn. Rund um die Hütte spriessen zahlreiche Edelweisse.
Auch Corona ist auf 2701 m allgegenwärtig. Beim Eingang steht Desinfektionsmittel, ein Plakat ruft die Abstandregeln in Erinnerung. Die Rezeption, Dreh- und Angelpunkt der Hütte, ist durch ein Plexiglas geschützt. «Normalerweise haben 78 Gäste Platz, mit Abstand sind es 50 bis 55», sagt Hüttenwartin Renata Schmid.
Die 58-jährige Walliserin ist am späteren Nachmittag gerade damit beschäftigt, das Bœuf Stroganoff mit Reis zuzubereiten, das sie später zum «Znacht» serviert. Als Vorspeise gibts hausgemachte Minestrone, zum Dessert darf die berühmte Schokoladencrème nicht fehlen. «En Güete». (Lesen Sie unten weiter...)
Nach dem Abendessen hat Renata – man duzt sich in den Bergen – erstmals Zeit, sich eine Pause zu gönnen. Sie setzt sich zum Plaudern an den Tisch einer Trekkinggruppe, die mit Lamas unterwegs ist. Thema ist auch Corona, das die bisherige Saison schwierig gestaltet hat. Langsam bricht der Abend herein, um 22 Uhr gilt auch für die Wanderer Bettruhe. Die Kletterer schlafen um diese Zeit bereits. Sie brechen um 3 Uhr in der Nacht zu ihrer Eintagestour auf die nahen 4000er auf.
Für Renata heisst das: um 2.30 Uhr aufstehen, um Kaffee, Brot, Butter und Konfi bereitzustellen. Danach legt sie sich nochmals für kurze Zeit hin. Die Wanderer frühstücken erst um 7 Uhr. «Ich kann sechs Stunden pro Tag schlafen, aber nie an einem Stück», sagt die Hüttenwartin schulterzuckend. Das gilt auch für ihr fünfköpfiges Team, darunter ein Nepalese, der wegen Corona nicht nach Hause reisen kann.
Start: Bahnhof Täsch im Tal (1449 m)
Route: Durch einen lichten Lärchen-, Tannen und Föhrenwald auf den Europaweg und bis zur Täschalp. Von da über den Fahrweg oder den kürzeren Bergpfad zur Täschhütte (2701 m).
Dauer: 4 bis 4½ Std.
Höhenunterschied: 1252 m
Besonderes: Plötzlich taucht während des Aufstiegs durch den Lärchenwald das Matterhorn von seiner schönsten Seite auf. Die Täschhütte ist ein beliebtes Nachtlager auf der zweitägigen Wanderung von Grächen nach Zermatt.
Die Täschhütte (1945), vor 13 Jahren mit einem Holzanbau ergänzt, ist beliebt bei Kletterern und Wanderern. Die 78 Betten in den modernen Zimmern sind mit Duvet und Kissen ausgestattet. Das WC ist modern.
Ein bisschen Wehmut schwingt jeweils mit, wenn die Bergsteiger losziehen und sie zurückbleiben muss. Die Extrem-Alpinistin hat nicht nur fast alle 4000er in der Schweiz bestiegen, sondern auch an sieben Expeditionen auf 8000er im Himalaya teilgenommen, darunter auf den Mount Everest (8848 m) und den Dhaulagiri (8167 m), auf dem sie das Gipfelglück erlebte. Geklettert ist sie mit Ueli Steck, Eberhart Loretan und anderen Kletter-Grössen. Im Alter von 30 bis 40 war sie permanent im Himalaya unterwegs und unternahm Expeditionen in Nord- und Südamerika. Das Geld für ihre Expeditionen verdiente sie damals auch als Hüttengehilfin in der Täsch- und Hörnlihütte. Vor drei Jahren hat sich der Kreis für die Walliserin geschlossen: Sie bewarb sich beim SAC für die Täschhütte und konnte sie pachten.
Nachdem die letzten Gäste am Morgen die Hütte verlassen haben, beantwortet Renata Mails und Telefonate, erledigt administrative Arbeiten und bestellt Esswaren, die meist mit dem Helikopter zur Hütte geflogen werden. Rund 650 Kilogramm pro Flug transportiert die Air Zermatt in die Höhe. Danach steht Renata in der Küche, kocht Kräutertee und bereitet aus frischen Zutaten die Mahlzeiten vor. Für die Gäste ist sie Wetterfee, Fundbüro, Lexikon und Ratgeberin für Touren. «Manchmal habe ich die Röstipfanne in der Hand, das Handy zwischen Schulter und Hals eingeklemmt und beantworte Fragen der Gäste aus dem Raum», sagt sie lachend. (Fortsetzung weiter unten...)
Über finanzielle Einbussen aufgrund von Corona mag die Walliserin nicht diskutieren. Einzig über Meldungen in der Presse, wonach die Hütten ausgebucht seien, ist sie nicht erfreut. «Wir sind weder an Wochenenden noch unter der Woche ausgebucht», sagt sie.
Es ist späterer Morgen, die Lamas sind bereits über den Europaweg weiter nach Zermatt gezogen. Bis die ersten Bergsteiger um 11 Uhr zurückkehren, herrscht Ruhe in der Täschhütte. Zeit für Renata, ihren Blick über die sieben 4000er schweifen zu lassen.