Von manchen Orten geht eine besondere Ausstrahlungskraft aus. Was hat es mit den sogenannten Kraftorten auf sich?
Auf dem Kronberg im Appenzellerland gibt es einen Rundweg, an dem sich sehr gut am eigenen Leib erfahren lässt, was unter einem Kraftort zu verstehen ist. Der Weg führt zuerst durch ein Dickicht, in das nur wenig Licht fällt.
An diesem Ort macht sich kein wohliges Gefühl breit. Ganz anders auf dem zweiten Abschnitt, wo der Weg an einer Kapelle vorbeiführt, sich der Blick in die Weite öffnet und rechterhand die Alpsteinkette mit dem Säntis thront.
Laut Andrea Fischbacher, Religionswissenschaftlerin und Leiterin der Forschungsstelle Kraft- und Kulturorte Schweiz, lassen sich Kraftorte überall finden, Berggebiete würden aber tendenziell eine höhere Dichte aufweisen als das Flachland. Typische solche Orte seien bei Wasserfällen, Felswänden, grossen Bäumen, Quellen, alten Kapellen und Bildstöcken, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Es ist natürlich kein Zufall, dass sich viele Kraftorte in wunderschönen Naturlandschaften befinden. Auch ohne Wissen um Boviseinheiten laden solche Schauplätze zum Verweilen ein – sei es wegen der Stille, wegen eines atemberaubenden Landschaftsbildes oder wegen der Naturgeräusche.
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In der Taminaschlucht befindet sich die Quelle des bekannten Bad Ragazer Thermalwassers. Die Badkapelle soll im 13. Jahrhundert entdeckt worden sein und wurde bald zur gefragten internationalen Kurstätte. Alleine die wildromantische Lage der Taminaschlucht ist einen Besuch wert – die 750 Meter lange und 70 Meter tiefe Felsspalte lässt einen die enorme Kraft des Wasser spüren.
Bei den Wildkirchlihöhlen auf 1500 m ü.M sollen sich gleich mehrere Kraftorte befinden – unvergleichlich ist die mystische und geheimnisvolle Atmosphäre in den Höhlen, die sich besonders bei Regenwetter entfalten soll. Lohnenswert ist auf jeden Fall ein Abstecher zum Berggasthaus Äscher. Eine Hauswand besteht aus dem Fels, an den das Haus mit nur drei Wänden angebaut ist.
An der Grenze zwischen den Kantonen Waadt und Neuenburg beeindruckt die rund 160 Meter steil abfallende Felsformation Creux du Van. Wer Glück hat, kann bei einer Wanderung durch diesen kraftvollen Ort Gämse, Steinböcke und Murmeltiere erblicken. Mitten im Talkessel entspringt die Quelle «Fontaine Froide», deren Wasser das ganze Jahr vier Grad Celsius kalt ist.
Heiligkreuz ist ein beliebter Wallfahrtsort im Entlebuch und auch als Kraftort bekannt. Besucherinnen und Besucher können sich zum Beispiel auf den Seelensteg begeben – eine Rundwanderung durch einen märchenhaften Farn- und Heidelbeerwald, der die Hektik des Alltags vergessen macht.
Kraftorte in der Schweiz finden sich unter www.kraftorte.ch.
Kraftorte haben aber nicht alleine mit Religion oder mit Glauben zu tun. Wie es der Name schon sagt, können dies Orte sein, an denen man Energie auftanken kann, die zur Entschleunigung einladen oder die inspirieren.
Kraftorte sind darum immer auch eine individuelle Angelegenheit. Andrea Fischbacher zum Beispiel wird von einem Kribbeln erfasst, wenn sie sich im Chor des Zürcher Grossmünsters aufhält, das ebenfalls als Kraftort bekannt ist. Andere lassen sich von einer Aussicht verzaubern.