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Malbücher für Erwachsene – ist jetzt alles vorbei?

Unser Kolumnist Lukas Hadorn verliert sich im hypnotischen, regenbogenfarbenen Blick einer Eule.

Ausmalen, das hat eine repräsentative Umfrage in meiner Familie ergeben, liegt derzeit schwer im Trend. Während unser Sohn vorzugsweise kampfsporttreibende Legofiguren koloriert, widmet sich die Tochter lieber den Disney-Prinzessinnen. Er blau, sie pink. Auch wir Erwachsenen machen mit. Und nein, wir malen nicht etwa das Schreckgespenst zementierter Geschlechterrollen in schwerem Grau an die Wand, sondern bearbeiten mit verkrampften Fingern kleinräumige Mandalas und kunstvoll arrangierte Eulen- und Elefantenköpfe, die mich stets ein bisschen an die kriegsbemalten Ureinwohner Neuseelands erinnern.

Der hypnotische Blick der Eule

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Und während ich dasitze und darauf warte, dass die Eule plötzlich ihre Augen aufreisst, die Zunge rausstreckt und – waewae takahia kia kino! – so fest mit den Füssen stampft, wie sie kann, entfaltet die Entspannungsübung, in der ich mich gerade befinde, ihre volle Wirkung: Meine Gedanken schweifen ab, von den Maori zu den nebelverhangenen Urwäldern vergessener Kontinente. Ich stelle mir träge Affen vor, die kauend in Baumwipfeln hocken, gigantische Farne und moosbedecktes Holz. Der Stress des Alltags ist weit weg, er verschwindet im hypnotischen, regenbogenfarbenen Blick der Eule.

Absurdester Trend der Literatur?

Bewertung

Entspannungsfaktor: 3
Aufwand-/Ertrag: 5
Suchtpotenzial: 2

Skala von 1 bis 5

Spätestens seit die deutsche Frauenzeitschrift Brigitte 2015 ein Sonderheft namens Malen & Entspannen herausbrachte, ist das konzentrierte Ausmalen zwecks Regeneration kreativer Kräfte auf dem bunten Markt der Entspannungstechniken angekommen. Malbücher verkauften sich plötzlich so gut, dass sie auf Bestsellerlisten ganz vorne auftauchten, was die «Welt» dazu veranlasste, vom «absurdesten Trend der Literatur» zu sprechen und kulturpessimistisch zu unken: «Malbücher für Erwachsene? Ist jetzt alles vorbei?» Mein Urteil fällt weniger harsch aus. An einem trüben Samstagmorgen ist es tatsächlich entspannender, sich mit einem Eulenkopf zu den Kindern zu setzen, anstatt auf dem Sofa das Smartphone zu streicheln. Ausmalen funktioniert wie meditieren: Man konzentriert sich auf eine banale Sache und vergisst dabei den Rest der Welt. Jedenfalls so lange, bis die Tochter findet, sie wolle jetzt lieber nach draussen. Fussball spielen.

von Lukas Hadorn,

veröffentlicht am 17.02.2017, angepasst am 16.02.2024


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