Licht ist eine tolle Erfindung, doch zu viel davon bringt Menschen, Tiere und Pflanzen durcheinander. Stromsparmassnahmen sind daher ein Lichtblick.
Besonders der blaue Anteil im Licht (LED-Beleuchtung, Bildschirme) hindert den Menschen am Schlaf. Die Folgen: Wir gehen später ins Bett, schlafen weniger tief und lang, das führt zu Depressionen und gestörten Stoffwechselprozessen. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass Schlafmangel zu Übergewicht führt. Und: Bekommt der Körper zu viel Licht, schüttet er weniger Melatonin aus. Dieses Hormon spielt nicht nur eine entscheidende Rolle für den Schlaf, es unterstützt auch die körpereigene Abwehr von Krebszellen.
Das menschliche Auge ist eigentlich dafür geschaffen, nachts ein wenig zu sehen. Dafür braucht es aber mindestens eine halbe Stunde Dunkelheit, um die nötigen Pigmente aufzubauen. Diese Fähigkeit ist dann im wahrsten Wortsinn augenblicklich wieder dahin beim Blinken eines Handys, dem Blick in eine Strassenlampe oder in den vorbeigleitenden Lichtkegel eines Autos.
Mit angepassten Augen könnten wir auf nächtlicher Pirsch den selbstleuchtenden Pilz Hallimasch sowie die Blüten der Weissen Lichtnelke, der Ackerlichtnelke und der Nachtviole bewundern. Zahlreiche Tiere wie Igel, Dachs, Fledermaus oder gar Garten- schläfer könnte man ebenfalls wieder sehen, statt sie nur rascheln zu hören.
Ein Drittel aller Wirbeltiere und zwei Drittel aller Wirbellosen sind nachtaktiv. Sie brauchen den Schutz der Dunkelheit für Jagd, Paarung und Nahrungsbeschaffung. In diesen Tätigkeiten sind sie umso eingeschränkter, je weniger dunkle Stunden es gibt. Sterben nachtaktive Tierarten aus, leidet die Biodiversität.
Die meisten Nachtfalter werden von Strassenlaternen angezogen und kreisen ganze Nächte um Lampen und andere Lichtquellen. Oft sterben sie im Morgengrauen erschöpft, ohne dass sie Nahrung zu sich genommen, Pflanzen bestäubt oder sich fortgepflanzt hätten. Und die wenigen Überlebenden sind im Laternenschein für gewisse Fledermäuse leichte Beute.
Einige Fledermausarten gehören aber selbst zu den Opfern der Lichtverschmutzung, denn eigentlich hausen sie gern auf Dachböden von Kirchen – ausser diese werden nachts beleuchtet, wie das seit gut 30 Jahren vielerorts der Fall ist. Verschwinden die Fledermäuse, schadet das der Ernährung der Menschen indirekt: In den Südstaaten der USA vernichten Fledermäuse jede Nacht Heerscharen von Eulenfaltern, deren Larven die Mais- und Baumwollernte schmälern. So ersparen Fledermäuse den Landwirten jährlich umgerechnet drei Mil-liarden Euro, die sie sonst für Insektizide ausgeben müssten. In Thailand beseitigen Fledermäuse nachts Unmengen von Insekten wie Spitzkopfzikaden, die die Reisernte bedrohen. Ihre «Fressleistung» entspricht einer Milliarde Euro jährlich.
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Nachtfalter bestäuben etliche Gewächse. Fehlen sie, bleibt die Bestäubung aus. Selbst tagaktive Insekten werden beeinflusst, wenn Wiesen nachts von einer Strassenlampe beschienen werden: So bestäuben Wildbienen, Fliegen und Käfer Blüten von Baldrian, Kohl-distel und Einjährigem Berufkraut deutlich seltener, wenn sie künstlichem Licht ausgesetzt waren. Andere Gewächse profitieren aber: Die Wilde Möhre etwa wird nach nächt-licher Beleuchtung deutlich häufiger angeflogen, vor allem von Fliegen.
Ein Experiment mit Kratzdisteln, die am Fuss der Alpen wachsen, hat gezeigt, dass sie unter künstlichem Licht weniger Fruchtkörper bildeten. Es stellte sich heraus, dass Pflanzen nach nächtlicher Beleuchtung von 62 Prozent weniger Insekten besucht werden. Ein möglicher Grund ist laut einer Studie der Uni Zürich, dass Nachtbeleuchtung die Duftemissionen der Pflanzen verändert. Von den Duftspuren hängt aber ab, ob die Pflanze Schädlinge oder Bestäuber anlockt. Geraten die Besuchszeiten durcheinander, droht der Pflanze Unheil.
Eiche und Buche schlagen wegen nächtlichen Kunstlichts im Schnitt eine Woche früher aus. Läuft es schlecht, zerstört Frost in dieser Woche die Blüten. Ebereschen und Ahornbäume in der Nähe von Laternen werfen im Schnitt drei Wochen später Laub ab, was auch sie anfälliger für Frost- und andere Schäden macht.
Unzählige Sterne und die Milchstrasse erkennen wir nur noch an besonders lichtarmen Orten von blossem Auge. Das ist etwa im ersten Dark Sky Park der Schweiz möglich: im Sternenpark Gantrisch in Schwarzenburg BE. Das Programm «International Dark Sky Places» identifiziert das Observatorium Roque de los Muchachos auf der Kanareninsel La Palma als weltweit dunkelsten Ort.
Zu den hellsten Städten gehören Singapur und Hong-kong. Der Nachthimmel ist dort etwa 1200-mal so hell wie ohne Kunstlicht. In Europa ist Mailand weit vorn, der Skyglow ist bis ins Tessin zu sehen. Auch in der Schweiz wird es nachts immer heller. Die künstlichen Lichtemissionen haben sich in der Schweiz in den vergangenen 25 Jahren mehr als verdoppelt und wachsen jährlich um sechs Prozent. Am hellsten sind Zürich, Genf und Basel.
Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) bietet seit 2005 Empfehlungen zur Vermeidung von Lichtemissionen und seit Oktober 2021 eine aktualisierte Vollzugshilfe an. Neue Weiterbildungsprogramme in Beleuchtungsfragen richten sich an Vertreterinnen und Vertreter von Behörden. Bei Bahnhofsumbauten arbeiten die SBB mit dem Bafu zusammen und stellen auf warmweisses Licht um, das Insekten nicht so anzieht wie kaltweisses. Verstärkt wird Strassenbeleuchtung ein- gesetzt, die nur bei Bedarf einschaltet und nur so hell wie nötig leuchtet. Mehr und mehr Orte wie Luzern, Bern und Baden reduzieren die nächtliche Beleuchtung von Bauten und Quartieren. Was können Private tun? Tipps des Bafu gibts auf: www.migmag.ch/licht-bafu