Der körperliche Austausch gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Die im Rahmen der Corona-Pandemie ergriffenen Massnahmen haben Berührungen massiv eingeschränkt. Alleinstehende leiden besonders. Warum Berührung wichtig ist und was man tun kann, wenn sie fehlt.
Glücklich ist, wer mit seinem Partner oder seiner Partnerin zusammenlebt. Und vielleicht auch noch Kinder hat. Denn so kann man sich jederzeit eine Umarmung, ein Rückenkraulen oder sonst eine Zärtlichkeit abholen, wenn man es braucht.
Alle, die alleine leben, müssen auf diese Wohltat verzichten. Das ist schwer. «Ich werde immer wieder gefragt, ob man durch den aktuellen Berührungsmangel einen Schaden davonträgt», sagt Cornelia Caviglia. Sie ist Physiotherapeutin bei der Medbase Gruppe und setzt sich seit einigen Jahren neben ihrer Arbeit am Patienten mit den medizinischen, historischen und soziologischen Aspekten von Berührung auseinander.
Und? Ist das Fehlen von Berührung in der Corona-Zeit problematisch? «Bei Kindern entstehen durch Mangel an Zuwendung Schäden. Bei Erwachsenen ist das aber noch kaum untersucht», sagt Cornelia Caviglia. «Wie stark die Auswirkungen aufgrund des Social Distancing in Corona-Zeiten sind, wird sich zeigen. Meiner Meinung nach machen diese paar Wochen bis eventuell Monate keinen grossen Unterschied, verglichen mit dem, was für manche Menschen Alltag ist: jahrelang kaum Berührung zu erfahren.»
Gut findet die Expertin, dass Berührung durch die aktuelle Lage überhaupt wieder in den Fokus rückt. «Die Leute werden sich wieder bewusster, was ihnen das Händeschütteln, eine Umarmung oder auch ein Schulterklopfen wirklich bedeuten.»
Vermissen würden Menschen nicht nur die Berührung an sich, sondern auch das, was damit ausgedrückt werde, sagt die Expertin. «Berührung ist Kommunikation. Sie steigert das Zusammengehörigkeitsgefühl – sofern sie willkommen ist.»
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Unterschieden wird grundsätzlich zwischen zärtlicher, sinnlicher und erotischer Berührung. «Wobei zärtliche Berührung in der westlichen Kultur seit dem Mittelalter am meisten tabuisiert wird», so Caviglia. «Die Hand, in der Antike Symbol für den höchsten aller Sinne, den Tastsinn, wurde im Mittelalter in der Kunst zum Symbol für anrüchige Berührungen.»
Noch tabuisierter sei die Selbstberührung. «Dabei machen wir das unbewusst sehr oft. Je nervöser wir beispielsweise sind, desto öfter fassen wir uns ins Gesicht», erklärt Caviglia. Schon der Fötus würde sich regelmässig am Mund und auch am Rest des Körpers anfassen. «Durch diesen Tastinput erstellt er in seinem Gehirn eine Landkarte des Körpers.»
Berührung sei völlig zu Unrecht in Verruf geraten, betont Caviglia. Eigentlich müsste man sie vielmehr feiern: «Wir können zurecht kommen, wenn wir blind oder gehörlos sind oder nicht mehr riechen oder schmecken können. Doch ohne unseren Tastsinn können wir nicht überleben!»
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Man muss nicht unbedingt in einer Beziehung sein, um sich zu berühren. «Lebt man beispielsweise in einer Wohngemeinschaft, kann man den Mitbewohner oder die Mitbewohnerin fragen, ob sie für eine Umarmung, ein bisschen Sofa-Kuscheln oder für eine Massage zu haben ist.»
Wichtig ist dabei, dass man vorher klare Regeln definiert. Bei der Massage zum Beispiel: An welchem Ort wird massiert? Welche Körperteile werden berührt? Welche Kleidungsstücke behält man an? Zur Vereinbarung gehört auch, dass man sich meldet, wenn sich etwas nicht gut anfühlt. Werden die gesetzten Grenzen respektiert, wird die Berührungs-Begegnung zu einem wohltuenden Erlebnis für beide.
Eines sollte man allerdings beachten: «In Zeiten des Physical Distancing sollte man möglichst nicht mit mehr als zwei bis drei Personen Zärtlichkeiten austauschen und immer mit denselben.»
Wenn Partnerin, Partner oder Mitbewohner keine Lust haben oder man sonst kein Gegenüber hat, kann man sich selbst ein paar Streicheleinheiten geben. Cornelia Caviglia: «Setzen Sie sich bequem hin. Legen Sie Ihre rechte Hand auf die linke Schulter und fahren Sie dem Arm entlang bis zu den Fingerspitzen. Hören Sie in sich hinein: Wie fühlt sich das an? Was macht das mit Ihnen?»
Es empfiehlt sich zudem, den Reiz zu variieren: «Klopfen Sie auch Ihren Arm ab. Oder streichen Sie mit einer weichen Bürste darüber. Inwiefern fühlt sich das anders an als vorher?» Probieren Sie es mit der anderen Hand und auch mit anderen Körperteilen. Experimentieren Sie auch mit Kälte und Wärme.
Für die Selbstmassage, vor allem bei Verspannungen, benutzt man gemäss Cornelia Caviglia am besten die Hartgummibälle, mit denen Kinder gerne spielen. «Es gibt sie in verschiedenen Grössen. Die kleinen eignen sich hervorragend für Fussmassagen, die grösseren für den Rücken.»
Für die Fussmassage setzen Sie sich hin und rollen den Ball zuerst unter dem linken, dann unter dem rechten Fuss über die ganze Sohle. Für die Rückenmassage stellen Sie sich an eine Wand. Platzieren Sie den Ball zwischen sich und der Wand. Lassen Sie den Ball dort kreisen, wo Sie schmerzende Stellen haben. Massagegeräte können ebenfalls ein Hilfsmittel sein, wenn man alleine klarkommen muss.
Wer eine wohlig schöne Berührung herbeisehnt, kann sich ein warmes Bad einlassen. Zusätze mit ätherischen Ölen können das Geborgenheitsgefühl verstärken.