Die digitalen Sensoren am Handgelenk registrieren, wenn sich unser Verhalten ändert. Lassen sich so Grippewellen erkennen?
Immer ein paar Tage hintendrein sind Behörden, wenn sie den Verlauf einer Epidemie verfolgen wollen. Das ist bei der Grippe so und aktuell auch bei der Epidemie mit den neuen Coronaviren.
Denn meist gehen die erkrankten Personen – wenn überhaupt – erst nach einigen Tagen zum Arzt. Bis dann das Resultat des Labortests vorliegt, vergeht weitere Zeit.
Wie lässt sich der Verlauf einer Erkältungswelle in einer bestimmten Gegend unmittelbar erfassen?, überlegten Forscher in Kalifornien – und kamen auf Fitbits.
Diese kleinen Sensoren am Handgelenk zeichnen auf, wie viel sich ihr Träger bewegt, wie schnell sein Herz schlägt und wann er ruht. All das verändert sich bei einer Grippe oder einer anderen starken Erkältung.
Pro zusätzliches Grad Fieber zum Beispiel steigt bei jungen Männern der Puls durchschnittlich um rund neun Schläge pro Minute, bei Kindern sogar um bis zu 14. Kranke schlafen überdies meist mehr und bewegen sich weniger als sonst üblich.
Kennt ein Computerprogramm also dank dem Fitbit die üblichen Werte der Person, könnte es warnen, wenn sich diese plötzlich verändern. Denn manche leichten Veränderungen setzen möglicherweise schon ein, wenn ein Mensch infiziert ist, aber noch keine Symptome hat. Und würde dies bei vielen Personen gleichzeitig passieren, wäre das ein Hinweis, dass womöglich die Grippe oder ein anderer Erreger grassiert. (Lesen Sie unten weiter...)
So könnten viele Fitbits helfen, eine Epidemiewelle zu erkennen. In einem Experiment in sechs US-Regionen funktionierte das während der Grippesaison 2016/2017 und 2018/2019 tatsächlich nicht schlecht.
Die Fitbit-Daten der über 47'000 Versuchspersonen stimmten ziemlich gut mit den offiziellen Prognosen überein, die anhand von Arztbesuchen und Labortests erstellt wurden. Allerdings noch nicht perfekt.
Im Vergleich zur offiziellen Verlaufskurve kam die Warnung durch die Fitbits etwa eine Woche zu spät. Die Fitbits waren im Nachhinein treffsicherer als in der Vorhersage. Das könnte zum Beispiel daran liegen, dass sich der Herzschlag nach einer Grippe noch eine Weile nicht ganz normalisiert.
Die Forscher müssen also noch weiterarbeiten, bevor Fitbits vorhersage-tauglich sind. Knifflig sind auch Ferien, Feiertage, plötzliche Wetterumschwünge, Stress und anderes mehr, das den Herzschlag, das Bewegungsverhalten und den Schlaf beeinflussen kann – es muss also keine Grippe sein, wenn das Fitbit Veränderungen des gewohnten Verhaltens meldet.
In Kombination mit weiteren Elementen wie Hustenerkennung, Blutdruckmessung oder Messen des Sauerstoffgehalts im Blut liesse sich die Vorhersagekraft steigern. Am Ende, hoffen die Entwickler, lassen sich sich anbahnende Epidemien so rasch erkennen, dass noch rechtzeitig Gegenmassnahmen ergriffen werden könnten.
Quelle: «The Lancet Digital Health»