Das Immunsystem braucht etwas Zeit, um genügend Abwehrkräfte gegen eine Grippe zu entwickeln. Wer sich impfen lassen will, sollte dies deshalb im Oktober oder November tun. Doch wann und wie entsteht eine saisonale Grippeimpfung? Die Entwicklung in Schritten.
Die jährliche Grippewelle ist noch voll im Gang, wenn Experten der Weltgesundheitsorganisation schon die Vorhersage für den nächsten Winter treffen müssen. Jeweils im Februar des Jahres stellen sie ihre Prognose, welche Grippeviren im darauffolgenden Winter vermutlich zirkulieren werden.
Der Zeitpunkt ist deshalb so früh, damit genügend Zeit bleibt für die Impfstoffproduktion. Sie nimmt normalerweise sechs bis acht Monate in Anspruch.
Die Grippeviren-Vorhersage ist nicht einfach, denn diese Viren verändern sich laufend. Das ist der Grund, weshalb sie dem Immunsystem immer wieder einmal entschlüpfen und zu einer Erkrankung führen können. Fachleute rund um den Globus beobachten die Veränderungen der Viren und die Grippeaktivität deshalb mit Argusaugen.
Zu diesem weltweiten Netzwerk gehören niedergelassene Ärzte, Gesundheitsbehörden, Labore und auf Grippeviren spezialisierte Referenzlabore. Je nach Land registrieren sie beispielsweise, wie viele Menschen sich am Arbeitsplatz krankmelden, wie viele wegen Atemwegsinfekten zum Arzt gehen, die Anzahl der Spitaleinweisungen und der Todesfälle.
Rund ums Jahr werden die bei Grippekranken gefundenen Viren analysiert und mit den schon bekannten verglichen. Parallel dazu werden auch die bei Tieren zirkulierenden Grippeviren überwacht. Das soll sicherstellen, dass auch etwaige neue, womöglich gefährliche Virusveränderungen, die zu einer Pandemie führen könnten, rasch erkannt werden.
Auf der Nordhalbkugel der Erde treten die Grippeerkrankungen vor allem im Winter auf, in den Tropen das ganze Jahr und auf der Südhalbkugel dann, wenn dort Winter ist. Wer also etwa im Juli auf die Südhalbkugel reist, trifft wahrscheinlich auch auf Grippeviren.
Es gibt vier verschiedene Typen von Grippeviren, sie werden mit den Buchstaben A, B, C und D bezeichnet. Die Typen A und B zählen zu den Hauptverursachern von Grippeerkrankungen, Typ C bewirkt in der Regel nur leichte Erkältungen bei Kindern und Typ D gilt bisher als ungefährlich für den Menschen.
Etwa ein Viertel der Personen, die sich mit Grippe angesteckt haben, wird davon krank. Die anderen Infizierten können die Viren weiterverbreiten, ohne dabei selbst nennenswerte Symptome zu haben.
(Lesen Sie unten weiter …)
Der Impfstoff kann auf verschiedene Arten hergestellt werden. Zumeist helfen dabei Hühnereier, die auf speziellen Geflügelhöfen unter besonders hygienischen Bedingungen produziert werden. Neuere Impfstoffe werden zum Beispiel mit Hilfe von Säugetier- oder Insektenzellen hergestellt.
Zuerst wird jeweils ein «Impfvirus» produziert. Grippeviren sind sehr wandlungsfreudig, und das machen sich die Wissenschaftler zunutze. Sie infizieren einige dieser Eier sowohl mit den Grippevirenstämmen, die im nächsten Winter mutmasslich zirkulieren werden, als auch mit solchen, die sich besonders gut für Impfstoffe eignen. Im Hühnerei vermehren sich dann beide Typen von Viren.
Die Viren «kapern» die Zellen im Ei und zwingen diese, Viruskopien herzustellen. (Genau das tun sie übrigens auch bei einer Infektion.) Im Hühnerei geschieht aber noch etwas: Die beiden Virenstämme tauschen einige ihrer Gene aus. Viren, die neu in den Hühnereiern entstehen, besitzen dadurch Eigenschaften von beiden Virentypen.
Im nächsten Schritt suchen Wissenschaftler dann unter den neu entstandenen Viren diejenigen heraus, welche sich am besten als «Impfviren» eignen.
Mit diesen gut charakterisierten Viren werden dann weltweit über 350 Millionen Hühnereier «beimpft». In einem Hühnerei entstehen etwa so viele Viren, wie später für eine Spritze nötig sind. Zuletzt werden die Impfviren gereinigt und zu Impfstoffen verarbeitet.
Weil beim Menschen mehrere Typen von Grippeviren zirkulieren, enthält auch der Grippeimpfstoff drei oder vier davon, allerdings in inaktivierter Form, also nicht mehr ansteckender Form. Manche Grippeimpfstoffe enthalten auch nur charakteristische Teile der Viren, um das Immunsystem zu «trainieren», damit es später etwaige ähnliche Grippeviren sofort erkennt und innerhalb von Stunden unschädlich machen kann.
Im Herbst wird der fertige Impfstoff schliesslich an Ärzte und Apotheken geliefert. Stimmt die Grippevirenprognose, dann kann die Grippeimpfung das Erkrankungsrisiko reduzieren. Verändern sich die Viren aber stärker oder anders als erwartet, ist der Impfstoff weniger wirksam als erhofft. Einer Rechnung zufolge müssen durchschnittlich etwa 71 gesunde Erwachsene bis 65 Jahre geimpft werden, um einen Erkrankungsfall zu verhindern. Bei den Senioren profitierte rund einer von 30. Bis die Schutzwirkung einsetzt, dauert es circa zehn bis 14 Tage.
Ein Problem beim Grippeimpfstoff ist, dass seine Schutzwirkung rasch nachlässt, im ungünstigen Fall hält sie nur etwa 90 Tage. Ein anderes Manko ist, dass die Grippeimpfung bei Senioren eine schwächere Immunreaktion auslöst als bei jüngeren Menschen.
Perfekt sind die Grippeimpfstoffe also noch nicht. Deshalb suchen Forscher nach Wegen, sie wirksamer und universeller zu machen, sodass es keine Rolle mehr spielt, ob und wie sich die Grippeviren verändern. Gelänge das, würde die alljährliche Grippeimpfung überflüssig.