Ein Virus, zwei Krankheiten: Neben Windpocken kann das Varicella-Zoster-Virus später auch Gürtelrose (Herpes Zoster) verursachen. Mehr zur Ursache, wie man die Krankheit erkennt und wie sich der schmerzhafte Hautausschlag behandeln lässt.
Bis vor Kurzem haben fast alle Kinder die Windpocken durchgemacht. Die meist leichtere Erkrankung mit dem typischen Hautausschlag ist in der Schweiz auch als «Wilde Blattern» bekannt. Sie kann ganze Kitas oder Kindergärten lahmlegen. Nach der Genesung ist man dagegen immun. Doch das Virus bleibt im Körper und kann sich viel später im Leben nochmals sehr unangenehm bemerkbar machen: Es ist Auslöser der ernsthafteren Krankheit namens Gürtelrose.
Die Krankheit – in der Fachsprache Herpes Zoster – äussert sich durch einen brennenden und schmerzenden Hautausschlag, der an praktisch allen Körperstellen auftreten kann: am vorderen und hinteren Oberkörper, an den Armen und Beinen oder auch im Gesicht. In seltenen Fällen kann die Krankheit auch die Augen befallen, wo eine Hornhautentzündung entsteht, das Gehirn oder einzelne Gehirnnerven. Dann kann es zu einer Hörminderung oder Gesichtslähmungen kommen. Der Name ist wahrscheinlich aufgrund der manchmal gürtelartigen Ausbreitung von der Wirbelsäule her entstanden sowie wegen der rosettenartig angeordneten Bläschen auf geröteter Haut.
Die Infektion erfolgt meist Jahrzehnte vor dem Ausbruch. Denn Gürtelrose wird durch das Varicella-Zoster-Virus ausgelöst, das auch für die Windpocken verantwortlich ist. Diese sind sehr ansteckend und übertragen sich vorwiegend über die Luft – also zum Beispiel beim Husten oder Sprechen. Deshalb haben etwa 98 Prozent der Bevölkerung Windpocken im frühen Kindesalter durchgemacht. Bei Kindern handelt es sich meist um eine leichtere Erkrankung. Sie äussert sich durch die typischen juckenden Blattern sowie Fieber. Nach einigen Tagen heilt sie von selbst wieder ab. Doch das Virus bleibt das ganze Leben lang im Körper erhalten. Es nistet sich im Rückenmark und im Gehirn ein. In Phasen von geschwächter Immunabwehr kann es plötzlich wieder in Form einer Gürtelrose in Erscheinung treten. Häufig ist dies in höherem Alter der Fall.
Die Flüssigkeit der Gürtelrose-Bläschen ist ebenfalls ansteckend. «Doch wenn man den Ausschlag mit einem Verband oder mit Kleidern abdeckt, kann man trotzdem unter die Leute», sagt Stefan Kuster, Chefarzt der Infektiologie am Kantonsspital St. Gallen. Im Spital bringe man gewisse Personen mit einem Herpes Zoster – vor allem bei starker Ausprägung – jedoch in einem Einzelzimmer unter, um andere Patientinnen und Patienten mit geschwächtem Immunsystem zu schützen.
Im Anfangsstadium kündigt sich die Krankheit meist durch Abgeschlagenheit, eventuell leichtem Fieber und brennenden Schmerzen oder Juckreiz im betroffenen Hautgebiet an. Einige Tage später kommt es auf einer Körperseite zu einem streifenförmigen Ausschlag sowie klaren Bläschen auf gerötetem Grund, die in Gruppen oder Rosettenform angeordnet sind und gelegentlich auch mit Blut gefüllt sein können. Nach einigen Tagen platzen und verkrusten die Bläschen. Manchmal lassen sie Narben oder Flecken zurück. Die vollständige Rückbildung der Symptome kann bis zu einem Monat dauern. In seltenen Fällen halten die brennenden Schmerzen aber auch mehrere Jahre lang an. Man spricht dann von einer postherpetischen Neuralgie. «Deshalb ist es so wichtig, sich gegen Gürtelrose zu impfen», betont Stefan Kuster. «So kann man sich vor einem möglicherweise jahrelangen Leiden schützen.»
Etwa 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung erkrankt im Laufe des Lebens an Gürtelrose. In der Schweiz kommt es hochgerechnet jährlich zu etwa 30 000 Fällen. Würden sich mehr Menschen impfen lassen, würde die Anzahl der Erkrankten stark zurückgehen.
Erkranken können alle, die das Varicella-Zoster-Virus in sich tragen, also irgendwann Windpocken hatten – im Prinzip also fast alle Menschen. Typischerweise bricht Gürtelrose aus, wenn das Immunsystem geschwächt ist, also zum Beispiel bei Einnahme starker Medikamente wie etwa Chemotherapeutika, die bei Krebs zum Einsatz kommen, oder Immunsuppressiva, die das Immunsystem nach einer Organtransplantation an einer Abstossungsreaktion hindern. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für Gürtelrose. «Sind jüngere Menschen betroffen, sollte man eventuell nach möglichen Ursachen suchen», betont Infektiologe Stefan Kuster. Sinnvoll sei vor allem ein HIV-Test, weil das HI-Virus das Immunsystem angreift.
Ja, unbedingt, und zwar so schnell wie möglich. Ohne ärztliche Behandlung besteht nämlich die Gefahr, dass es zu einem schwereren und länger anhaltenden Verlauf kommt als bei frühzeitigem Therapieanfang.
Gut wirksam sind antivirale Medikamente, die meist in Tablettenform verabreicht werden. Zusätzlich kann man die betroffenen Hautstellen mit Schüttelmixturen behandeln, welche das Austrocknen der Bläschen beschleunigen. Bei starken Schmerzen darf man auch Schmerzmittel einnehmen. Noch besser als eine Behandlung wäre aber die Prophylaxe, sagt Stefan Kuster. Seit 2021 steht nämlich eine sehr gute Impfung zur Verfügung.
Ja. Ratsam sei es aber nicht, einen Arztbesuch zu unterlassen, sagt Stefan Kuster. «Eine frühzeitige Behandlung kann die Symptomdauer und -schwere reduzieren und somit längeres Leiden verhindern.»