Tabletten wirken im Tagesverlauf nicht immer gleich. Das liegt an der inneren Uhr. Wer auf sie hört, lebt gesünder und spürt weniger Nebenwirkungen. Die besten Tipps aus der Chronomedizin.
Wieso hilft dieselbe Tablette mal besser und mal schlechter? Weil der Körper nicht zu jeder Tageszeit gleich funktioniert.
Über die Hälfte der gebräuchlichsten 100 Medikamente wirken deshalb zu bestimmten Zeiten stärker oder schwächer. «Bei der Einnahme von Medikamenten wird diese Tagesrhythmik bisher aber noch kaum beachtet», sagt der Neurobiologe Henrik Oster von der deutschen Universität zu Lübeck. Er ist Professor für Chronobiologie. Das altgriechische Wort «chronos» heisst auf Deutsch die Zeit.
Jede Zelle im Körper hat nämlich eine «innere Uhr». Diese inneren Uhren beeinflussen vom Herzschlag bis zum Blutzucker praktisch alle Körpervorgänge: Der Blutzuckerspiegel zum Beispiel ist deshalb am Mittag am höchsten, die Körpertemperatur hingegen steigt abends an – wie jeder weiss, der schon einmal Fieber hatte. Auch die Immunabwehr und die geistigen Fähigkeiten verändern sich im Lauf des Tages.
Die inneren Uhren beeinflussen auch den Zeitpunkt von Krankheiten: Ohrenschmerzen etwa sind abends am gemeinsten, Asthmaanfälle häufen sich nachts und morgens spürt man bei Rheuma die steifen Gelenke am stärksten.
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Ungesund wird es, wenn die inneren Uhren verstellt werden. Vier Faktoren tragen dazu besonders oft bei: Chronischer Schlafmangel, Aktivität und Essen zur Nachtzeit, andauernder Stress oder Licht, obwohl es draussen schon lange dunkel ist. Geraten die inneren Uhren ständig aus dem Takt, steigt das Risiko für Krebserkrankungen, Diabetes, Depressionen, Schlafstörungen und weitere Krankheiten.
«Menschen, die wenig schlafen, gelten heutzutage als dynamisch. Aber dieser Lebenswandel ist nicht gesund», gibt Oster zu bedenken. «Ausserdem passieren bei chronischem Schlafmangel mehr Fehler und Unfälle.» Warum also die dunkle Jahreszeit nun nicht mal nützen, um wieder besser auf seine «inneren Uhren» zu hören?
Medikamente gegen Heuschnupfen nimmt man besser abends. Denn die Allergiesymptome sind nachts und in den frühen Morgenstunden meist stärker.
Mitternacht bis 3 Uhr
Schmerzen sind zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens am stärksten.
Zwei Uhr bis circa sechs Uhr (Maximalpunkt um vier Uhr morgens)
«Zwo stund nach Mitternacht biß auff den Morgen» ist Asthma am schlimmsten, lernten Ärzte schon 1568 aus dem «Artzney Buch». Manche Asthmamedikamente nimmt man deshalb besser abends als morgens.
Circa 5 oder 6 Uhr morgens
Die Körpertemperatur ist in den späten Nachtstunden am niedrigsten. Kalorien, die mit dem Frühstück aufgenommen werden, benützt der Körper deshalb stärker für die Wärmeproduktion als solche, die beim Abendessen verspeist werden.
Alkohol, Schlaf- und Beruhigungsmittel wirken morgens stärker als abends. Ein Grund dafür ist, dass das Gehirn morgens für ihre Wirkung empfänglicher ist.
Circa 7 oder 8 Uhr morgens
Viele Medikamente gelangen am Morgen rascher ins Blut und erreichen dann auch höhere Konzentrationen, weil sich der Magen frühmorgens schneller entleert und die Verdauungsorgane dann besser durchblutet werden. Damit steigt das Risiko für Nebenwirkungen, zum Beispiel bei Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Aspirin. Abends eingenommen, verursachen sie weniger unerwünschte Wirkungen.
9 bis 11 Uhr
Eine Grippeimpfung schlägt bei Senioren besser an, wenn sie morgens zwischen neun und elf Uhr geimpft werden, hat eine Studie ergeben.
Rheuma: Am Nachmittag schmerzen die Gelenke weniger und sind beweglicher als am frühen Morgen. Gegen die Morgensteifigkeit kann es deshalb helfen, die entzündungshemmenden Schmerzmedikamente abends zu nehmen.
14 bis 18 Uhr
Zum Zahnarzt geht man am besten am Nachmittag. Denn zwischen 14 und 18 Uhr wirkt die Betäubungsspritze am längsten.
Circa 18 Uhr (16 bis 20 Uhr)
Circa um 18 Uhr ist die Körpertemperatur am höchsten. Auch Fieber steigt meist gegen Abend hin.
Ab circa 19 oder 20 Uhr (Maximalpunkt um Mitternacht)
Am Abend ist das Enzym, das in der Leber Cholesterin bildet, aktiver. Deshalb sind die gängigen Cholesterinsenker abends wirksamer als morgens.
Ab circa 23 Uhr (dann wenn die meisten Menschen in den Schlaf fallen)
Der Blutdruck ist normalerweise nachts etwa 15 Prozent tiefer als tagsüber. Ist das bei einem Menschen mit Bluthochdruck nicht der Fall, kann es sinnvoll sein, den Blutdrucksenker abends zu schlucken, damit das natürliche nächtliche Absinken wieder stattfindet.