Nach der Zustimmung zur Organspende-Abstimmung tritt in der Schweiz eine neue Regelung für Organtransplantationen in Kraft. Wir erklären, was sich ändert.
In der Schweiz warten rund 1400 Personen darauf, ein gesundes Organ zu erhalten. Über 1000 davon würden von der Transplantation einer Niere profitieren. Weil ihre eigenen Nieren nicht mehr gut genug arbeiten, müssen viele von ihnen dreimal pro Woche für rund vier Stunden zur Blutreinigung an die Dialyse. Bis sie den entscheidenden Telefonanruf erhalten, vergehen im Durschnitt gut zweieinhalb Jahre. Andere Menschen benötigen ein Herz, eine Lunge, eine Leber oder eine Bauchspeicheldrüse. Letztes Jahr starben 72 Personen, bevor ein passendes Organ für sie gefunden wurde. Nach der Zustimmung zur erweiterten Widerspruchslösung soll sich die Situation dieser Menschen verbessern. Die neue Regelung wird voraussichtlich etwa ab Herbst 2023 greifen.
Mit der erweiterten Widerspruchlösung sollten Personen, die ihre Organe nicht spenden wollen, ihren Willen aktiv festhalten. Bis anhin war es umgekehrt: Wer der Organentnahme nach dem Tod zustimmen wollte, musste dies kundtun. Verstirbt jemand, ohne sich zum Thema geäussert zu haben, müssen weiterhin die nächsten Angehörigen bestmöglich im Sinne der verstorbenen Person entscheiden. Sind keine engen Bezugspersonen vorhanden, dürfen die Organe nicht entnommen werden.
Die beste Möglichkeit seinen Willen kundzutun ist das digitale Organspende-Register, weil es jederzeit von überall her eingesehen werden kann. Bereits jetzt haben sich darin gut 130'000 Personen eingetragen – 90 Prozent davon zustimmend. Die bestehende Plattform weist jedoch Sicherheitsmängel auf, weshalb der Bund nun ein neues Register schaffen wird. Im Prinzip hat aber auch jede andere Art der Willensbekundung Gültigkeit – sei es über einen Spenderausweis oder eine Notiz im Portemonnaie, eine Patientenverfügung oder eine mündliche oder schriftliche Äusserung gegenüber Angehörigen.
Der Bund wird nun eine breite Informationskampagne fahren, die auch Menschen mit niedrigem Bildungsstandard und schwachen Kenntnissen der Landessprachen erreichen soll. Damit werden alle Personen über 16 Jahren motiviert, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und ihren Willen in geeigneter Form festzuhalten. Die Informationen sollen über Medien, Plakate, Ärzte und Apotheken in diversen Sprachen verbreitet werden.
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Die Mehrzahl der Länder mit einem relevanten Spendensystem (21 von 38) kennen die Widerspruchsregelung, wobei sie unterschiedlich umgesetzt wird. Wie der Vergleich zeigt, erhöht die Widerspruchsregelung die Verfügbarkeit von Organen. Den weltweiten Spitzenplatz belegt Spanien mit einer Spende-Rate von fast 50 Personen pro Million Einwohnerinnen und Einwohner, derweil die Rate hierzulande lediglich bei 18 liegt. Damit liegt die Schweiz weit zurück. Auch in Frankreich, Österreich und Italien führt die Widerspruchsregelung zu höheren Spendenraten, während Deutschland mit einer Rate von 11 das europäische Schlusslicht bildet.
Der Blick über die Grenze zeigt aber auch, dass andere Massnahmen die Zahlen ebenfalls beeinflussen. Die USA zum Beispiel erreichte 2021 mit der erweiterten Zustimmungsregelung eine Rate von fast 42. Anscheinend gelingt die Aufklärung der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten gut. Zudem ist dort im Fahrausweis ein Feld vorhanden, um seinen Willen festzuhalten. Ein Teil des Erfolgs ist jedoch auch auf traurige Umstände zurückzuführen: Ein Teil der Organe stammte von Drogentoten aufgrund zu freizügig verschriebener Opiate.
Mit der erweiterten Widerspruchslösung, die in der Schweiz neu gilt, erhalten die Angehörigen weiterhin viel Mitbestimmungsrecht. Es handelt sich im Vergleich mit anderen Ländern um eine abgeschwächte Form, welche die Mehrheit nun gutgeheissen hat. Dank der neuen Regelung sowie verstärkter Information rechnet die Organisation Swisstransplant mit einer Verdoppelung der Spendenrate.