Kurven, Kompressionen, Sprünge – während der Abfahrt ist der Körper starken Kräften ausgesetzt. Ein Sportwissenschaftler erklärt, was dabei geschieht.
Alpinskifahrer sind Ganzkörperathleten. Sie dürfen nirgends eine muskuläre Schwäche haben. Beim Abstossen sind der Arm- und Schulterbereich gefragt, danach Oberschenkel, Rücken, Gesäss und Rumpf. Im Skischuh arbeiten Rennfahrer mit der Druckverlagerung, dabei sind Waden- und Schienbeinmuskulatur wichtig. Auch die kleinen Muskeln sind im Spitzensport unerlässlich.
In einer Kompression lastet auf den Athleten das bis zum 10-Fachen ihres Körpergewichts. Natürlich sind dann die Oberschenkel am Arbeiten, wenn jedoch Rumpf- und Rückenmuskulatur sowie der Hüftbeuger nicht da wären, würde den Abfahrern der Kopf zwischen die Beine klappen. Was geschieht, wenn man die gewählte Linie aufgrund der massiven, einwirkenden Kräfte nicht halten kann, sahen wir übrigens in Kitzbühel bei der Netzlandung von Beat Feuz.
Spitzensportler, die ganz oben mitmachen, haben das ganz besondere Talent, genau das tun zu können. Alpinsportler haben sehr gute Gleichgewichtsfähigkeiten. Die Slackline nutzten die Athleten des Alpinzirkus schon lange als Trainingstool, bevor diese populär wurde. Durch das gute Körpergefühl und Gleichgewicht können sie sich aus scheinbar hoffnungslosen Situationen retten. Dazu kommt das jahrelange Training: Jeder Spitzenathlet hat eine 10- bis 15-jährige Leistungssport-Karriere hinter sich, bis er im TV auftaucht.
Der Muskel ist aus Filamenten aufgebaut. Wenn man den Muskel anspannt, gleiten diese Filamente ineinander. Die dazwischenliegenden Kapillargefässe, die den Muskel mit Blut und damit mit Sauerstoff versorgen, werden unter der Belastung zusammengepresst. Hält die Muskelspannung an, erhält der Muskel kein frisches Blut und auch keinen Sauerstoff mehr. Wir befinden uns im anaeroben Bereich.
Ohne Sauerstoff etwa zwei Minuten. Der Weg, auf dem die Energie hauptsächlich bereitgestellt wird, ist dabei die anaerobe Glykolyse, die den Vorteil hat, eine grössere Energiemenge pro Zeiteinheit zur Verfügung zu stellen, als dies über den aeroben Weg, also mit Sauerstoff, möglich ist. Durch eine Reihe von chemischen Prozessen wird Glykogen – die Speicherform von Zucker in den Muskelzellen – unter Abgabe von Energie (ATP) zu verschiedenen Produkten abgebaut, unter anderem auch Laktat.
In beschränktem Masse ja. Beispielsweise durch intensive Intervalltrainingsformen können die enzymatischen Prozesse verbessert werden. Ausschlaggebend ist allerdings auch die Verteilung der Muskelfasern. Wir unterscheiden mehrere Muskelfasertypen: Die einen funktionieren eher aerob mit Sauerstoff und kontrahieren langsam. Typisch für Ausdauerläufer. Die anderen funktionieren eher glykolytisch, also mit vermehrtem Zuckerstoffwechsel und zucken schnell. Abfahrer gehören tendenziell zur zweiten, schnellkräftigen Gruppe. Da ein Muskel auch während einer Abfahrt nie dauerhaft angespannt ist, kann er sich immer wieder kurz regenerieren.
Die Sauerstoffschuld, die sie eingegangen sind, müssen sie im Nachhinein wieder ausgleichen. Bei Abfahrern dauert dies mitunter länger als bei Ausdauersportlern, die sich zum Grossteil im aeroben Bereich bewegen.