Ostschweiz, Tessin, Zentralschweiz, Mittelland, oder Westschweiz: Jetzt wandern wir wieder in der Natur. Wo das am schönsten gelingt, weiss der iMpuls-Experte.
Der Frühling ist ideal für Wanderungen im Mittelland, im Jura und in den Voralpen. Ab Ende April sind die Wege bis 1000 Meter oft schneefrei, in den Wäldern und auf den Feldern erwacht die Natur.
Besonders reizvoll ist das helle Grün in den Laubwäldern, wenn die Sonne durch die Bäume scheint und die Farben zum Leuchten bringt. Auf den Wiesen erblicken nebst Margerite, Hahnenfuss und Löwenzahn die ersten Orchideen das Licht, während in der Höhe Krokusse dem weichenden Schnee folgen.
Ein Fest fürs Auge sind Magerwiesen: Wegen des niedrigen Nährstoffgehalts ist die Artenvielfalt gross, in allen Farben strahlen die Blumen dem Frühling entgegen. Jetzt kommen auch Wildkräutersammelnde auf ihre Rechnung. Gundermann, Spitzwegerich, Brennnessel, Giersch, Teufelskralle und Schafgarbe geben Salaten und Dips gesunde Würze.
Apropos Schnee: An schattigen Orten und an Nordhängen bleibt dieser lange liegen. Sind die Schneefelder nicht zu steil oder bei Bachquerungen einsturzgefährdet, kann man seine Tour gut fortsetzen. Bei geschlossener Schneedecke indes kehrt man besser um, auch wegen drohenden Rutschen aus Steilhängen oberhalb des Wegs.
Richtig in die Berge geht es in normalen Zeiten ab Anfang bis Mitte Juni. Dann öffnen auch die meisten Berghütten und Bergbahnen. Es wird empfohlen, sich im Voraus zu informieren.
Der Kaienspitz ist eher Grashügel denn ein Berg. Doch auch ein Grashügel kann einen ordentlich ins Schwitzen bringen. Die Landschaft im Appenzellerland ist «gääch». Tief eingeschnittene Tobel und stotzige Hänge geben sich die Hand, «flach» kennt man hier nur vom Hörensagen. Entschädigt für die Anstrengung wird man mit Aussicht ohne Ende, nicht erst vom Gipfel, sondern fast während der ganzen Tour. Die Felsbastion Alpstein mit dem Säntis im Zentrum, der Bodensee und die vielen Dörfer, die wie Nester an den Hängen kleben, ziehen den Blick auf sich. Und natürlich die schmucken und mit Blumen verzierten Appenzeller Häuser, die den Weg säumen. Nur zu Beginn der Tour ist nichts mit Fernsicht: Dann schlängelt sich der Weg der wilden Goldach entlang durchs Tobel ins Chastenloch, einem schaurigen Ort mit urgemütlichem Gasthaus.
Der Eine ein filigranes, ausgesprochen luftiges Werk aus Holz und Stahl, der Andere eine solide, dem Eifelturm nachempfundene Metallkonstruktion. Gemeinsam sind dem Siblinger und Schleitheimer Randenturm die fantastische Sicht aufs Mittelland und die Alpen aus 20 Metern Höhe. Dazwischen wandert man im munteren Auf und Ab über den Schaffhauser Randen; durch Wälder, die im Frühling von Bärlauch überquellen.
Toggenburg? Kennt man. Appenzellerland? Sowieso. Und das Neckertal? Nie gehört? Kein Wunder, die Region ist eine Perle, die noch entdeckt werden will. Ein Mosaik aus verwunschenen Mooren, blumenübersäten Wiesen, dunklen Hecken, stattlichen Höfen und kecken Höhen mit uralten Linden, unter denen sich die Zeit vergessen lässt. Und von ganz zuoberst, von der Wilkethöhi, kann man hinüberschauen zu den Toggenburgern und Appenzellern, mit einem Fernglas aus Grossvaters Zeiten.
Gross ist die Not der Frau Hohenzorn aus Bischofszell, wie sie in den Fluten der Thur beide Söhne verliert. Sie spendet der Stadt eine Brücke über den Fluss, damit nie mehr eine Mutter solch Leid erfahren muss. Mit 116 Metern ist die um 1487 eröffnete Alte Brücke die längste mittelalterliche Natursteinbrücke der Schweiz. Ein Besuch lohnt sich nicht nur wegen ihrer krummen Form, sondern auch für die kurzweilige Wanderung nach Kradolf – in Begleitung des Wassers und mit dem Duft frischen Bärlauchs in der Nase.
Wo das Militär seine Anlagen errichtet, müssen entweder die Deckung oder die Sicht auf den Feind ideal sein. Beim Fläscher Berg ist beides gegeben. Der Felsriegel mitten in der Bündner Herrschaft gleicht einem Miniaturmassiv, mit dichten Wäldern, verwinkeltem Gelände und mit einer Aussicht vom höchsten Punkt, die kaum zu überbieten ist. Regitzer Spitz heisst der Gipfel, er thront über einer 400 Meter hohen, fast senkrecht abfallenden Felswand. Rheintal, Sarganserland, Bündner und Glarner Alpen und die Falkniskette grüssen, im Talboden schmiegt sich das sonnenverwöhnte Weinbaudorf Fläsch an seinen Berg. Und die Militäranlagen? Sie muten an wie eine verstreute Feriensiedlung, hübsch eingefügt in die wilde Wald- und Berglandschaft und von architektonisch überraschender Gestalt.
Das Wasser tiefblau, die Buchen im hellgrünen Blätterkleid, die Wiesen leuchtend gelb und die Obstbäume verziert mit rosafarbenen und weissen Blüten – eine Frühlingswanderung am Bodensee, mal dicht am Ufer, mal durch malerische Dörfer, ist ein Fest für die Sinne. Und der See birgt einen versunkenen Schatz. Vor Bottighofen liegt in 40 Metern Tiefe der Raddampfer Jura, kollidiert 1864 in voller Fahrt und dichtem Nebel. Das denkmalgeschützte Wrack ist heute ein beliebtes Tauchziel.
Der Mittelspecht hat Ansprüche: Er wohnt auf Eichen, die mindestens 100-jährig sind. In ihrer grob strukturierten Borke findet der seltene Vogel reichlich Nahrung. Der Güttinger Wald am Bodensee hat ihm einiges zu bieten. Prächtige Alteichen sind sein Markenzeichen. Eine Besonderheit ist die Eiche mit vier Stämmen. Bäumig sind aber auch Anfang und Ende der Wanderung – blühende Obstbäume so weit das Auge reicht. Schliesslich stammt jeder zweite Schweizer Apfel aus dem Thurgau.
Die Grafen von Toggenburg müssen Blumen geliebt haben. Über 200 zum Teil seltene Arten Farne und Blütenpflanzen gedeihen auf Neu Toggenburg, dem Hügel oberhalb von Lichtensteig, wo die Feudalherren ab Ende des 12. Jahrhunderts residierten. Bescheidenheit war ohnehin nicht ihre Tugend. Fünf Ringwälle und eine Ringmauer mit Burgtor schützten ihre Anlage. Sie sind bis heute erhalten und frei zugänglich, genauso wie die Überreste zweier Zisternen. Burgruinen befriedigen nicht nur den Entdeckergeist, sondern erfreuen auch mit bestem Blick in die Ferne – schliesslich wollten die Herrscher früh genug wissen, wer sich ihrem Sitz näherte. Von der Ruine Neu Toggenburg geht er übers ganze Toggenburg bis zum Alpstein mit dem Säntis im Zentrum. Ganz anders bei der Ruine der Burg Rüdberg, eine gute Wanderstunde später. Versteckt im Wald steht sie. Ihr Schutz ist die rund 50 Meter hohe, nahezu senkrechte Felswand, die hinter der Anlage jäh zur Thur abfällt. Auch eine Aussicht, aber eine andere.
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Küssnachtersee, Alpnachersee, Urnersee, Luzernersee – eine Übersicht über die sieben Becken des Vierwaldstättersees zu erhalten, ist nicht einfach. Da hilft es, das Ganze von oben zu betrachten, zum Beispiel von der Wissifluh, dem markanten Felszahn zwischen Vitznau und Gersau. Den mit 114 Quadratkilometern Fläche viertgrössten Schweizer See überblickt man zwar nicht ganz, aber man gewinnt eine Vorstellung davon, um wie viele Ecken und Vorsprünge sich sein Wasser ausbreitet. Die Aussicht muss man sich verdienen: Steil und eindrücklich ist der Aufstieg durch dichten Wald und dem nahezu senkrechten Felsen entlang; so viel alpine Wildnis auf 900 Metern Höhe kommt unerwartet. Ganz anders der Abstieg. Auf lauschigen Pfaden über blumenübersäte Wiesen wird in weiten Kehren Gersau erreicht. Wie steil auch diese Hänge sind, merkt man erst, wenn man den Bauern beim Heuen zuschaut. Das Gras rollt fast allein zu Tal.
Im Quellgebiet der Töss wird der Kanton Zürich zum Berggebiet. Die Hänge sind abschüssig, die Grate schmal, Wasserfälle schiessen über nagelfluhdurchsetzte Felsrippen, Bäche zwängen sich durch Schluchten und im dichten Wald tummeln sich Hirsche, Rehe, Gämsen und Auerhühner, während in der Luft Adler ihre Kreise ziehen. Kein Wunder, wurden in dieser wilden Ecke Luchse angesiedelt – das Raubtier findet beste Bedingungen. Genauso die Wanderer. Die Höhen im Tössbergland sind aussichtsreich, der Blick vom Hüttchopf etwa reicht von den Glarner und Zentralschweizer Alpen über den Bodensee bis zum Schwarzwald. Die Landschaft ist ein Mosaik aus blumenreichen Weiden, stattlichen Bauernhöfen und urtümlicher Natur. Unten in der Tössscheidi schliesslich, wo sich Vorder- und Hintertöss zum Fluss vereinen und die Reise zum Rhein antreten, wähnt man sich als Entdecker eines entlegenen Bergtals. Der Weg vom Hüttchopf in die Tiefe gehört übrigens zu den wenigen Bergwegen des Kantons Zürich. Zu Recht.
Osterglocken gedeihen im heimischen Garten. Und am Mont Sujet – felderweise. So viele wilde Narzissen wie am Berg über dem Bielersee gibt es kaum woanders, Ende April leuchten die grossen Juraweiden goldgelb in der Sonne. Oben auf dem Gipfel dann geht der Blick in die Ferne, vom Schwarzwald über den Chasseral und das Seeland bis zu den Alpenspitzen, bevor man sich in die Tiefen der Twannbachschlucht begibt, wo Friedrich Dürrenmatt im Roman «Der Richter und sein Henker» morden liess.
Als Bern reformiert wurde, wollten die katholischen Luzerner klare Verhältnisse. Sie pflanzten auf den Höhen des Napfberglandes eine Hagstelli, eine zwei Kilometer lange Baumreihe direkt auf der Grenze zu Bern. Die Feindseligkeiten sind Geschichte, die bis zu 400 Jahre alten Ahorne, Fichten und Buchen aber stehen noch; genauso wie die steilen Chrächen und wilden Grate, über die man mit bestem Alpenblick dem Pilgerort Luthern Bad entgegenwandert.
Was tun, wenn ein Berggipfel vollständig im Wald liegt und kein bisschen Aussicht bietet? Man sucht mit Eigentümern und Ämtern nach einer pragmatischen Lösung, greift danach zur Motorsäge und schafft Weitblick. So geschehen im Emmental auf der Blaseflue, dem mit 1118 Metern höchsten Punkt der Gemeinden Signau, Oberthal und Lauperswil. Eine Aussichtsplattform mit überhohen Tischen und Bänken schmückt nun den Gipfel, im grossen Waldfenster zeigen sich die Emmentaler Hügellandschaft und die Berner Alpen. Mit dieser Hügellandschaft macht man rund um die Blaseflue ordentlich Bekanntschaft. Mal geht es steil hoch durch Wald und wilde Tobel, dann wieder laden breite Wiesengrate zum Bummeln und den Blick in die Ferne schweifen lassen. Und wer an Gotthelfs Zeiten schnuppern will, kehrt im urigen Gasthof Waldhäusern ein.
Ausserordentliche Schliessung: diese Aktivität ist vorläufig geschlossen.
Steht Mario Botta drauf, ist einem Bauwerk die Aufmerksamkeit auf sicher. Das ist bei der Steinblume «Fiore di pietra» auf dem Monte Generoso so, und das ist beim Tour de Moron im Berner Jura nicht anders. Der Tessiner Architekt hat den Aussichtsturm geplant und während vier Jahren mit 700 Maurer- und Strassenbaulernenden errichtet, um sie in die Steinmetzarbeit einzuführen. 350 Tonnen Kalkstein wurden verbaut, an der Einweihung des 30 Meter hohen Turms war gar Bundesrat Joseph Deiss zu Gast. Und klar, das Panorama von der 360-Grad-Plattform auf die Bergwelt und den Jura ist wunderschön – gute Sicht vorausgesetzt. Die aber muss nicht unbedingt sein, um dem Tour de Moron einen Besuch abzustatten. Die wilde Juralandschaft mit ihren windgepeitschten Weiden, den knorrigen Bäumen und den rauen Wäldern ist auch bei Nebel und Nieselregen einen Ausflug wert. Das Archaische des Turms kommt dann umso mehr zur Geltung, Aufwärmen kann man sich gegenüber in der Cabane de Moron oder später im gemütlichen Beizli in Champoz.
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In der Agglomeration der drittgrössten Schweizer Stadt lässt es sich prima wandern. Die Region um Basel ist geprägt von abwechslungsreicher Juralandschaft; sanfte Hügelzüge, ausgedehnte Wälder und zwischendurch ein spannendes Tobel und imposante Felswände machen die Kombination aus. Dazu gesellen sich die Kirschbäume. Zu Tausenden erblühen sie im Frühling und verwandeln die Welt in ein schneeweisses Meer. Auf der Wanderung über die Sissacherfluh erhält man von all dem einen hübschen Mix – und dazu ein paar Spezialitäten. Ein frühmittelalterliches Refugium mit zwei Meter dicken Mauern, von denen noch die Grundfesten zu sehen sind, einen etwas neueren Aussichtsturm von dreissig Metern Höhe, der an den Eiffelturm erinnert und Angsthasen einen Schrecken einjagt, eine Familie Kalifornischer Berg-Mammutbäume, die bis zu hundert Meter hoch und 3500 Jahre alt werden, und auf der Sissacherfluh eine Aussichtsplattform, die keine Wünsche offenlässt.
Der Neuntöter hat eine spezielle Angewohnheit: Er spiesst seine Beutetiere auf die Dornen von Rosenbüschen und legt sich so Vorräte an. Mit etwas Glück entdeckt man den scheuen Singvogel bei einer Wanderung über die Nenzlinger, Blauen und Dittinger Weide. Will es mit dem Neuntöter nicht klappen, erfreut man sich an der Blumenpracht. Mit über 500 Pflanzenarten gehören die drei Magerweiden zu den artenreichsten Lebensräumen im Baselländer Jura.
Hügel mit flachen Gipfelplateaus und steilen Hängen prägen den Tafeljura. Kelten und Römer wussten dies zu nutzen: Ihre Wohnanlagen auf dem Wittnauer Horn waren kaum einzunehmen. Im Mittelalter folgten die Grafen und kontrollierten vom Tiersteinberg aus ihre Untertanen. Geblieben sind viele Ruinen, die sich zu einer Wanderung verbinden lassen. Sie führt durch einen Wald, der tun darf, was er will, und vorbei an blühenden Kirschbäumen, die das Fricktal ganz in Weiss tauchen.
«Dort oben die Freiheit», betitelte Wolfgang Hafner seinen Wanderführer zum Solothurner Jura. Den Solothurnern ist die Freiheit auf ihrem «Berg» heilig, wie sie den Jura liebevoll nennen. 1942 erliessen sie die Juraschutzzone, um die Anhöhen vor Bauten und Verunstaltung zu schützen. Heute dankt man es ihnen. Kein Wochenendhäuschen verstellt die Sicht, auf dem Oberdörferberg scheint der Blick ins Unendliche zu gehen: über Weiden mit typischen Trockensteinmauern, über knorrige Bäume, die giftigen Winden trotzen, und über Juraketten, die nirgends enden wollen. Dass man nach dem weitläufigen Oberdörferberg in den Kanton Bern wechselt, merkt man kaum. Die Berner lieben weite, unverbaute Landschaften genauso. Steigt man zum Schluss der Wanderung auf der kühnen Treppenanlage durch die Felswände der Montagne de Graitery, ist das Gefühl von Freiheit perfekt.
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Ein Aufenthalt im Wald stärkt Körper, Geist und Seele. Die Japaner haben dies wissenschaftlich untersucht und propagieren seither Waldbaden. Das Tal der Orbe im Waadtländer Jura gehört zu den baumreichsten Regionen der Schweiz, entsprechend gesund ist die Wanderung von Vallorbe über den Dent de Vaulion ins Vallée de Joux. Auf dem Gipfelplateau aber haben die stämmigen Gesellen Platz gemacht fürs Panorama, und das darf sich sehen lassen: Acht Seen, die Mont-Blanc-Kette und die Walliser 4000er geben sich die Ehre.
Die Logenplätze in diesem Amphitheater sind ausgesprochen luftig: Bis zu 200 Meter hohe, nahezu senkrechte Felswände formen den Creux du Van, wer sich wie die Steinböcke an den Rand der Felsarena wagt, erlebt einen umwerfenden Blick über den Neuenburger Jura bis ins Mittelland. Erklommen wird die Aussichtskanzel auf einem steilen Weg mit vierzehn Haarnadelkurven. Ob einen dabei der Luchs beobachtet? Im ältesten Naturschutzgebiet der Schweiz fühlt er sich wohl.
Einen Aussichtspunkt in Form eines Gipfels sucht man bei einer Suonenwanderung vergebens. Suonen sind Wasserleitungen und dienen im Wallis seit Jahrhunderten der Bewässerung von Feldern und Rebbergen. Mal verlaufen sie entlang sanfter Hänge, mal überwinden sie in spektakulärer Anlage überhängende Felswände. Immer aber sind sie begleitet von einem Weg, von dem aus die Leitung unterhalten und der Lauf des Wassers gesteuert werden. Auf diesen Wegen zu wandern ist pures Vergnügen. Etliche Suonen führen von Frühling bis Herbst Wasser, dazu erhält man je nach Tour viel Luft unter den Füssen und Nervenkitzel geboten oder aber man aalt sich im Genusswandern auf Wurzelwegen unter schattenspendenden Bäumen. Die Grossi Wasserleitu und die Bisse Neuf gehören zu Letzterem. Sie schlängeln dem Südhang des Rhonetals entlang und versorgen die Weinstöcke um Varen und Salgesch mit kostbarem Nass. Und sie bieten eine unvergessliche Sicht auf die Walliser Bergwelt – während Stunden. Da vergisst man glatt den Gipfel.
Wandern kann man nicht durch den Ceneri-Basistunnel. Die Gotthardzüge brausen durch den 15 Kilometer langen Bau und verbinden Bellinzona und Lugano seit Ende 2020 in Hochgeschwindigkeit. Trotzdem: Das letzte Puzzleteil der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale NEAT lässt sich zu Fuss entdecken. Die Wanderung von Isone über Gola di Lago nach Tesserete folgt weitgehend dem Verlauf der neuen Bahnlinie. Merken tut man davon nichts, im Gegenteil. Das Tal von Isone ist abgeschieden, auf den ersten Blick besteht es aus lauter Wald und aus verträumten Dörfern. Sein Reiz liegt im Kleinen, in alten, riesigen Buchen etwa und in unzähligen, knorrigen Birken. In Tobeln mit Bächen, liebevoll restaurierten Rusticos, und in den kahlen Hängen des Monte Bar, dessen Wald im 19. Jahrhundert die Mailänder Metallöfen heizte. Dazu warten immer wieder Traumplätze mit Blick auf die Tessiner Bergwelt. An all dies erinnert man sich gern, wenn man zurückfährt in die Deutschschweiz, durch den Ceneri-Basistunnel, mit 200 Stundenkilometern.
Das Tessin ist reich an einsamen Tälern, die nur dem Wanderer zugänglich sind. Das Valle del Salto bei Maggia ist so ein Kleinod, weltabgeschieden und von rauer Schönheit. Die Rundtour zur kleinen Talschleuse bietet alles, was Bergwandern im Tessin ausmacht: steile Treppenwege, eine Schlucht mit tosendem Bach, knorrige Kastanienbäume, aussichtsreiche Alpen mit verträumten Rusticos, einen Wasserfall, viel Sonne und eine alte Steinbrücke, die in schwindelerregender Höhe zurückführt ins Dorf.
Messerscharfe Zähne, riesige Schnauze, 2,80 Meter Länge: Der Ticinosuchus war ein furchterregender Dinosaurier. Gelebt hat er vor 243 Millionen Jahren am Monte San Giorgio, als dessen Gestein sich noch in Afrika befand. Der Berg hat bis heute 20‘000 Fossilien aus dem Mittleren Trias freigegeben, das reicht für den Status UNESCO Weltnaturerbe. Und das Prädikat «fantastisch» erhält die Aussicht vom Gipfel auf den Lago di Lugano und die noch winterlichen Alpen.
Exotischer kann eine Bergwanderung nicht sein: Der höchste Punkt liegt auf 330 Metern, Start und Ziel sind nur per Schiff erreichbar, bei Starkregen ist der der Weg aus Sicherheitsgründen zu. Lacht hingegen die Sonne, frohlockt das Herz. Zwischen S. Rocco und Cantine di Gandria wandert man stets am tiefblauen Wasser des Lago di Lugano, mal so dicht, dass die Schuhe nass werden, dann wieder auf kühnen Treppen und um Felsvorsprünge von einer Bucht zur nächsten. Hungern muss man dabei nicht – vier Grotti mit Tessiner Spezialitäten sei Dank.
© Bilder: Daniel Fleuti