Mit 57 Jahren hat Pascal Bourquin ein Drittel der Herausforderung gemeistert, die er sich gestellt hat: Die 66'000 Kilometer Wanderwege der Schweiz abzuwandern.
30 Kilometer, 1800 Höhenmeter und nicht einmal ausser Atem. «Ein bisschen k.o. bin ich schon, die Muskeln halt», korrigiert Pascal Bourquin, 57. Er hat seine Wanderschuhe gegen ein Paar Crocs eingetauscht. Er hat soeben seine 989. Etappe abgeschlossen, zwischen Ulrichen im Goms (VS) und dem Trützisee auf 2600 Meter Höhe. Der Wahnsinnige mit der Figur eines Marathonläufers, 88 Kilogramm schwer und 1,93 Meter gross, hat sich ein ebenso originelles wie ehrgeiziges Ziel gesetzt: Er will jeden Wanderweg der Schweiz ablaufen, das sind rund 66'000 Kilometer. In den letzten zehn Jahren hat er bereits mehr als ein Drittel davon geschafft, 38,3%, um genau zu sein.
Denn Pascal Bourquin mag es ganz genau. Er überlässt nichts dem Zufall, läuft die Wege nicht einfach der Nase nach ab, vorbei an den gelben Wegweisern. Er geht methodisch vor, ähnlich einem Schlachtplan, genauso organisiert wie ein Durchbruch des Generals Suworow. Excel-Tabellen, Kartografie, Statistiken: «Jeder Etappe gehen 30 Minuten Vorbereitung voraus und danach brauche ich eineinhalb Stunden, um die Fotos und Informationen zu sortieren, und nicht zu vergessen, sie in den sozialen Netzwerken zu veröffentlichen.» Und vor allem hat er sich ein Tempo festgelegt. «Am Anfang bin ich, angetrieben von der Begeisterung, etwas mehr gewandert. Jetzt mache ich mir weniger Stress. Ich habe mir 40 Kilometer pro Woche bis zur Rente festgesetzt. Danach mache ich 45 Kilometer.» Sein Jahresrekord liegt bei ganzen 3286 Kilometern!
Dieses etwas verrückte Projekt ist vor zehn Jahren auf dem Gipfel des Illimani in Bolivien, auf 6439 Meter Höhe entstanden, wo die Luft dünn ist und einem schon mal die eine oder andere verrückte Idee kommen kann. «Ich war in Topform, aber ich war an einem Punkt in meinem Leben angelangt, an dem ich neue Projekte brauchte. Ich wollte etwas, das nur mir gehört», erinnert sich der Wanderer aus dem Jura. Und er erlebt eine Krise, mit der Krebserkrankung seiner Mutter. Das Leben drängt plötzlich, es wartet nicht.
Pascal Bourquin auch nicht. Er gibt zu, Züge zu lieben, die pünktlich ankommen, wundert sich gleichzeitig aber auch über seine harmlose Besessenheit. «Vielleicht bin ich ein bisschen verrückt ... Aber in einer Welt, in der ich nichts mehr unter Kontrolle habe, in der ich nicht weiss, wohin ich gehe, bietet mir dieses Projekt einen Anhaltspunkt, es ist meine Leitschiene, gibt mir Sicherheit.»
So durchstreift der für die Websparte der Tageszeitung «Le Quotidien Jurassien» verantwortliche Journalist seit 2013 wie ein schlankes Metronom die Schweiz. Er wird seit sechs Jahren von Schweizer Wanderwege unterstützt und erinnert sich an seine allererste Etappe. Damals wohnte er in Delsberg. «Ich habe niemandem etwas gesagt und bin einfach losgegangen. Ich habe mit 10,3 Kilometer angefangen, dann habe ich nach der Arbeit und an meinen freien Tagen weitergemacht.» Seine Karte ist mittlerweile kunterbunt: Er hat bereits die Kantone Jura, Neuenburg, Basel, Nidwalden und Solothurn abgehakt, das Wallis hat er fast durch. Nichts kann ihn bremsen. Nicht einmal eine Krebserkrankung 2015 und eine Aortenoperation im Jahr 2022.
(Fortsetzung weiter unten…)
Als ausdauernder, willensstarker und unersättlicher Sportler hat Pascal Bourquin alles ausprobiert. Von Volleyball über Ultra-Trail bis hin zu Tauchen. Ist Gehen nicht langweilig für den Neffen von Jean-Pierre Egger, dem berühmten Schweizer Trainer? «Das Gehen fördert eine gesunde Lebensweise und bringt mir Freude am Entdecken. Und es ist schon eine ziemlich extreme körperliche Herausforderung. Es gehört Mut dazu, sich alleine in die Berge zu begeben.» Stürze, Tränen, gebrochene Rippen, ein paar böse Ausrutscher – es stimmt, manchmal braucht es eine gewisse Entschlossenheit, um weiterzumachen, vor allem wenn die Temperaturen unter Null liegen und der Weg unter dem Schnee verschwindet.
Doch aus diesem verrückten Projekt nimmt er eine Weisheit mit. Er sei von atemberaubenden Landschaften erfüllt – das Simplonmassiv macht ihn unerschöpflich. Er erzählt auch von Überraschungen unterwegs, wie dem Kamel auf einer Weide im Solothurn, dem Wunsch, die Geschichte der Orte zu verstehen, oder der Schönheit einer Suone. Mit jedem Schritt webt er seine Philosophie ein wenig weiter, als würde die frische Luft seine Seele anregen. «Man muss seine Sichtweise anpassen. Weitwinkel in luftiger Höhe und Makro im Wald, sogar bei Regen. Ich muss jedes Mal begeistert nach Hause kommen.»
Morgen wird er seine 990. Etappe in Angriff nehmen, 22 Kilometer rund um Zermatt. Er wird zeitig zu Bett gehen, in seinem umgebauten Bus, um in den frühen Morgenstunden losstarten zu können. Es besteht kein Zweifel daran, dass er diese Wette, die er damals mit sich selbst eingegangen ist, gewinnen wird. Und dass er, wie er es sich wünscht, am 1. August 2041 auf dem Bundesplatz in Bern ankommen wird. «Ich werde dann 75 Jahre alt sein und die Schweiz feiert an dem Tag 750 Jahre Eidgenossenschaft. Wir werden unsere Geburtstage zusammen feiern!»
Morgen wird er seine 990. Etappe in Angriff nehmen, 22 Kilometer rund um Zermatt. Er wird zeitig zu Bett gehen, in seinem umgebauten Bus, um in den frühen Morgenstunden losstarten zu können. Es besteht kein Zweifel daran, dass er diese Wette, die er damals mit sich selbst eingegangen ist, gewinnen wird. Und dass er, wie er es sich wünscht, am 1. August 2041 auf dem Bundesplatz in Bern ankommen wird. «Ich werde dann 75 Jahre alt sein und die Schweiz feiert an dem Tag 750 Jahre Eidgenossenschaft. Wir werden unsere Geburtstage zusammen feiern!»