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Einfach mal nichts tun

In Zeiten von Smartphone und Internet haben viele verlernt, Musse zuzulassen. Das kann sich rächen.

Der Schweizer Schriftsteller Robert Walser (1878–1956) streifte gerne stundenlang und ohne jegliches Ziel durch die Gegend. Er verkörperte den Prototyp des Müssiggängers und galt schon damals als Sonderling. Heute müsste er sich geradezu wie ein Ausserirdischer vorkommen.

Denn im Zeitalter von Internet und Smartphone haben viele Mühe, Musse überhaupt zuzulassen. Der Zug hat zehn Minuten Verspätung? Da werden automatisch Mobiltelefone gezückt, die neusten Nachrichten abgerufen, fleissig Textnachrichten geschrieben. Einfach mal ins Leere starren und nachdenken, das erscheint vielen als Zeitverschwendung.

Die Folgen

Das hat Folgen: Die Reizüberflutung hat uns zu unkonzentrierten Wesen gemacht. Wir sind uns Unterbrüche schon so sehr gewöhnt, dass wir selber für Ablenkung sorgen, wenn sie von aussen ausbleibt. Zum Beispiel, indem alle paar Minuten die E-Mails gecheckt werden, obwohl keine dringende Nachricht zu erwarten ist.

Dieses Verhalten ist menschlich, aktivieren doch eingehende Nachrichten das Belohnungszentrum im Gehirn, da sie zeitnah das Bedürfnis nach Kontakt, Information und Bestätigung erfüllen. Nur: Wenn wir diesen Reizen ständig unreflektiert nachgeben, verlernen wir, was es heisst, zu entspannen und einfach mal die Seele baumeln zu lassen.

Die Unfähigkeit, nichts zu tun oder sich gedankenverloren einer Tätigkeit hinzugeben, kann die Gesundheit teuer zu stehen kommen und reicht bis hin zum Burn-out. Wer hingegen Musse zulässt, sorgt nicht nur für den nötigen Ausgleich, sondern kommt oft auch auf neue Ideen – nicht umsonst ereilen einen die besten Einfälle unter der Dusche oder beim Spaziergang in der Natur.

Psychologen und Neurologen haben dafür eine einfache Erklärung: In der Zeit, in der man sich nicht dem eigentlichen Problem oder Sachverhalt widmet, setzt sich die Denkarbeit im Unterbewusstsein fort. Was dann wie ein Geistesblitz erscheint, hat sich bereits im Unterbewusstsein formiert.

(Fortsetzung weiter unten…)

Musse braucht Übung

So gelingt Musse
  • Zu Hause die Internetverbindung vorübergehend kappen und das Mobiltelefon ausschalten.
  • Nicht die ganze Freizeit verplanen, sondern bewusst Auszeiten zulassen, in denen man sich Zeit für sich selber nimmt.
  • Musse bedeutet nicht, in der Freizeit für besondere Erlebnisse zu sorgen. Vielmehr geht es darum, sich in diesen Auszeiten von äusseren Taktgebern zu lösen, aber auch von eigenen Ängsten und Erwartungen.
  • Musse ist das Gegenteil von Müssen. Sich deshalb immer wieder vor Augen halten, dass das Leben seinen Wert in sich selbst trägt und nicht durch Erfolge oder materiellen Besitz gerechtfertigt werden muss.

Die gute Nachricht: Wir sind den ständigen Ablenkungsmanövern nicht hilflos ausgeliefert. Der Wissenschaftspublizist Ulrich Schnabel, der sich in seinem Buch «Musse» mit dem Glück des Nichtstuns auseinandersetzt, empfiehlt, bewusst kleine Auszeiten in den Alltag einzubauen anstatt jahrelang unter Strom zu stehen und dann zu meinen, auf Kommando abschalten zu können.

Denn Musse braucht Übung und ist letztlich eine Frage der Haltung und der persönlichen Vorlieben. Der eine findet sie beim Klavierspiel, der andere beim Spaziergang. Ihnen allen gemein ist, dass sie im Hier und Jetzt aufgehen. Dieser Zustand wird auch «Flow» genannt und sorgt für nachhaltige Gefühle der Zufriedenheit.

«Musse ist nicht auf das entspannte Nichtstun beschränkt, sondern kann uns in vielen Formen begegnen – in inspirierenden Gesprächen ebenso wie beim selbstvergessenen Spiel, beim Wandern oder Musizieren, ja selbst beim Arbeiten – kurz: in jenen Momenten, die ihren Wert in sich selbst tragen und die nicht der modernen Verwertungslogik unterworfen sind», so Ulrich Schnabel.

So übst du das Nichtstun

von Manuela Specker,

veröffentlicht am 10.02.2017, angepasst am 14.02.2024


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