Was hat es mit dieser Achtsamkeit auf sich, von der so viele reden? Und kann man von regungslosem Dasitzen wirklich profitieren? Annik macht die Probe aufs Exempel.
«Sitz still!», bekommen wir in unserer Kindheit oft zu hören. Und wenn wir dieser Aufforderung nicht folgen, hat das meistens Konsequenzen. Da kann einem durchaus die Lust vergehen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Dabei kann Stillsitzen für den Menschen ein enorm wertvoller Lehrer sein – sagen Meditations- und Achtsamkeits-Experten. Ihre Argumentation: Sitzen wir regungslos da, können wir unsere Aufmerksamkeit für einmal nach innen richten und uns selber begegnen. Erfahren und beobachten, was sich in unserem Inneren tut. Erkenntnisse und Entspannung gewinnen, zur Ruhe kommen – und ganz im Hier und Jetzt sein.
Ob das stimmt? Annik will es herausfinden. Deshalb probiert sie einen Achtsamkeitskurs der Klubschule Migros aus. Die 28-jährige Bernerin hat gerade ihren neuen Job als Sales & Account Managerin bei einem Start-up angetreten. Aufregend. Auch sonst hat sie immer viel zu tun. Eine gute Erdung und innere Ruhe sind da nicht verkehrt. «Ich möchte gerne Methoden kennenlernen, die ich im Alltag umsetzen kann – zu Hause oder unterwegs», sagt sie. Allerdings ist sie skeptisch – sicher selber gegenüber. «Ich weiss nicht, ob es mir gelingt, längere Zeit stillzusitzen.» Ob es geklappt hat und was Annik dabei gelernt hat, erfahrst du im Video.
Du interessierst dich ebenfalls für Achtsamkeit und die Kraft des Stillsitzens, hast es bis jetzt aber noch nicht geschafft, damit zu experimentieren? Hier ein paar Dinge, die du sofort ausprobieren kannst.
Lese hier auch ein Interview mit einem interessanten Achtsamkeits-Kursleiter.
Eine Nasenspülung kann die Nase von Pollen und Schleim befreien. Es gibt sie fixfertig oder man rührt sie mit Nasensalz selber an. Dieses gibt es einzeln oder im Set mit einer Nasendusche, die Einsteiger auf jeden Fall benötigen.
Eine befreite Atmung ist auch im Yoga wichtig, wo diverse Atemtechniken angewendet werden. Im Yoga Neti lernt man deshalb die Nasenspülung nach Yogi-Art. Auch in diesem Fall braucht man Nasensalz. Gespült wird mit einem Keramik-Kännchen, Neti-Kännchen genannt.
Egal wo du gerade bist und was du gerade tust: Nimm dir eine Minute Zeit und trete in Kontakt mit deinem Atem. Folge ihm. Wo fängt er an, wo hört er auf? Wie tief geht er? Bis in den Bauch oder ist er auf den Brustraum beschränkt? Wie fühlt er sich an? Wie wirkt er auf deinen Körper ein?
Beobachte deinen Atem eine Weile lang, ohne ihn zu bewerten oder etwas zu verändern. Atme am Schluss tief ein und aus und nimm wahr, wie du dich im Vergleich zu vorher fühlst. Wiederhole die Übung, wann immer sie dir einfällt. Das kann im Zug oder beim Coiffeur sein oder in einer Sitzungspause.
Willst du die Übung vertiefen und die Wirkung verstärken, setze dich zu Hause an einem schönen und ruhigen Ort hin und wiederhole das Ganze etwas ausgiebiger. Überfordere dich aber nicht. Fünf Minuten, in denen du effektiv übst, bringt mehr als 15 Minuten, die du dir täglich vornimmst, aber nie einhältst.
Mehr über den Atem erfahren? Hier findest du zahlreiche Bücher.
(Fortsetzung weiter unten…)
Im Kopf tönt es manchmal wie im Affengehege: Dutzende innere Stimmen kreischen oder plappern durcheinander. Sie wecken in uns den Drang aufzuspringen, um alles sofort zu erledigen, und nehmen uns auf eine Achterbahn der Gefühle mit. Stillsitzen und Achtsamkeit fallen da schwer.
Was hilft: Stell dir deine Gedanken als weisse Wölkchen am Himmel vor. Lass sie vorüberziehen, ohne sie festhalten oder darin eintauchen zu wollen. Sei dir bewusst, dass du jedes Mal die Wahl hast, ob du sie vom Himmel holst und festhältst oder einfach nur auf ihrer Reise am Himmel beobachtest.
Stellst du fest, dass du in einen Gedanken eingetaucht bist, lass ihn wieder los – um zu den anderen vorbeiziehenden Wolken zurückkehren. Falls dir ein anderes Bild einfällt, das für dich besser passt: Nimm das.
Mehr über die Beruhigung des Geistes erfahren? Lies Bücher darüber oder besuche einen Meditationskurs.
Auch diese Übung kannst du jederzeit und überall durchführen. Lausche den Geräuschen in deiner Umgebung. Was hörst du? Vielleicht ein paar Stimmen und parallel dazu Vogelgezwitscher und ein Auto, das sich nähert? Wechsle dann zu den Augen. Was siehst du? Was für Formen, was für Farben sind vorhanden? Was bewegt sich und wie?
Frage dich anschliessend, was du fühlst. Ist die Luft heiss oder kalt, feucht oder trocken? Hast du Gänsehaut oder ist dir warm? Und was riechst, was schmeckst du? Geh alle Sinneskanäle durch – oder auch nur einen, was für dich gerade passt. Alles hilft dir, achtsamer zu werden und mehr Ruhe zu finden.
Auch hier gilt: Nur wahrnehmen und nicht werten. Und würdige kurz die Leistung deiner Sinne und deines Gehirns. Denn was diese alles gleichzeitig wahrnehmen respektive verarbeiten müssen, ist enorm. Gönne dir deshalb auch immer wieder einmal eine Pause.
Probleme mit Sehen oder Hören? Melde dich für einen Seh- oder Hörtest an.
Bist du innerlich zu aufgewühlt, um stillzusitzen, bau eine kleine Gehmeditation ein. Das kann auf dem Weg zum Einkaufen sein, auf dem Weg zu einem Arbeitskollegen im oberen Stock oder auf einem Spaziergang.
Gehe langsam und in einem gleichmässigen Rhythmus. Spüre bei jedem Schritt in deine Fusssohlen hinein. Was nimmst du wahr? Wie ist die Unterlage, auf der du gehst? Mit welchem Teil des Fusses trittst du zuerst auf? Wie ist die Sohle deiner Schuhe? Zu hart, zu weich oder genau richtig? Wie bewegt sich der Rest des Körpers, wenn du gehst? Wie fühlt es sich an, zu gehen?
Gehe auch immer wieder einmal barfuss, wenn sich die Gelegenheit bietet – indoor und outdoor. Einmal Gras unter den Füssen zu spüren anstatt Parkett oder einen Teppich ist eine anregende Abwechslung. Falls du nicht viel spürst: Vielleicht ist es Zeit, die Hornhaut zu entfernen und deine Füsse mit einem schönen Bad und einer pflegenden Creme zu verwöhnen? (Fortsetzung weiter unten…)
Die Tendenz, sein Essen praktisch am Stück herunterzuschlingen, ist in unseren Zeiten gross. Und nicht selten ergeben sich daraus Magen-Darm-Probleme. Denn die Nahrung mit unseren Zähnen zu zerkleinern und mit Speichel zu durchmischen, ist eine wichtige Vorstufe der Verdauung. Achtsam zu kauen, ist also immer eine gute Idee. Und neben dem Körper profitiert auch der Geist. Denn ist er auf die Wahrnehmung beim Kauen fokussiert, kann er keine Probleme wälzen.
Ob beim Znüni-Snack oder beim Zmittag: Kaue also langsam und konzentriere dich dabei darauf, was du schmeckst. Ist dein Essen süss, salzig, sauer? Hat es Gewürze drin? Wenn ja, welche? Wie fühlt sich die Nahrung auf der Zunge an? Wie tönt es, wenn du es mit deinen Zähnen zermahlen? Achte auch darauf, ob du dich vom Ess-Tempo anderer Leute anstecken lassen. Wenn dir das passiert, kehre geistig zu dir selber zurück und finde wieder dein Tempo.
Es gelingt dir an einem Tag, einfach nicht stillzusitzen? Oder deine Gedanken schweifen ständig ab, obwohl du dir Mühe gibst, dich auf den Atem zu konzentrieren? Lass es geschehen, anstatt es zu bekämpfen. Kampf führt in die Unruhe, akzeptiere, was ist, in die Ruhe.
Solltst du dich über dich selber ärgern: Lass den Ärger los und als Wolke Richtung Himmel steigen, wo er mit den anderen Wolken vorüberzieht. Oder zähle auf zehn. Oder auf 100. Denn Achtsamkeit bedeutet auch, dass man liebevoll mit sich selber umgeht. Etwa so, wie ein fürsorglicher Vater oder eine fürsorgliche Mutter ein Kind unterstützt, das gerade lernt, Velo zu fahren.
Schon unsere Ahnen wussten: Manche Kräuter können von innen beruhigen. Neben Achtsamkeitsübungen kann also auch ein Tee eine positive Verfassung unterstützen. Beruhigende und entspannende Mischungen gibt es zum Beispiel mit Passionsblumenkraut oder mit Kamille und Melisse – wahlweise mit Beimischung von Lavendel oder Orangenblüten.
Auch Bachblüten wird eine beruhigende Wirkung nachgesagt. In Kursen kann man lernen, wie man sie richtig mischt und anwendet. In Apotheken sind sie einzeln zu kaufen, es gibt aber auch eine fixfertige Notfall-Mischung. Lass dich beraten, wenn du unsicher bist.
Es führen viele Wege nach Rom – und viele Wege zu mehr Achtsamkeit. Jemandem mag es vielleicht nicht gut gelingen, während einer Meditation stillzusitzen und den Geist zur Ruhe zu bringen, dafür aber beim Kalligrafieren oder Malen von Bildern oder Mandalas. Wieder andere haben diesen Effekt, wenn sie kochen. Oder wenn sie musizieren. Denn wer hat schon Zeit, Probleme zu wälzen, wenn er darauf achten muss, dass die Finger auf der richtigen Saite oder Taste landen?
Auch Sport – das pure Gegenteil von Stillsitzen – kann den Geist beruhigen. Allerdings nur, wenn man ihn im Einklang mit sich selber, also achtsam ausführt. Das heisst, das Tempo ist weder zu schwer noch zu langsam, die Herausforderung weder zu gross noch zu klein. Wenn man sich in diesem Bereich befindet, geht vieles wie von selber. Man befindet sich in einem Flow und schafft beim Joggen die Hügel spielend, kann im Yoga plötzlich anstrengungslos den Kopfstand halten oder merkt im Krafttraining kaum, wie schwer die Gewichte eigentlich sind.
Finde das, was zu dir und zu deinem Naturell am besten passt. Lass dich von anderen inspirieren, aber sei du selbst.
Unsere kleinen Übungen haben dir gefallen und möchtest du tiefer in das Thema eintauchen? Dann besuche doch selber ein Achtsamkeits- oder Mindful-Walking-Training. Oder probiere einen Kurs in Mindfulness-Based Stress Reduction, kurz MBSR aus (einen Erfahrungsbericht lesen). Auch andere Techniken können dabei helfen, zur Ruhe zu kommen, zum Beispiel Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation, Meditation, Shiatsu, Qigong, Yoga und Yoga Nidra.
Falls du ernsthaft zu Hause üben möchten: Ein Meditationskissen ist hilfreich. Falls du auch mal im Liegen praktizieren willst, sind zudem eine Matte und allenfalls eine Decke angenehm. (Fortsetzung weiter unten…)
Die Befragung «Sport Schweiz 2020» hat ergeben: Body-Mind-Aktivitäten, unter die neben Meditation auch das Achtsamkeitstraining fällt, sind hierzulande hoch im Kurs. Zusammen mit Yoga und Pilates liegen sie in der Rangliste der populärsten Sportarten auf Rang 8. In Auftrag gegeben wurde die Befragung vom Bundesamt für Sport, vom Bundesamt für Statistik, von der Beratungsstelle für Unfallverhütung, Swiss Olympic und der Suva.