Hypnotisiert zu mehr Entspannung im Alltag? Unser Kolumnist macht eine Art Selbstversuch.
Leider darf ich dir an dieser Stelle nicht mehr dazu verraten, aber unlängst wurde ich Zeuge eines äusserst verblüffenden Experiments, bei dem es (stark vereinfacht erklärt) darum ging, einer hypnotisierten Person ziemlich starke Schmerzen zuzufügen. Der Hypnose war ich bis zu diesem Zeitpunkt primär in Form von Hallengaudis begegnet, an denen irgendwelche armen Kerle sich als Huhn wähnen und gackernd durch die Reihen hüpfen, ganz zur Freude des unterschwellig immer leicht panischen Publikums. Natürlich hatte ich gewusst, dass Hypnose auch ganz gezielt, etwa zur Überwindung von Ängsten oder bei Suchtproblemen eingesetzt wird, aber erst jetzt wurde mir klar, welch therapeutischen Nutzen dieses Werkzeug haben kann.
Ob es auch der täglichen Entspannung zuträglich sein konnte? Ich fragte YouTube. Und stiess auf ein Video mit etwas über 300 000 Aufrufen, welches «Hypnose für tiefste Ruhe, Entspannung und Vertrauen – gegen Stress» versprach. Das klang doch genau nach meinem Programm, und da die Kommentare überwiegend positiv waren, machte ich mich auf die 55 Minuten lange Reise.
«Hallooo und herzlich willkommen auf Deinem Weg zu innerer Einkehr, tiefer Ruhe und Gelassenheit», begrüsste mich eine Stimme.
«Ich bin Uwe.»
Hallo, Uwe.
«Wenn Du magst, geht es gleich los.»
Ich beschloss, meine Skepsis abzulegen und mich auf Uwe und seinen Weg einzulassen. Ich sollte es nicht bereuen. (Fortsetzung weiter unten...)
In den nachfolgenden 55 Minuten führte mich die Stimme hinab in die Tiefen meines Bewusstseins, liess mich klare Seen und glitzernde Strände visualisieren, und sogar eine Art König, der auf seinem Pferd angeritten kam, und den ich mir ganz automatisch als Gandalf aus dem «Herrn der Ringe» vorstellte. Das alles kam mir weder bemerkenswert noch lächerlich vor, sondern ganz natürlich, und vor allem: enorm entspannend. Die Entspannung hielt sogar an, als mir nach einer Dreiviertelstunde meine sechsjährige Tochter mit Anlauf auf den Bauch hüpfte, nachdem sie von mir unbemerkt die Türe zum Schlafzimmer geöffnet hatte und sich gefragt haben musste, was der Papa da mit Kopfhörer auf den Ohren herumliegt. Was mich normalerweise frustriert den Entspannungsversuch hätte abbrechen lassen, steckte ich jetzt als kleinen Test für meinen auf Nachsicht und Gelassenheit getunten Geist weg. Danke, Uwe.
Seither nehme ich mir immer mal wieder eine Stunde Zeit, um mit Gandalf eine Stunde am Strand zu verbringen. Wie viel das wirklich mit Hypnose zu tun hat, weiss ich nicht. Ist ja auch egal, solange es wirkt. Ich bilde mir jedenfalls ein, deutlich entspannter und gelassener im Alltag unterwegs zu sein. Und als ich mir gestern das Schienbein gegen die Tischbeinkante schlug, kanalisierte ich meinen inneren Uwe und knipste den Schmerz mental weg. Mal sehen, wo das noch hinführt.