Wirken plätscherndes Wasser und zwitschernde Vögel auch dann entspannend, wenn die Geräusche aus dem Kopfhörer kommen? Unser Kolumnist probiert es aus.
Der direkteste Weg zur Entspannung – wir Stadtmenschen wissen es alle – führt über einen Ausflug in die Natur. Wenn der Wind durch die Blätter streift, die Vögel zwitschern und das Bächlein plätschert, ist der Stress des Alltags plötzlich weit weg. Leider ist das lichte Mischwäldchen nicht immer gleich um die Ecke, und der Terminplan lässt höchstens einen Ausflug auf die Toilette zu (immerhin: sanftes Plätschern garantiert).
Ein naheliegender Kompromiss sind Naturgeräusche aus der Konserve. Man muss ja schliesslich nicht im Wald sein, um sich wie im Wald zu fühlen, oder? Ich mache den Test, im Interregio zwischen Zürich und Luzern. Spotify spuckt unter dem Suchbegriff «Naturgeräusche» eine endlose Trackliste aus. Kopfhörer auf. Dann wollen wir mal sehen. Wie wäre es mit ...
Donnerschläge, dazu ein heulender Wind und das Knistern von brennendem Holz. Das mag auf Pyromanen beruhigend wirken, bei mir entfaltet es die gegenteilige Wirkung.
Weiter mit ...
Klingt, als würde man in einem Whirlpool untertauchen. Sanft ist das ganz und gar nicht. Nach einer Minute wirkt das Blubbern nervtötend, ich werde leicht aggressiv. Da muss etwas Ruhiges her, sofort. Vielleicht ...
Ah, eine sanfte Brandung. Viel besser. Aber woher kommen die orchestral-psychedelischen Klänge? Ist ein Sinfonieorchester auf der Insel gestrandet? Das ist mir zu dicht, zu viel.
Über die orthografischen Mängel des Titels schauen wir jetzt mal grossmütig hinweg. Das Klavier ist denn auch traumhafte entspannende, kein Zweifel. Aber wieso ist auch hier eine Brandung zu hören? Steht das Klavier etwa an einem traumhafte Sandestrande? Verdammt, ich denke zu viel. Dabei wollte ich doch entspannen.
Ich weiss schon, dass das nichts bringen wird, aber der Titel ist zu gut, um nicht drauf zu klicken. Klingt zunächst einmal wie ein hundskommunes Gewitter im Mittelland. Von Wölfen keine Spur. Ah, doch, jetzt. Und plötzlich sehr nah. Weg hier. (Lesen Sie unten weiter...)
Entspannungsfaktor: 1
Aufwand-/Ertrag: 2
Suchtpotenzial: 0
Skala von 1 bis 5
Nein, ich sollte nicht googeln, was eine Shakuhachi-Flöte ist. Eine japanische Bambuslangflöte, aha. Ich bleibe auf Wikipedia bei einem Bild von Fuke-Mönchen hängen, die Shakuhachi spielen, während ihre Köpfe in geflochtenen Körben stecken. Warum tun sie das wohl? Schämen sie sich?
Brandung? Woher zum Teufel kommt in den Bergen die Brandung? Und was knarzt hier so komisch? Sollen das Bäume sein, die sich im Wind wiegen? Klingt eher wie ein übergewichtiger Tontechniker, der auf einem Brett hin- und herschaukelt, während er wahllos irgendwelche Wasser- und Windgeräusche zusammenmischt. So geht das nicht.
Haben Sie schon mal einen Kookaburra gehört? Nicht. Ent. Spannend.
Machte Kapitän Ahab einen entspannten Eindruck auf Sie? Nein? Eben.
Fazit: Abbruch. Ich bin definitiv nicht der Typ für Naturgeräusche ab Tonband. Vielleicht habe ich die falschen Tracks ausgewählt, aber in der Regel wirken die Geräusche eher anregend als entspannend. Ich führe das auf mein genetisches Erbe zurück. Kaum einer meiner Vorfahren hätte sich beim Geräusch von brennendem Holz, heulenden Wölfen oder krachendem Donner entspannt zurückgelehnt. Immerhin: Jetzt bin ich schon in Rotkreuz.