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Gesünder leben?

Gesünder leben?

Ein Tässchen stressfreier

Unser Kolumnist hat ein Mittel entdeckt, um die Sorgen des Alltags wortwörtlich verdampfen zu lassen. Er macht sich einen Tee. Einen «Fleisch-Tee», keinen «Wurst-Tee».

Keine Sorge, ich will dich hier nicht von der beruhigenden Kraft der Kamille überzeugen oder dir raten, den Alltagsstress in einem Eisenkraut-Aufguss zu ertränken. Wenn es um Entspannung geht, rate ich dir weniger zum Tee trinken als zum Tee machen.

Darob magst du jetzt erstaunt die Stirn in Falten legen. Was, fragst du dich vielleicht, soll daran entspannend sein, einen Teebeutel in heisses Wasser zu tunken? Womit wir beim entscheidenden Punkt wären.

Tee im Beutel

Vor einigen Monaten erhielt ich Besuch aus China, von Paul, einem schlaksigen Amerikaner, und seiner chinesischen Frau Karen. Die beiden betreiben seit einiger Zeit ein kleines Exportunternehmen für chinesischen Tee, den sie in den Provinzen Yunnan und Fujian höchstpersönlich prüfen, kosten und aussuchen.

Paul brachte mir als Geschenk verschiedene weisse, rote, Pu’er- und Oolong-Tees mit, viele davon in kunstvolle Scheiben und Kugeln gepresst, und während er in unserer Küche stand, und sein kleines Teegeschirr mit heissem Wasser übergoss, schwärmte er vom Potenzial, das der Tee in seinen Augen im Westen noch hat, wo doch die Menschen in Europa und den USA bisher nur den Müll – er sagte wörtlich: «garbage» – probiert hätten.

Mit dem Müll meinte er die Abfallreste der Teeproduktion, die, künstlich aromatisiert, in so manchem Teebeutel landen. Mit Tee habe das nicht viel zu tun, meinte Paul achselzuckend. Aber es scheine den Leuten zu schmecken. Es ist wohl vergleichbar mit Fleisch und Wurst, folgerte ich. Man kann durchaus ein Leben lang Wurst essen – und erst noch richtig gute und schmackhafte Wurst. Aber wer nie ein Steak vom Grill probiert hat, wird niemals wissen, wie gut Fleisch wirklich schmeckt. 

Sekundenschnell parat

Ich nahm mir also vor, dem geschredderten Beuteltee abzuschwören und künftig richtige, unverfälschte, nur von der Sonne, von Feuer und Wind behandelte Teeblätter aufzugiessen. Zugegeben: Mir gefiel auch die andächtige Art, in der Paul die Blätter aus den gepressten Teekuchen brach, zerbröselte, und in ein kleines Teekrüglein füllte, das er mehrmals mit heissem Wasser aufgoss. Mit dem ersten Aufguss wusch er zwei Tassen aus, den zweiten Aufguss liess er fünf Sekunden (!) ziehen, bevor er damit meine Tasse füllte. 

Ich staunte nicht schlecht, war ich es doch gewohnt, den Tee minutenlang ziehen zu lassen. Paul schaute mich nur mitleidig an. Als auch der dritte, vierte und fünfte Aufguss nach nur wenigen Sekunden tief gefärbten und aromatischen Tee produzierte, hatte mein Staunen in religiöse Ehrfurcht umgeschlagen. (Fortsetzung weiter unten...)

Gönn dir eine Auszeit

Bewertung

Entspannungsfaktor: 3
Aufwand-/Ertrag: 2
Suchtpotenzial: 5

Skala von 1 bis 5

Seither trinke ich Tee. Nicht selten anstelle eines Kaffees, oft frühmorgens, manchmal spätabends. Langsam entwickle ich geschmackliche Vorlieben und glaube, feine Unterschiede zwischen verschiedenen Reifegraden des Tees zu erkennen. Vor allem aber freue ich mich jedes Mal auf das Ritual des Teemachens: Das Auspacken und Zerbrechen des Tees, das Aufkochen des Wassers, das erste Über- und Abgiessen, und schliesslich als Krönung den ersten, kurzen Aufguss, die Farbe im Glas und den Geruch in der Luft. Das Teemachen hat sich für mich in eine klassische Achtsamkeitsübung verwandelt, die mich auch den grössten Ärger des Alltags ziemlich schnell vergessen lässt.

So viel Zeit muss sein.

von Lukas Hadorn,

veröffentlicht am 07.12.2017, angepasst am 16.02.2024


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