Menschen mit einem gesunden Selbstvertrauen ruhen in sich selbst, strahlen Sicherheit aus und wirken anziehend auf andere. Die Psychologin Andrea Werlin erklärt, wie man es ein Leben lang weiterentwickeln kann.
Selbstbewusste Menschen strahlen Sicherheit aus. Und: Wenn wir uns selbst schätzen, achten wir auch besser auf uns. Wir ernähren uns gesünder und bewegen uns mehr. Diese Faktoren können unsere Lebenserwartung um mehrere Jahre erhöhen.
Nein, dieser Eindruck trügt, denn auf Social Media wird vor allem das gezeigt, was im Aussen eines Menschen geschieht, und dazu praktisch nur Positives. Das ergibt ein absolut verzerrtes Bild einer Person, das mit ihrer Wirklichkeit nicht viel zu tun hat. In der Psychologie versteht man unter dem Begriff Selbstvertrauen etwas anderes.
Selbstvertrauen ist eng an Selbstwirksamkeit gekoppelt. Je häufiger ich erlebe, dass meine Handlungen etwas bewirken, etwas in Gang setzen oder verändern können, desto grösser wird mein Selbstvertrauen. Das beginnt schon ganz früh: Wenn ein Baby beispielsweise merkt, dass es von A nach B krabbeln kann, verleiht das seinem Selbstvertrauen einen unglaublich grossen Schub.
Die heutige Forschung kann dazu noch keine eindeutige Antwort geben. Ich denke, es gibt eine angeborene Komponente, die man aber sicherlich noch verstärken kann, vor allem in der Kindheit, aber auch später noch.
Eltern sollten ihrem Kind einerseits genug Sicherheit vermitteln, andererseits sollten sie nicht überbeschützend sein, sondern ihm Freiheit geben. Sie sollten zulassen, dass ihr Kind Erfahrungen machen und die Welt erkunden kann, dass es beispielsweise etwas Sand auf dem Spielplatz isst oder den Schulweg zu Fuss läuft. Das sind ganz wichtige Erlebnisse, um ein gesundes Selbstvertrauen aufzubauen.
Ich würde eher sagen, dass Selbstvertrauen Mut generiert, und Mut schafft wiederum Selbstvertrauen. Wenn ich weiss, dass ich etwas gut gemeistert habe, kann ich die nächste Aufgabe mit mehr Sicherheit anpacken.
Es sind Menschen, die neue, herausfordernde, vielleicht auch unangenehme Situationen in Angriff nehmen können, ohne dadurch in Stress zu geraten. Ein gewisser Adrenalinschub gehört manchmal durchaus dazu und ist nötig, damit wir überhaupt ins Handeln kommen. Aber selbstbewusste Menschen wissen, was bei ihnen funktioniert und dass sie es schaffen werden. Darum sind sie nicht gestresst.
In Politik und Wirtschaft finden wir ganz viele Beispiele dafür. Wobei ich sagen muss, dass es auch solche Menschen braucht, die sich durch nichts und niemanden beirren lassen. Mit ihrer Haltung bewirken sie, dass wir uns als Gesellschaft immer weiterentwickeln.
Wichtig ist, dass jemand, der mit viel Selbstvertrauen ausgestattet ist, andere nicht überrollt, sondern sie immer noch respektvoll behandelt. Das ist essenziell. Auf der Welt sollte es Platz haben für alle, für ausführende Menschen genauso wie für selbstsichere Macher und Macherinnen.
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Absolut. Es sind die sogenannten kritischen Lebensereignisse, wie z. B. eine schwere Krankheit, ein Unfall, eine ungewollte berufliche Veränderung, eine Scheidung oder der Tod eines nahen Angehörigen. In einem solchen Moment kann jeder Mensch den Boden unter den Füssen verlieren. Wichtig ist, wie er diese schwierige Situation überwinden kann, z.B. indem er sich Hilfe bei seinem persönlichen Netzwerk oder bei einer externen Fachperson holt.
Wenn ich mich selbst gerne habe und schätze, achte ich auf mich. Ich ernähre mich gesund, bewege mich ausreichend und sorge für geistige Aktivitäten. Diese Faktoren können unsere Lebenserwartung um mehrere Jahre erhöhen. Darüber hinaus haben selbstbewusste Menschen eine positive Ausstrahlung, die anziehend wirkt, so dass sie über ein grösseres soziales Netz verfügen. Die Vorteile zeigen sich auf vielen Gebieten!
Ja, im beruflichen Umfeld ist es ausgesprochen wichtig, dass man selbstbewusst auftritt. Ich bin auch als Job-Coach tätig und stelle immer wieder fest, wie schwer es manchen Menschen fällt, ihre eigenen Verdienste und Stärken als solche zu erkennen und herauszustreichen.
Das Hochstapler-Syndrom zeigt sich tatsächlich vor allem im beruflichen Umfeld. Die Betroffenen zweifeln an sich selbst und fragen sich, ob sie wirklich dazu befähigt sind, die ihnen auferlegten Aufgaben zu erfüllen. Aber eigentlich ist es eine gute Frage, die sich hoffentlich jede Person mal stellen sollte.
Unbedingt. Man sollte nie das Gefühl haben, man habe die Weisheit mit Löffeln gefressen. Man darf ruhig an sich zweifeln und sich fragen, ob man es nicht noch besser machen könnte. Das ist nicht als negative Kritik gedacht, sondern hilft, den eigenen Horizont zu erweitern.
Das lässt sich zum Glück einfach trainieren. Eine schöne und wirksame Methode ist es, sich jeden Abend drei Dinge zu überlegen – und vielleicht auch aufzuschreiben –, die man im Verlauf des Tages gut gemacht hat. Das können ganz unterschiedliche und auch kleine Sachen sein: Ich habe eine Aufgabe angepackt, die ich lange vor mir hergeschoben habe. Ich habe mir Zeit genommen und mit der alleinstehenden Nachbarin geplaudert. Ich habe nur einen statt zwei Teller Spaghetti gegessen. So fokussieren wir bewusst auf alle die tollen Sachen, die uns jeden Tag gelingen.
Ja, ich denke da vor allem an Hausfrauen und -männer. Sie leisten jeden Tag so viel für ihre Familien und für unsere Gesellschaft und stehen kaum je im Rampenlicht. Sie alle dürften viel selbstbewusster auftreten im Wissen um ihre grosse Leistung, die manchen Manager und manche Managerin überfordern würde.