Ab 40 Jahren scheinen die Schriften immer kleiner zu werden. Erst mit der Zeit merkt man, dass dies wohl an den Augen liegt. Ein Arzt erklärt, was man bei Altersweitsichtigkeit tun kann.
Es bleibt fast niemandem erspart: Sogar Menschen, die sich zeitlebens einer guten Sehkraft erfreuten, halten die Zeitung ab dem 40. oder spätestens 45. Altersjahr immer weiter weg von den Augen. Irgendwann werden die Arme zu kurz. Dann müssen sie sich schweren Herzens eingestehen, dass auch sie nun eine Brille benötigen.
Die Altersfehlsichtigkeit ist ein Phänomen, das alle Menschen ungefähr ab der Lebensmitte betrifft. Während junge Menschen viel häufiger beim Blick in die Weite verschwommen sehen, aber oft noch bestens ohne Brille lesen können, ist die Sicht bei älteren in die Nähe beeinträchtigt. Wer zuvor keine Einschränkungen hatte, kann häufig in die Ferne noch scharf sehen – deshalb die Tendenz, kleine Schriften weiter weg von den Augen zu halten.
Schuld an der verschwommenen Sicht ist die Linse. Sie verliert mit zunehmendem Alter immer mehr an Elastizität. Normalerweise ziehen die ringförmig angeordneten Augenmuskeln (Ziliarmuskeln) die Linse beim Fernblick auseinander, sodass sie flacher und weniger gekrümmt ist. So werden die Lichtstrahlen weniger stark gebrochen als beim Blick in die Nähe. Doch wenn die Linse starrer wird, gelingt dies immer weniger. Wie bei einem Fotoapparat, bei dem die Autofokus-Funktion defekt ist, kann sich das Auge dann nicht mehr an veränderte Sehdistanzen anpassen.
Eine vorbestehende Kurzsichtigkeit (Myopie) kann die Altersweitsichtigkeit manchmal für eine gewisse Zeit kompensieren. Wer schon in jungen Jahren ohne Brille immer gut lesen konnte, aber für die Ferne eine Brille benötigte, kann auch nach Einsetzen der Altersweitsichtigkeit ohne Brille in die Nähe scharf sehen. Doch mit dem fortschreitenden Prozess der Alterssichtigkeit wird der Bereich des scharfen Sehens immer kleiner.
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Die meisten Betroffenen behelfen sich dann zuerst einmal mit einer einfachen, günstigen Lesebrille aus der Apotheke oder vom Kiosk. Dagegen sei nichts einzuwenden, sagt Florian Jordi von der Praxis Pilatus Augenärzte in Luzern. Das Einzige, was es zu beachten gebe, sei, dass man keine zu starke Brille erwische. «Eine Überkorrektur kann Kopfschmerzen verursachen.»
Wer schon vor Beginn der Alterssichtigkeit eine Brille benötigte, wird mit diesen sogenannten Fertiglesebrillen allerdings meist nicht glücklich. Denn sie korrigieren weder vorbestehende Sehschwächen wie etwa eine Hornhautverkrümmung noch berücksichtigen sie allfällige Unterschiede zwischen den beiden Augen.
Viele Menschen, die bereits seit Längerem eine Sehhilfe benötigten, entscheiden sich früher oder später für eine Gleitsichtbrille. Damit schauen sie durch den unteren Teil der Gläser in die Nähe und durch den oberen Teil in die Ferne. So müssen sie nicht ständig zwei verschiedene Brillen mit sich herumtragen.
Zudem decken Gleitsichtbrillen auch den mittleren Bereich ab. Der Umgang mit dieser nicht ganz günstigen Sehhilfe braucht aber etwas Angewöhnung. So besteht die Gefahr des Stolperns, weil man normalerweise beim Gehen den Blick in die Ferne richtet und so Unebenheiten oder Gegenstände am Boden leicht übersieht.
Altersweitsichtigkeit kann auch mit Kontaktlinsen kompensiert werden. Besteht gleichzeitig eine Kurzsichtigkeit gibt es verschiedene Möglichkeiten: Trägerinnen und Träger von Linsen für die Ferne können auf die Nähe zusätzlich eine Lesebrille verwenden. Seit einiger Zeit gibt es zudem Gleitsicht-Linsen, die mehrere Zonen mit unterschiedlichen Korrekturen aufweisen.
«Nicht alle vertragen solche Linsen», sagt Florian Jordi. «Und häufig ist die Sicht damit nicht perfekt.» Eine weitere Möglichkeit sei, mit Kontaktlinsen das eine Auge auf die Nähe und das andere auf die Ferne einzustellen. Wird die Differenz aber zu gross, kann das irritierend sein, weil man stets nur mit einem Auge blickt.
Diverse Kliniken bieten heutzutage auch Laser-Behandlungen bei Altersfehlsichtigkeit an. Davon rät Jordi aber ab. «Es handelt sich um einen dynamischen Prozess. Der Sehfehler nimmt von Jahr zu Jahr zu. Die Gefahr ist gross, dass man die Behandlung später wiederholen muss.» Lasern sei vor allem bei Kurzsichtigkeit sinnvoll, nicht bei Altersfehlsichtigkeit. Am meisten würden Personen um das 25. Lebensjahr mit stabilen Brillenwerten davon profitieren.
Im Alter von 65 Jahren ist der Prozess meist abgeschlossen. Die Augenlinse ist dann vollkommen starr. Dann biete sich eine Operation an, bei der die Linse ersetzt wird, erklärt Jordi. Seit einigen Jahren sind sogenannte multifokale Kunstlinsen erhältlich, welche die Anpassungsfähigkeit der körpereigenen Linse zwar nicht erreichen, aber dennoch in verschiedenen Distanzen ein scharfes Sehen ohne Brille erlauben.
«Manche Menschen stehen mit der Brille derart auf Kriegsfuss, dass sie die Operation vorziehen», sagt Jordi. «Die einen finden das Resultat genial, andere sind unglücklich.» Gleichzeitig kann man als Nebeneffekt der Entwicklung eines grauen Stars vorbeugen – einer Trübung der Augenlinse, die mit zunehmendem Alter ebenfalls unweigerlich bevorsteht.