Bei Frauen ist die hormonelle Umstellung der Wechseljahre ein grosses Thema. Bei Männern um die 50 verlaufen sie viel weniger drastisch. Doch auch sie klagen über weniger Lebensenergie und sexuelle Leistungsfähigkeit, so Männerarzt Dr. med. David Zimmermann im Interview.
David Zimmermann: Ich selber benutze die Begriffe Wechseljahre des Mannes oder Andropause nicht. Denn sie suggerieren, dass Männer eine ähnliche hormonelle Umstellung durchlaufen wie Frauen. Das ist aber nicht der Fall.
Bei Frauen führt die Abnahme der Geschlechtshormone innert weniger Jahre zum Ende des Menstruationszyklus und damit zur Unfruchtbarkeit. Bei Männern dagegen nimmt der Hormonspiegel mit zunehmendem Alter kontinuierlich ab, jedoch meist nur gering. Gesunde Männer spüren oft kaum etwas davon. Nur bei rund 5 Prozent der gesunden Männer ist ein deutlicher Testosteronmangel feststellbar. Höher ist die Quote bei Männern mit körperlichen Vorbelastungen. Der Mangel kann sich durch Symptome wie Tagesmüdigkeit, Antriebslosigkeit, Libidoverlust oder Erektionsstörungen bemerkbar machen. Anders als Frauen können Männer aber unabhängig vom Hormonspiegel noch bis ins hohe Alter zeugungsfähig sein.
Ein grösseres Risiko besteht bei Übergewicht, Bluthochdruck oder Diabetes – alles Krankheiten, die bei Männern ab 50 sehr verbreitet sind. Unabhängig vom Alter können aber auch Störungen der Hirnanhangsdrüse, eine Schädigung der Hoden oder eine frühere Chemotherapie zu einem Testosteronmangel führen.
Routinemässig finde ich das nicht sinnvoll. Doch wenn die oben genannten Symptome auftreten und ein Verdacht auf Hormonmangel besteht, ist ein Test gerechtfertigt. Es handelt sich um eine einfache Blutuntersuchung, die idealerweise um elf Uhr morgens erfolgt. Ein einmaliger niedriger Wert muss jedoch durch eine zweite Analyse bestätigt werden, denn gewisse Schwankungen sind normal.
Bei Übergewicht versuche ich die Betroffenen zuerst einmal für eine Verbesserung ihres Lifestyles zu gewinnen: mehr Bewegung und gesündere Ernährung, weniger Alkohol und nicht rauchen. Manche brauchen jedoch eine unterstützende Hormonersatztherapie. Sie kann den Betroffenen etwas mehr Antrieb verleihen und somit ihre Motivation steigern. Wenn sich die Männer wieder vitaler fühlen, treiben sie mehr Sport und nehmen auch eher ab. Die Optimierung des Körpergewichts kann die Hormonsituation enorm verbessern. Umgekehrt kann aber auch der Testosteronmangel selber Übergewicht begünstigen.
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Es kann zu einer Zunahme der roten Blutkörperchen kommen, wodurch das Blut vereinfacht gesagt dickflüssiger wird. Dies führt zu einem höheren Risiko für Thrombosen und Embolien. Zudem kann eine Testosteronersatztherapie zu einer Hemmung der Spermienproduktion und somit zu Unfruchtbarkeit führen. Auch eine Vergrösserung der Brustdrüsen (Gynäkomastie) sowie Reizbarkeit können auftreten. Nicht belegt ist hingegen, dass unter der Hormontherapie das Risiko für Prostatakrebs steigt. Dennoch empfiehlt sich eine jährliche Prostatauntersuchung. Bei korrekt gestellter Diagnose und regelmässigen Kontrollen überwiegen aber meiner Meinung nach die Vorteile. Das Ziel ist jedoch stets, die Therapie irgendwann wieder absetzen zu können.
Es gibt zahlreiche Angebote von Mitteln, welche die Manneskraft steigern sollen. Mir sind aber keine bekannt, deren Wirkung wissenschaftlich erwiesen ist.
Ja, zum Teil wohl schon. Manche Männer um die 50 setzen sich selber unter Druck und wollen es nicht hinnehmen, dass sich mit dem Älterwerden auch die Sexualfunktionen verändern können. Dennoch ist das Alter keine alleinige Erklärung für eine Potenzstörung. Meist gibt es noch andere Gründe wie etwa Gefässverkalkungen, Rauchen, Bewegungsmangel, bestimmte Medikamente sowie ungesunde Ernährung. Sexualität hat zudem stark mit psychologischen Faktoren zu tun. Auch Stress oder depressive Verstimmungen wirken sich negativ auf die Lust und die Erektionsfähigkeit aus. Deshalb sollten Männer ihre Hoffnungen nicht ausschliesslich auf eine Hormontherapie setzen, sondern gut auf Ihre psychische und körperliche Gesundheit achten. Das Altern lässt sich bekanntlich nicht verhindern, aber sicherlich durch einen gesunden Lebensstil positiv beeinflussen.