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Gesünder leben?

Gesünder leben?

Wie erkenne ich narzisstische Menschen?

Narzissmus – ein wenig davon steckt in den meisten von uns. Was hat es damit auf sich? Ab wann ist es krankhaft? Und wie ist eine Beziehung mit Narzisstinnen und Narzissten möglich? Ein Experte für narzisstische Persönlichkeitsstörungen gibt Antwort.

Was versteht man unter Narzissmus?

Der Selbstwert eines Narzissten oder einer Narzisstin ist fragil und gerät zum Beispiel durch – auch vermeintliche – Kritik schnell ins Wanken. Um sich selbst grösser zu fühlen, wird das Gegenüber klein gemacht. Deshalb wirken narzisstische Menschen im Alltag oft wenig empathisch, überhöhen sich, nützen andere aus oder setzen sich über sie hinweg. Narzissmus hat zwei Extremzustände: Bei einem Erfolg schwebt die Person auf einer grandiosen Wolke und erwartet eine Sonderbehandlung. Umgekehrt kippt die Stimmung bei einem Misserfolg ins bodenlose Negative und die Person denkt: «Ich kann nichts. Ich bin nichts.»

Wie viel Narzissmus ist noch im normalen Bereich und ab wann ist er krankhaft?

Wir alle haben das Bedürfnis, uns als gut, bedeutsam, interessant und vielleicht mächtig zu erfahren. Wie extrem wir dieses Bedürfnis stillen müssen und wie flexibel wir darauf reagieren können, ist entscheidend. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist, wenn die betroffene Person oder das Umfeld darunter leiden.

Welche Verhaltensweisen sind typisch narzisstisch?

Beim krankhaften Narzissmus «Zuckerbrot und Peitsche»: Weil die narzisstische Person dich braucht, gibt sie dir das Gefühl, der oder die Beste zu sein. Im nächsten Moment entwertet sie dich wieder, um sich besser zu fühlen und die Kontrolle zu behalten. Damit du bleibst, sind narzisstische Menschen geschickt und manipulativ, wenn auch unabsichtlich. Ich möchte diese Personen hier entlasten. Es geht ihnen nicht gut. Auch wenn es anders wirkt. Sich selbst schützen muss man trotzdem. Wenn man sich jemandem ausgeliefert fühlt, gilt es, hellhörig zu werden.

Was sind die Ursachen von Narzissmus?

Da muss ich etwas ausholen: Meiner Meinung nach gibt es keine ganz spezifischen Ursachen. Jedoch findet man bei vielen in der Kindheit Auffälligkeiten in der Beziehung zu den primären Bezugspersonen, zum Beispiel den Eltern. Elementare Bedürfnisse des Kindes nach Nähe, Verständnis und dem Kennenlernen der eigenen Gefühle wurden nicht gestillt. Zum Beispiel: Ein kleiner Junge fällt hin und weint. Die Bezugsperson reagiert mit: «Hör doch auf zu weinen!», statt das Kind zu trösten. Die Emotion wird für invalide, unpassend erklärt. Das Kind versteht sich selbst nicht, weil es nicht lernt, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu benennen. Das bleibt im Erwachsenenalter und führt zu Entfremdung. Teils hatten meine Patientinnen und Patienten instabile Eltern und mussten sich früh sehr erwachsen verhalten. Sie umsorgten beispielsweise jüngere Geschwister. Sie waren für die Familie wichtig, aber nicht wegen ihrer Person, sondern wegen dem, was sie leisteten. Das ist aber eine persönliche Beobachtung …

Kommen die Menschen wegen Narzissmus oder eher wegen anderer Krankheiten wie Depressionen, die häufig damit einhergehen, in die Therapie?

Bis jetzt kam niemand und meinte: «Ich glaube, ich bin narzisstisch.» Ich habe meistens die gescheiterten Narzisstinnen und Narzissten, die depressiv sind oder eine Angststörung haben.

Sagen Sie es Ihren Patientinnen und Patienten überhaupt, dass sie narzisstisch sind?

Ja, aber erst mit der Zeit. Meistens bricht der Narzissmus auch in den Sitzungen durch. Beispielsweise sagt die Person etwas und ich ziehe mich sofort innerlich zurück. Das spreche ich an: «Haben Sie bemerkt, wie gerade eine Distanz entstand?» Dann reden wir darüber. Ich sage nicht: «Sie sind narzisstisch.» Ich probiere, dass sie selbst darauf kommen.

Das Etikett Narzisst möchte sich wohl niemand antun.

Die Offenbarung einer Diagnose hat zwei Komponenten: Einerseits ist es eine Stigmatisierung, wobei man die auch bei Depressionen, Angststörungen und weiteren Störungen hat. Andererseits sind viele froh, einen Namen zu haben für das, was sie belastet. Bei pathologischem Narzissmus lernen sie, dass es eine Krankheit ist. Sie fühlen sich weniger alleine, weil es andere Betroffene gibt.

Wie kann man Narzissmus therapeutisch behandeln?

Über die Interaktion: Was passiert in der Therapie mit mir als Therapeut und mit dir als betroffener Mensch? Ich sagte mal einem Patienten: «Heute hatte ich überhaupt keine Lust auf die Therapie mit Ihnen.» Das war sehr konfrontativ. Natürlich erklärte ich es ihm im Anschluss. Dieser Patient war implizit sehr fordernd in den Sitzungen. Er war eher still und wollte, dass ich ihn weitertrage, stütze, schlaue Fragen stelle, die ihn weiterbringen. Ich sagte ihm, dass ich das schade finde und dass wir in der Sitzung gemeinsam daran arbeiten können.

(Fortsetzung weiter unten…)

Können sich narzisstische Menschen ändern?

Kann das überhaupt jemand? (lacht)

Ich weiss es nicht (lacht). Sie sind der Experte. Bis zu einem gewissen Grad vielleicht?

Ich würden sagen: Einmal Narzisst, immer Narzisst. Man kann seine Persönlichkeit nicht ändern, Verhaltensmuster jedoch schon. Sonst würde niemand in die Therapie kommen. Ich kann meine Partnerin oder meinen Partner im narzisstischen Motiv stützen. Etwa das benötigte Lob aussprechen, solange es authentisch ist … Es braucht von beiden Seiten ein Problembewusstsein, um es anzupacken.

Gibt es typische «Opfer» von Narzisstinnen und Narzissten?

Unsichere, ängstliche Personen, denen leicht vermittelt werden kann, dass bei ihnen etwas falsch läuft und nicht umgekehrt. Solchen Personen fällt es schwer, wieder aus einer solchen Beziehung herauszukommen. Grundsätzlich kann es allen passieren und man trägt keine Schuld daran.

Ist es Ihrer Ansicht nach möglich, mit narzisstischen Menschen eine glückliche Liebesbeziehung zu führen?

Ja, aber man muss es sich erkämpfen. Nur wenige Menschen sind so narzisstisch, dass es nicht geht. Als Partner oder Partnerin muss man sich im Klaren sein: «Was geht in mir vor? Was löst es in mir aus?» Und die Stärke haben, das anzubringen. Darauf zu bestehen und Konflikte anzugehen. Weil narzisstische Personen versuchen, uns Dinge wieder wegzunehmen, indem sie uns Glauben machen, dass es keine Grundlage für diese Gefühle oder Bedürfnisse gibt und dass bei uns selbst etwas falsch ist. Es ist wichtig, dem Gegenüber klarzumachen, was in uns ausgelöst wird.

Dafür braucht es ein gewisses Mass an Empathie. Können sich Menschen mit schwerem Narzissmus ausreichend ins Gegenüber versetzen?

Ja, die meisten sind dazu fähig. Mit einem Mindestmass an Intellekt können sie es zumindest rational nachvollziehen. Es mag im ersten Moment nicht so wirken, als käme Empathie zurück. Aber es heisst nicht, dass gar nichts ankommt. Du musst sehr geerdet und selbstsicher sein als Partner oder Partnerin. Dir über deine eigenen Gefühle im Klaren sein und dich nicht beirren lassen. In Extremsituationen musst du dich abgrenzen können und sagen: «Stopp! So geht es nicht. Jetzt bin ich verletzt und brauche eine Pause.» Narzisstische Personen möchten Dinge zu Tode diskutieren, um den eigenen Willen durchzusetzen.

Lassen sich narzisstische Menschen überhaupt auf reflektierte, selbstbewusste Personen ein?

Pathologische Narzisstinnen und Narzissten wohl eher nicht.

Was kann man Positives über narzisstische Menschen sagen?

Gerade in langjährigen Freundschaften lernt man die destruktive Seite vielleicht nicht kennen. Die narzisstische Person fühlt sich bei einem sicher und muss nicht alle Register ziehen, um den Selbstwert zu stützen. Weil sie einem ein gutes Gefühl geben möchte, kann man eine geniale Zeit miteinander haben.

Weil narzisstische Menschen ihren Fokus auf die anderen legen, sind sie geübt darin, deren Motive zu beurteilen. Sie haben eine beeindruckende Beobachtungsgabe hinsichtlich Einschätzung anderer Menschen und bemerken Dinge schnell, die anderen erst viel später auffallen würden. 

Intelligente Narzisstinnen und Narzissten sind überzeugend und mitreissend. Im beruflichen Kontext sind sie fleissig und haben aufgrund der hohen Ansprüche an sich selbst viel Knowhow. Die Kompetenz, die sie ausstrahlen, fasziniert mich. Weil sie sehr gute auf der Bühne reden können, hört man ihnen gerne zu. Deshalb trifft man sie häufig in Führungspositionen, auf der Bühne, in der Politik ...

Narzissmus kann ein grosser Antrieb und Motivator sein. Narzisstische Menschen können Dinge vorantreiben, sich durchbeissen. Viele Erfolge in der Gesellschaft basieren darauf. Ich finde es sehr wichtig, dass man den Narzissmus aus der pathologischen Ecke rausholt, denn das ist er in den wenigsten Fällen. Die meisten kommen ganz gut durchs Leben, auch wenn sie narzisstische Züge haben.

Ihre besten Tipps im Umgang mit Narzissmus?

Es sind keine bösen Menschen. Ich muss das fragile Selbst von diesen Personen erkennen. Wenn mir das gelingt, habe ich gewonnen. «Du fühlst dich klein. Deshalb musst du mich abwerten.» Ich weiss, wo die Abwertungen herkommen und dass es nicht an mir liegt. Ich glaube, das ist der Trick …

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von Murielle Bona,

veröffentlicht am 11.09.2023


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