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«Jung Erkrankte sind zu fit, um nichts mehr zu tun»

Die Psychiaterin Marion Reichert über Betreuungsmöglichkeiten, Herausforderungen und Chancen bei Demenz-Früherkrankung.

Zeigt sich eine Demenz bei jungen Menschen anders als bei älteren?

Die Krankheit verläuft bei ihnen meist schneller. Zudem stehen bei jüngeren Patienten öfter Demenzformen im Vordergrund, deren Beginn mit einer Veränderung der Persönlichkeit, etwa Antriebslosigkeit, Traurigkeit oder abnehmende Empathie einhergeht. Die Krankheit wird bei jüngeren Betroffenen auch oft mit einer Depression oder einem Burnout verwechselt und erst sehr spät erkannt.

Liegt das daran, dass jung Erkrankte körperlich oft noch sehr fit sind?

Ja, unter anderem. Das junge Alter erschwert die Integration in gängige Betreuungsstrukturen – Altersheime oder Tagesstätten. Denn Demenzpatienten sind nicht auf jüngere Demenzpatienten eingestellt.

Welche sind die grössten Herausforderungen?

Mit 50 die Diagnose einer unaufhaltsamen Krankheit zu erhalten, ist eine Katastrophe. Wir haben das Gefühl, dass wir nach der Pensionierung endlich das Leben geniessen, viel reisen und mehr Zeit für die Familie haben werden. Zu erkennen, dass dies alles so nicht mehr möglich ist und Fähigkeiten und Selbständigkeit verloren gehen, löst viele Ängste und Trauer aus. Es ist wichtig, dass die Angehörigen früh miteinbezogen werden. Ich rate bei meinen Sprechstunden stets, dass die Familie und vor allem auch die Kinder dabei sind. Sie merken es auch, wenn sich ein Elternteil verändert und der Papa langsam entschwindet. Die Familie ist die grösste Ressource der Betroffenen, auch sie braucht Unterstützung.

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Wie kann man auf die speziellen Bedürfnisse eingehen?

Vor allem das Gefühl der finanziellen Unsicherheit ist sehr belastend. Es ist ein schier unerträglicher Druck, wenn man nach der Diagnose den Job verliert und Angst hat, die Miete nicht mehr bezahlen zu können. Da finde ich es wichtig, dass die Invalidenversicherung, die letztlich zum Tragen kommt, möglichst schnell Abklärungen trifft. Wir müssen auch versuchen, die Betroffenen so lange wie möglich in ihrem Arbeitsprozess zu belassen. Die soziale Anbindung ist enorm wichtig. Es gibt schöne Beispiele dafür, wie Betriebe sich engagieren. Leider ist das in einer Gesellschaft, in der alles schnell gehen muss, nicht immer möglich. Doch jung Erkrankte sind einfach noch zu fit, um nichts mehr leisten zu dürfen.

von Manuela Enggist,

veröffentlicht am 05.05.2020


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