Manchen geht es nicht schnell genug, andere würden es auf keinen Fall tun: 5-11-jährige Kinder gegen Covid-19 impfen. Die Meinungen zur Kinderimpfung gehen auch unter Ärzten auseinander. Hier die Fakten.
Dieser Artikel gibt den Stand der Erkenntnisse vom Januar 2022 wieder.
Die Impfung soll die Kinder vor «fast immer milden und äusserst selten schweren Covid-Erkrankungen beziehungsweise Komplikationen» schützen, sagte Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF), Mitte Dezember. Ausserdem diene sie dem Zweck, negative Folgen der Pandemie-Massnahmen wie Quarantäne oder Isolation zu reduzieren. Kinder, die nicht geimpft sind, sollten keine gesellschaftlichen Nachteile in Kauf nehmen müssen, forderte die EKIF.
Von allen Altersgruppen haben die Fünf- bis Elfjährigen laut Christoph Berger das kleinste Risiko, wegen Covid-19 ins Spital zu kommen, denn Covid-19 ist bei ihnen fast immer mild. Die meisten Infektionen in dieser Altersgruppe verlaufen ohne Symptome. In der Schweiz und in Deutschland, gab es bei den 5- bis 11-Jährigen bisher keinen Todesfall wegen Covid-19. Selbst bei Vorerkrankungen sei das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bei Kindern und Jugendlichen extrem niedrig. Darauf wies die «Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin» im Mai 2021 hin. Von allen bisher in der Schweiz fast 270’000 positiv getesteten jungen Menschen bis 19 Jahren wurden bislang etwa 725 mit oder wegen Covid-19 hospitalisiert und drei starben.
In Deutschland wurden seit Beginn der Pandemie mehr als 1,2 Millionen Kinder und Jugendliche positiv auf das Coronavirus getestet. Davon mussten 118 auf eine Intensivstation. Etwa acht von mehr als 1,2 Millionen positiv getesteten Kindern starben an Covid-19. Bei Kindern ohne Vorerkrankungen traten keine Todesfälle auf. Das Risiko, dass ein Kind Opfer eines Verkehrsunfalls wird, war höher.
Die Angaben in verschiedenen Fachartikeln unterscheiden sich sehr stark: Von etwa 10'000 bis 100’000 Kindern erkrankt demnach eines sehr schwer an Covid-19 und ein junger Mensch von 50’000 bis zwei Millionen stirbt daran. Zum Vergleich: An den Masern sterben 10 bis 30 Kinder pro 100’000 Erkrankte. In den USA starben bisher weniger als 0,003 Prozent der Kinder an Covid-19. Bei der Schweinegrippe waren es schätzungsweise 0,007 Prozent. Offen ist, wie oft Covid-19 allenfalls Spätschäden hervorrufen kann.
Wie bei den Erwachsenen erkranken am ehesten Kinder mit chronischen Krankheiten schwer an Covid-19, insbesondere Kinder mit sehr starkem Übergewicht, mit sogenannten Multisystemerkrankungen wie Trisomie 21 oder Kinder im Endstadium einer schweren Krankheit.
PIMS ist die Abkürzung für «Pädiatrisches Inflammatorisches Multisystem Syndrom». Auf Deutsch eine starke Entzündungsreaktion, die an verschiedenen Stellen im Körper auftritt. Sie ist mittlerweile gut behandelbar. PIMS ist eine Überreaktion des Immunsystems. Wochen nach einer Covid-19-Infektion, die auch ohne Symptome unbemerkt vonstatten gehen kann, kommt es bei den betroffenen Jugendlichen zu hohem Fieber, oft auch zu Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall und Hautausschlägen. Von den in der Schweiz bisher fast 270 000 positiv auf das Coronavirus getesteten Kindern (und denen, bei denen die Infektion unbemerkt verlief ) erkrankten etwa 100 an PIMS. Anderen Quellen zufolge soll eines von 5’000 infizierten Kindern davon betroffen sein (wobei PIMS hellhäutige Kinder seltener betrifft als schwarze oder lateinamerikanische Kinder). Die meisten dieser PIMS-Patientinnen und -Patienten mussten ins Spital und etwa die Hälfte auf eine Intensivstation. Kein Kind verstarb an PIMS, aber laut einer Auswertung in Deutschland hatten etwa 45 Prozent bei der Entlassung noch Symptome oder Folgeschäden.
Das ist unklar. Je nach Studie sind zwei bis vier Prozent der Kinder davon betroffen. Oft geht aus den Studien aber nicht klar hervor, ob ihre Symptome wirklich von der Infektion mit Sars-CoV-2 herrühren oder von den belastenden Umständen, die mit der Pandemie verbunden sind. Denn in manchen Studien sind Kinder, die Covid-19 hatten, nicht öfter von «Long Covid» betroffen als Kinder, die kein Covid-19 hatten.
In den Impfstudien wurden bis Ende 2021 etwa 3100 Kinder geimpft. Die Hälfte von ihnen bekam die Impfung, die andere ein Plazebo gespritzt. Nach rund zwei Monaten wurde verglichen. Von den geimpften Kindern erkrankten zwei von 1000. Von den Kindern, die Plazebospritzen bekommen hatten, erkrankten 22 von 1000. Sie hatten Fieber, Husten oder ein anderes Symptom. Kinder mit verschiedenen schweren Vorerkrankungen durften nicht an dieser Studie teilnehmen. «Weil Kinder und Jugendliche sehr selten schwere Covid-19-Verläufe haben, ist der individuelle Nutzen für sie – wenn überhaupt vorhanden – sehr klein», heisst es in einem Fachartikel vom Juli 2021.
Dazu gibt es derzeit keine Studiendaten für die Fünf- bis Elfjährigen. «Die Wirksamkeit gegen Infektion und möglicherweise Übertragungen wird in Analogie zu Erwachsenen von kurzfristiger Dauer sein, und die Impfung von Kindern wird einen begrenzten Effekt auf die Viruszirkulation in der Bevölkerung haben», schreiben das BAG und die EKIF.
In der Kinder-Impfstudie erkrankte bis zur Zwischenauswertung gar kein Kind schwer, weder bei den geimpften Kindern, noch bei denen, die Plazebo erhielten. Deshalb lassen sich noch keine Schlüsse ziehen, wie gut die Impfung Kinder vor schweren Verläufen schützt. Laut dem BAG ist aber anzunehmen, dass die Impfung schwere Erkrankungen auch bei Kindern verhindert. Die Wirkung der Impfung gegen «Long Covid» wurde in der Studie nicht untersucht.
Das ist noch nicht bekannt. Von infizierten Kindern – insbesondere von solchen, die keine Symptome haben – würden insgesamt weniger Menschen angesteckt als von infizierten Erwachsenen. Das schrieben mehrere deutsche kinderärztliche Fachgesellschaften in einer Stellungnahme Ende November. Andere Fachleute bezweifeln das. Die deutsche Impfkommission STIKO vermutet, dass die Impfung von fünf- bis elfjährigen Kindern auf die Ausbreitung von Covid einen geringen Effekt hat. Entscheidend sei die Impfquote der Erwachsenen. Die Impfung schützt nicht sicher davor, dass geimpfte Kinder keine Sars-CoV-2-Viren mehr übertragen.
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Kindern, die wegen einer chronischen Erkrankung gesundheitlich schon stark belastet sind, wird die mRNA-Impfung empfohlen, «wobei hauptsächlich Kinder von der Impfung profitieren können, die schwer beeinträchtigt sind und deren Zustand instabil ist», heisst es beim Fachverband «pädiatrie schweiz». Empfohlen wird die Impfung auch denjenigen Kindern, in deren Umfeld besonders gefährdete Personen leben, die sich – zum Beispiel wegen einer schweren Immunschwäche – nicht selbst ausreichend schützen können.
Die Eltern von gesunden Kindern sollten abwägen, wie das Verhältnis von Nutzen und Risiko für ihr Kind ist. Wenn sie zum Schluss kommen, dass der Nutzen überwiegt, dann empfehlen das BAG und die EKIF die mRNA-Impfung des Kindes.
In Deutschland rät die Impfkommission STIKO nicht zur generellen Impfung von Fünf- bis Elfjährigen. Sie empfiehlt aber, Kinder mit verschiedenen Vorerkrankungen zu impfen. Dazu zählen unter anderem angeborene schwere Herzfehler, schweres Asthma, Trisomie 21, Immunschwäche, sehr starkes Übergewicht oder Tumorerkrankungen. Auch die STIKO empfiehlt, Kinder zu impfen, in deren Umfeld Personen mit einem hohen Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung leben.
Kinder, die gerade Fieber haben oder die gerade in Quarantäne sind, sollten erst nach dem Ende des Fiebers beziehungsweise der Quarantäne geimpft werden. Falls das Kind eine Allergie gegen einen der Inhaltsstoffe der Vakzine hat oder früher schon einmal eine schwere allergische Reaktion hatte, sollten die Eltern sich am besten mit einer Fachärztin oder einem Facharzt für Allergologie und Immunologie beraten. Wenn das Kind eine Blutgerinnungsstörung hat oder bestimmte andere Krankheiten, die hier aufgelistet sind (Link auf Englisch), sollten sich die Eltern ebenfalls ärztlich beraten lassen.
Leidet das Kind an Neurodermitis, sollte man möglichst nicht dann impfen, wenn die Haut einen akuten Entzündungsschub macht. Kinder unter fünf Jahren sollten keine Covid-19-Impfung erhalten, rät das BAG.
Etwa ein Viertel der Kinder hatte bis Mitte Dezember vermutlich schon Corona. Gesunden Kindern wird nach durchgemachter Sars-CoV-2-Infektion keine Impfung empfohlen, weil kein zusätzlicher Nutzen ersichtlich sei, heisst es bei Kinderärzte Schweiz. Wenn die Eltern das Kind aber trotzdem impfen lassen möchten, darf dies gemacht werden. Kinder, denen die Impfung nahegelegt wird – aufgrund ihrer Vorerkrankungen oder wegen besonders gefährdeten Personen im Umfeld – wird nach durchgemachter Infektion eine Impfdosis empfohlen.
Kinder, die reif genug sind, um solche Entscheidungen zu treffen, dürfen sich in der Schweiz ab dem Alter von zwölf Jahren auch gegen den Willen ihrer Eltern impfen lassen.
In der Schweiz ist nur der mRNA-Impfstoff von Pfizer/Biontech für Kinder ab fünf Jahren zugelassen. Die Vakzine von Moderna sind ab 12 Jahren zugelassen. Das BAG empfiehlt aber, bei Personen unter 30 Jahren bevorzugt den Impfstoff von Pfizer/Biontech zu verwenden.
Ja. Die Impfung für Kinder von fünf bis elf Jahren enthält nur ein Drittel der Dosis der Erwachsenen. Das sind zehn Mikrogramm anstelle von 30 Mikrogramm. Zudem sind die Zusatzstoffe im Impfstoff für Kinder andere als bei Erwachsenen, so dass er stabiler ist und bis zu zehn Wochen bei Kühlschranktemperaturen aufbewahrt werden kann.
Sie werden zweimal im Abstand von drei bis sechs Wochen mit der Kinderdosis geimpft. Kinder, die schon einmal positiv auf Corona getestet wurden und die Vorerkrankungen haben, wird nur zu einer Impfdosis im Abstand von mindestens drei Monaten zur Infektion geraten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO appellierte im Mai 2021 an die reichen Länder, Impfstoff an Risikopersonen in armen Ländern zu spenden, anstatt Kinder zu impfen.
In der Impfstudie hatten etwa acht von 1000 Kindern eine überempfindliche Reaktion und neun von 1000 hatten teils länger geschwollene Lymphknoten. 730 von 1000 geimpften Kindern berichteten von Reaktionen an der Einstichstelle und etwa 510 von 1000 bekamen vorübergehend Fieber, Schüttelfrost, Kopfweh, Muskelschmerzen oder andere Symptome. Nach der Plazebospritze hatten 320 von 1000 Reaktionen an der Einstichstelle und 370 von 1000 körperliche Symptome wie Fieber. Nachlesen kann man das auf der Website www.gesundheitsinformation.de.
In den USA wurden vom 3. November bis 19. Dezember 2021 rund 8,7 Millionen Impfdosen an fünf- bis elfjährige Kinder verabreicht. In dieser Zeit gingen dort 4249 Berichte über vermutete Nebenwirkungen ein. 4149 wurden als nicht schwerwiegend eingestuft. Zu den 100 als schwer beurteilten, vermuteten Nebenwirkungen zählten epileptische Anfälle und Herzmuskelentzündungen, die auszuheilen schienen. Wie viele Nebenwirkungen nicht gemeldet werden, ist unbekannt. Laut BAG und EKIF zeigen die aktuell zur Verfügung stehenden Daten, dass die Impfung für die Kinder sicher ist.
In der Impfstudie traten keine schweren Nebenwirkungen auf. Allerdings war sie zu klein, um seltene oder sehr seltene Nebenwirkungen erkennen zu können. Verlässliche Aussagen zu Nebenwirkungen, die seltener als einmal in 100 oder 200 auftreten, seien nicht möglich, schreibt die deutsche Impfkommission STIKO. Deshalb «besteht hinsichtlich der Sicherheit des Impfstoffs in dieser Altersgruppe noch keine ausreichende Datenlage zu seltenen oder gar sehr seltenen unerwünschten Wirkungen». Um mögliche seltene, schwere Nebenwirkungen festzustellen, sollten Verdachtsfälle rasch gemeldet werden.
Das ist noch offen. Im Mittel dauerten Impfstudien mit neuen Vakzinen für Kinder bisher etwa 23 Monate. Die Covid-19-Impfstudie jetzt gibt die Resultate nach gut zwei Monaten wieder.
In den USA wird sie bereits vorgenommen, in der Schweiz noch nicht. Eine Schätzung des Herstellers Pfizer/Biontech gibt Anhaltspunkte, was der Booster für Jugendliche bringt: Demnach verhindere das Impfen von einer Million Jugendlichen im Alter von 16 bis 17 rund 13 900 bis 43 150 Covid-19-Erkrankungen und 29 bis 69 Hospitalisationen. Aber: Die Impfung führe als Nebenwirkung bei schätzungsweise 23 bis 69 der geimpften männlichen 16- bis 17-Jährigen zu einer Herzmuskelentzündung. Bezieht man 16- bis 17-Jährige beiderlei Geschlechts ein, sind mutmasslich elf bis 54 Fälle von Herzmuskelentzündungen zu erwarten.