Melatonin, das «Schweizer Sackmesser» unter den Hormonen, regelt nicht nur unseren Schlaf, sondern schützt uns auch vor freien Radikalen, senkt den Blutdruck und den Cholesterinspiegel.
Wer nachts nicht gut ein- oder durchschlafen kann, weiss wie man sich am nächsten Tag fühlt: wenig erholt, müde, gerädert. Fast jeder dritte Schweizer leidet unter Schlafproblemen. Das kostet die Wirtschaft zwischen 4,9 und 8,6 Milliarden Franken pro Jahr – hat eine Studie ergeben. Aber nicht nur das. Schlaflosigkeit ist die Ursache für viele psychische wie körperliche Erkrankungen.
Verantwortlich für unseren Schlaf-wach-Rhythmus ist ein Hormon. Es ist ein ganz besonderes: Melatonin. Es wird hauptsächlich in der Zirbeldrüse gebildet. Über die Netzhaut des Auges werden Lichtimpulse an unsere innere Uhr, den Nucleus suprachiasmaticus – SCN – weitergeleitet, der eine Art Schaltzentrale unseres Gehirns ist.
Der SCN ist wiederum mit der Zirbeldrüse verbunden. Dort wird das Melatonin vor allem in der Nacht gebildet. Und das ist auch schon das Problem: Es gibt kaum noch völlige Dunkelheit.
Mittlerweile sprechen Wissenschaftler schon von Lichtverschmutzung, unter der vor allem Menschen in der Stadt leiden. Leuchtreklamen, Strassenlaternen, das Licht der Autos – das alles dringt in unsere Schlafzimmer. Vor allem aber auch der abendliche Gebrauch von Smartphones, Computer oder Tablets flutet uns mit Licht. Und das signalisiert der Zirbeldrüse: Es ist Tag. Die Melatonin-Produktion muss noch nicht anspringen!
Auch die Nachttischleuchte, die Zeitanzeige des Radioweckers, vor allem auch das blaue Licht von LED-Lampen, das uns in den Abend begleitet, hemmen die Entstehung des Schlafhormons. (lesen Sie unten weiter...)
Melatonin steuert aber nicht nur unseren Schlaf, sondern schützt den Körper vor freien Radikalen. Erst Mitte der 1950er Jahren entdeckt, kommt die Forschung heute zu erstaunlichen Erkenntnissen über das «Schweizer Sackmesser» – die Allzweck- und Wunderwaffe – unter den Hormonen: Es stärkt unser Immunsystem, senkt den Blutdruck und den Cholesterinspiegel und hilft so Herzerkrankungen vorzubeugen.
Aktuelle Studien beweisen: Es wirkt auch unterstützend in der Tumortherapie, hilft bei Diabetes und Migräne sowie bei chronischen Schmerzen, Augenerkrankungen oder Unfruchtbarkeit und beugt Depressionen und Alzheimer vor.
Dr. Jan-Dirk Fauteck, (Interview: Wie Melatonin unseren Schlaf beeinflusst) Mediziner und Autor des Buchs «Melatonin – das Geheimnis eines wunderbaren Hormons», ist überzeugt: «Speziell im Kampf gegen Krebs, sei es nun als Zusatztherapie oder als Präventionsmassnahme, sind in den kommenden Jahren viele positive Ergebnisse in der Melatoninforschung zu erwarten.»
Obwohl entwicklungsgeschichtlich uralt, birgt Melatonin noch viele Geheimnisse in sich. Diese versuchen aktuelle Studien zu lüften. Die Ergebnisse werden nicht lange auf sich warten lassen, ist der Chronobiologe überzeugt. Melatonin könnte das Aspirin des 21. Jahrhunderts werden!