Ob man einen Kreuzbandriss operiert oder ohne Operation heilen lässt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. David Schaad, Leiter Therapie bei Medbase Bischofszell und Medbase Amriswil, über die Therapiemöglichkeiten.
Das vordere und das hintere Kreuzband kreuzen sich in der Mitte des Knies und verbinden den Oberschenkelknochen mit dem Schienbein. Ein Kreuzbandriss (Kreuzbandruptur) ist eine Verletzung des Kreuzbands, meist des vorderen Kreuzbands. Sie entsteht etwa durch eine plötzliche Drehbewegung des Knies, ein abruptes Abbremsen oder eine starke direkte Krafteinwirkung auf das Knie. Dabei kann das Kreuzband komplett reissen, oder es kann zu einem Teilriss oder einer Verdrehung kommen, bei der das Band überdehnt ist. Ein gerissenes Kreuzband führt dazu, dass sich das Knie instabil anfühlt, insbesondere bei Drehbewegungen und seitlichen Belastungen.
Betroffene berichten von einem «Knallen» oder «Poppen» im Knie beim Unfall. Direkt danach tritt starker Schmerz auf, der später nachlassen kann, jedoch bei Belastung und bestimmten Bewegungen wiederkehrt. Innerhalb weniger Stunden – manchmal auch langsamer – tritt eine starke Schwellung auf. Das Knie fühlt sich instabil an, als würde es nachgeben und wackeln. Bei einem angerissenen oder verdrehten Kreuzband sind die Symptome ähnlich, jedoch oft weniger stark.
Das Knie kann direkt nach der Verletzung meist nicht vollständig gestreckt oder gebeugt werden. Bewegungen, die das Knie belasten, sind schmerzhaft. Meist kann man mit einem Kreuzbandriss noch laufen, jedoch ist dies mit Schmerzen und Instabilität verbunden. Sportliche Aktivitäten sind eingeschränkt.
Noch heute hält sich der Mythos, dass ein gerissenes Kreuzband immer operiert werden muss. Die Studienlage ist nicht eindeutig, und es gibt momentan keine klare wissenschaftliche Empfehlung für die optimale Versorgung der Knieverletzung. Manche Menschen können ihr Kniegelenk durch muskuläre Kraft stabilisieren und fühlen sich stabil, andere können dies nicht. Das Swiss Medical Board empfiehlt, bei einer isolierten Verletzung des vorderen Kreuzbands nicht sofort zu operieren, und rät zunächst zu einer hochwertigen und intensiven Rehabilitation von mindestens zwölf Wochen. Ob OP oder nicht, hängt unter anderem von Begleitverletzungen und von der Gesamtsituation der verunfallten Person ab.
Eine OP ist oft notwendig bei Sportler*innen unter 30 Jahren, die in ihre High-Risk-Sportart (Fussball, Skifahren, Handball etc.) zurückkehren wollen. Auch bei Begleitverletzungen wie Meniskusrissen oder Knorpelschäden wird zur OP geraten. Bei der Rekonstruktion des Kreuzbands wird in der Regel eine Sehne transplantiert – häufig die Patellasehne (Kniescheibensehne), die Hamstringsehne oder die Quadrizepssehne. Was die zeitliche Planung betrifft: Eine sofortige Operation direkt nach dem Unfall ist unüblich, da das Knie in der Regel geschwollen und entzündet ist. Dies kann die Operation erschweren und das Risiko für Komplikationen erhöhen.
Diese beinhaltet mehrere Ansätze: In der Physiotherapie wird die Muskulatur um das Knie durch gezielten Muskelaufbau gestärkt. Balance- und Koordinationstraining verbessern die neuromuskuläre Kontrolle und die Stabilität. Schmerzmittel und Entzündungshemmer helfen, Schmerzen und Schwellungen zu reduzieren. Eine Schiene und Bandagen können anfangs zur Stabilisierung des Knies verwendet werden. Bereits nach einigen Wochen kann man mit progressivem Belastungsaufbau durch Kraft- und Koordinationsübungen beginnen. Die Rückkehr zur Zielaktivität kann mehrere Monate dauern. Je höher die Anforderungen, desto länger die Rehabilitation. (Fortsetzung weiter unten…)
Das hängt vom Schweregrad der Verletzung, von der Behandlung und vom allgemeinen Gesundheitszustand der Patient*innen ab. In der Regel dauert es mindestens neun Monate bis ein Jahr, bis man bereit ist für Sport. Eine intensive Nachbehandlung ist entscheidend für eine erfolgreiche Heilung. Nach einer OP wird das Knie in den ersten sechs Wochen in der Physiotherapie schrittweise mobilisiert, um die volle Streckung und Beugung bis 90 Grad zu erreichen und die Schwellung zu reduzieren. Danach liegt der Fokus auf Kraft, Balance und Gleichgewicht für den flüssigen Gang und für Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen. Wenn das möglich ist, beginnt eine intensivere Aktivierung mit dem eigenen Körpergewicht, nach drei Monaten auch mit Widerstand. Das sportspezifische Training mit Laufen, Springen und Landen setzt meist nach fünf bis neun Monaten ein. Die gesamte Rehabilitation dauert etwa ein Jahr.
Die Art und das Ausmass der Verletzung, die durchgeführte Operation und der individuelle Heilungsverlauf spielen hier eine Rolle. In den ersten Wochen nach der Operation wird das Knie in der Regel geschont, und Patient*innen verwenden Gehstützen, um das operierte Bein nur teilweise zu belasten. Die Vollbelastung des Knies nach einer Kreuzband-OP ist abhängig vom Operateur. Wurde eine begleitende Meniskus-OP durchgeführt, ist eine Teilbelastung von 15 kg für sechs Wochen notwendig, um die Naht zu schützen. Danach kann voll belastet werden.