Ab in die Berge! Mit unseren neun einfachen bis mittelschweren Höhenwanderungen ist für jede und jeden etwas dabei.
Wie hält man während des Alpsommers Milch ohne Kühlschrank frisch? Man lässt einen grossen, begehbaren Zylinder aus Stein zu zwei Dritteln in den Boden, füllt im Frühling sein Inneres mit Schnee und lagert darauf die Milch. Nevère heissen die ausgeklügelten Konstruktionen, die man auf den sonnenverwöhnten Alpen des Monte Generoso im Südtessin antrifft. Sie erlaubten im 18. und 19. Jahrhundert den Bauern, bis zum Ende der Alpsaison ihre Produkte kühl zu halten, denn so lange hielt der Schnee. Heute sind die meisten Alpen aufgegeben, der Monte Generoso ist in der Hand der Ausflügler. Dafür sorgen die Aussicht, die Zahnradbahn und das wuchtige Restaurant «Fiore di pietra» von Stararchitekt Mario Botta. Einzelne Nevère indes können noch besucht werden, auf einer kurzen und eindrücklichen Höhenwanderung an den heissen Generoso-Hängen.
Beinahe hätten wir den Steinbock ausgerottet. Ende des 19. Jahrhunderts wurden im Alpenraum die letzten Tiere geschossen, nur der König von Italien besass noch welche in seinem Jagdgebiet. Und er bewachte sie mit Argusaugen. Dennoch gelang es zwei Wilderern, ein paar Exemplare in die Schweiz zu holen. Um 1906 begann die Wiederansiedlung. Am Piz Albris bei Pontresina war man erfolgreich, die Oberengadiner Steinbockkolonie umfasst mittlerweile rund 1600 Tiere, eine der grössten der Schweiz. Scheu sind die Tiere nicht: Auf der Höhenwanderung zwischen Alp Languard und Muottas Muragl erspäht man immer wieder einen stolzen Bock oder eine hübsche Geiss. Dazu gibt es Aussicht vom Feinsten auf die Oberengadiner Seen und die Bergspitzen von Piz Bernina und Co. Wahrlich eine königliche Tour.
«Acht Menschen oder eine Kuh». Das Hinweisschild in der kleinen Luftseilbahn von Isenfluh nach Sulwald macht unmissverständlich klar: Im Sulstal im Berner Oberland steht die Berglandwirtschaft im Zentrum. Und so begegnen einem die Kühe auf Schritt und Tritt auf der Wanderung zur Lobhornhütte. Sie geben die Milch für den schmackhaften Käse, den man unterwegs kaufen kann, sie fressen sich satt an den saftigen, blumenübersäten Wiesen, und sie machen die Postkartenidylle perfekt. Am Horizont stehen nämlich, schön aufgereiht, Eiger, Mönch und Jungfrau. Das berühmte Berner Dreigestirn gibt es im Sulstal mit merklich mehr Ruhe und Beschaulichkeit als in den umliegenden Tourismusorten. Schön, macht im Bähnli die Kuh nur acht Menschen Platz.
«Diesen Berg habe ich schon mal gesehen», geht einem durch den Kopf, wenn man das Zervreilahorn erblickt. Richtig. Das knapp 2900 Meter hohe Zervreilahorn zierte einst jede Flasche Valser Wasser. Es hat auch eine markige Form und ragt wie eine schlanke Pyramide in den Himmel. Wuchtiges gibt es noch mehr zu entdecken zuhinterst im Bündner Valsertal. Den Zervreila-Stausee etwa mit seiner 150 Meter hohen Bogenstaumauer. Sie soll Peter Zumthor inspiriert haben beim Bau der Therme Vals, die nicht minder imposant seit 1996 das Dorf prägt. Regelrecht filigran erscheint dagegen die Kapelle St. Anna, die beim Weiler Frunt zum Besuch lädt. Doch der erste Eindruck täuscht: Sie steht an einzigartiger Aussichtslage direkt an der Felskante, und gibt einen schwindelerregenden Blick frei über das Tal.
Sie waren zauberhafte Wesen mit kecken Geissfüssen und schneeweissen Kleidchen, die Dialas der Alp da Munt im Val Müstair. Und sie halfen den Menschen, wo sie nur konnten, brachten verirrte Kinder zu ihren Eltern zurück, gaben Hungrigen zu essen und packten heimlich beim Heuen mit an. Doch die Menschen zollten ihnen nichts als Undank, bestahlen sie und stellten ihnen gar nach. Da packten die Dialas ihre Herrlichkeit, nahmen Reissaus und überliessen die Menschen ihrem Schicksal. Zurückgelassen haben sie die Schönheit der Alp da Munt und die Lieblichkeit des Val Müstair. Beidem begegnet man auf der Panoramawanderung vom Ofenpass ins kleine Dörfchen Lü, begleitet vom Krächzen des Tannenhähers, dem es die vielen Arven angetan haben.
Das Göschenertal gilt als eines der schönsten Täler im Alpenraum. Gross ist sein Reichtum an Moorlandschaften, Bergbächen, Gletschern und Bergen. Der höchste der Zentralschweiz steht da, der Dammastock mit 3630 Metern Höhe. Die grössten Kristalle der Alpen wurden hier gefunden, mit Spitzen von einem Meter Länge. Und nicht zuletzt entspringt in dieser Welt aus Felsen, Wasser und Eis die Reuss, der viertgrösste Fluss der Schweiz. Auf ihrer Reise talwärts passiert sie den Göscheneralp-Stausee, und um den führt ein traumhafter Rundweg. Er fordert guten Tritt und ist stellenweise mit Ketten gesichert, dafür beschert er einem ein bleibendes Erlebnis in einzigartiger Bergwelt.
Moore sind ausgesprochen wertvoll. Sie sind arm an Nährstoffen und bieten einer spezialisierten Tier- und Pflanzengemeinschaft Raum zum Leben. Der hohe Wassergehalt erlaubt es Mooren, grosse Mengen CO2 zu speichern, weshalb deren Erhalt eine wichtige Rolle im Klimaschutz spielt. Nicht zuletzt sind Moore geheimnisvoll anmutende Landschaften, die zum Innehalten und Träumen anregen. In der Region Gurnigel/Gantrisch funktioniert das wunderbar. Sie ist eines der grössten und schönsten Moorgebiete der Schweiz, ein Mosaik aus Wiesen, Weiden, Wäldern und Sumpfgebieten, umrahmt von zwei Bergketten. Über die einfacher zugängliche Route führt der Gantrisch-Panoramaweg im munteren Auf und Ab zu traumhaft-luftigen Aussichtsplätzen – auf die Moorlandschaft und auf den Namensgeber der Region, den Gantrisch mitsamt seinen zackigen Nachbarn.
Grenchen liegt auf 450 Metern über Meer, im Kanton Solothurn. Richtung Süden, Westen und Osten ist es topfeben, von Berggebiet keine Spur. Nördlich der Stadt aber, da breitet sich der Grenchenberg aus. Hier kann man dank zwei Skiliften Ski fahren, und eine Langlaufloipe gab es auch einmal. Sie wurde vor einigen Jahren aufgegeben, genauso wie der Flugplatz auf dem Obergrenchenberg. Damit man auf der grossen Wiese landen und starten konnte, wurde diese planiert, wofür die Stadt 700 Franken zur Verfügung stellte. 1948 ging der Flugplatz in Betrieb, nach einem tödlichen Absturz schloss die Stadt die Piste 1964. Eindrücklich ist die riesige, nahezu ebene Wiese noch heute, man quert sie auf der Wanderung vom Unteren Grenchenberg zum Weissenstein. Und ist man mutig genug, wagt man einen Blick über die Felswand in die Tiefe. Hier oder wenig später auf der Stallflue. Da bleibt kein Zweifel: Grenchen liegt in den Bergen.
Der Col de la Croix gehört zu den wenig bekannten Pässen der Schweiz. 1778 Meter hoch ist er und verbindet die beiden Waadtländer Tourismusorte Les Diablerets und Villars-sur-Ollon. Das heisst nicht, dass der Pass keinen Reiz hat. Im Gegenteil. Das Bergpanorama ist exzellent. Der Grand Muveran, die Dents du Midi und das ganze Mont-Blanc-Massiv zeigen sich in bestem Licht. Einzigartig machen den Col de la Croix die vielen Gipspyramiden. Kecke Spitzen aus weissem Gipsgestein, die im Laufe der Jahrhunderte durch Erosion entstanden sind. Sie zu erreichen ist Vergnügen pur. Die Wanderung vom benachbarten Col de Bretaye führt über liebliche Alpen, durch knorrige Wälder und vorbei an drei Seen, von denen der Lac des Chavonnes zum Sonnenbaden lädt. Vielleicht schaut just dann einer der Bartgeier vorbei, die seit Jahren hier leben.