Wandern, ankommen, übernachten, weiter gehts! Genauso spannend wie die Wanderung ist das Übernachten in Hütten. 11 Tipps für Sportler, Geniesser und Familien.
Drei Urwälder leben in der Schweiz. Den kleinsten von ihnen, Scatlè, passiert man beinahe unbemerkt auf der Wanderung von Brigels zur Bifertenhütte in der bündnerischen Surselva. 600 Jahre alte Fichten und eine einzige Weisstanne krallen sich an den mit Felsbrocken übersäten Steilhang bei Chischarolas. Beobachten kann man Scatlè vom Weg aus. Ein Zugang? Unmöglich! Steinig ist auch die Hochebene der Bifertenhütte am Fusse des Kistenstöcklis, einem finsteren Klotz von Berg. Und erst recht der weglose Übergang am zweiten Tag zur Fuorcla da Gavirolas. Kein Wunder, trifft man hier eher auf Gämsen und Steinböcke als auf Wandernde.
Der Soredapass ist eines der eindrücklichsten Zeugnisse der Transhumanz. Während 400 Jahren zogen Bauern mit Kind und Kegel vom oberen Bleniotal über den 2759 Meter hohen, ausgesprochen steilen und ausgesetzten Übergang, um auf den saftigen Weiden der Lampertschalp ihr Vieh zu sömmern. Dass der historische Weg heute wieder begehbar ist, ist unzähligen Stunden Fronarbeit Jugendlicher und dem Länta-Hüttenwart Thomas Meier zu verdanken. Die Valser wiederum haben dafür gesorgt, dass die Lampertschalp nicht als Stausee endete. Gefasst wird der Valser Rhein weiter unten im Zervreilasee. Vom Fuggelti, das am ersten Wandertag lockt, geniesst man Logenblick auf sein türkisblaues Wasser und auf das Zervreilahorn, das Wahrzeichen von Vals.
Calanda? Unbekannt. Dies änderte sich 2012 schlagartig. Am wuchtigen und ausgesprochen steilen Bergmassiv hinter Chur wurde ein Wolfsrudel nachgewiesen, das erste in der Schweiz seit über hundert Jahren. Bis 2018 brachten Wölfin F7 und Wolf M30 pro Jahr durchschnittlich fünf Welpen zur Welt. Ihr Revier reichte vom Tamina- und Churer Rheintal bis nach Flims. Heute ist das Elternpaar altershalber verstorben, das Rudel verschwunden. Geblieben sind die eindrücklichen und einsamen Wege durch die wilden Calandahänge, der Panoramablick von der urigen Calandahütte und die Traum-Sonnenaufgänge auf dem Gipfel der Haldensteiner Calanda. Auf 2800 Metern über Meer.
Der Weg beginnt in Arolla, das seinen Namen von der Arve hat, einem in den Wäldern der Region weit verbreiteten Baum. Der Weg verläuft oberhalb der Baumgrenze über beeindruckende Felshänge zur Cabane Aiguilles Rouges, die nach den spektakulären schneebedeckten Gipfeln benannt ist, die sie umgeben. Anschliessend führt der Weg hinunter zum Lac Bleu. Gleich oberhalb des Sees stürzt ein Wasserfall direkt in das kristallklare, azurblaue Wasser.
Ein Bergsee wie aus dem Bilderbuch und eine kuschlige Berghütte mit Gourmetküche – wer die 1400 Höhenmeter Aufstieg durch urwüchsige Tessiner Wildnis nicht scheut, wird auf der Wanderung von Someo zur Capanna Alzaca reich belohnt. Kühn in den Felsen gehauene Treppenwege und knorrige Waldpfade führen steil in die Höhe, Steinbrücken helfen beim Queren der Wildbäche. Schön, kann man sich unterwegs auf der Alpe Soladino mit frischem Ziegenkäse eindecken. Spätestens am zweiten Tag wird man ihn schätzen: am türkisfarbenen Lago d’Alzasca oder im Abstieg ins Valle di Vergeletto, das mit seiner Urwüchsigkeit eher an Südamerika erinnert als an die Schweiz.
Einen 4000er zu besteigen ist nicht jedermanns Sache. Und der Grand Combin im Südwallis gehört mit seinen 4300 Metern Höhe und den vielen Gletschern zu den mächtigsten Bergen der Alpen. Rundherum zu wandern, ist etwas anderes. Die Königsetappe des Fernwanderwegs «Tour des Combins» vom Val de Bagnes zur Cabane FXB Panossière bringt einem die Hochgebirgswelt des Grand Combin besonders nahe. Auf dem 2800 Meter hohen Col des Otanes verzaubert der Blick auf die majestätische Arena aus Felsen und Eis, beim Queren der 170 Meter langen Hängebrücke über den Corbassière-Gletscher werden Bilder aus dem Himalaya wach. Die schwarzen Ehringer Kühe holen einen bald wieder zurück ins Wallis.
13 Minuten dauert die Fahrt durch den Lötschbergtunnel von Kandersteg nach Goppenstein. Zwei Tage braucht man, um den Lötschepass zu queren, den ältesten Übergang vom Wallis ins Berner Oberland. Bereits die Römer waren hier unterwegs, nahe dem Pass wurde eine 4000 Jahre alte Proviantbox gefunden. Auf 2690 Metern genächtigt wird seit 1519. Im 17. Jahrhundert machten sich die Berner gar daran, eine Passstrasse zu errichten. Die katholischen Walliser wollten davon nichts wissen, und so ist der Lötschepass bis heute den Wanderern vorbehalten. Aussicht aufs Bietschhorn inklusive. Nicht minder eindrücklich ist die Fortsetzung am zweiten Tag durchs Gasterntal, das die wilde Kander nach Lust und Laune gestaltet. Und manchmal Spuren der Verwüstung hinterlässt.
Ziehen sich Gletscher zurück, entstehen neue Landschaften – und bisweilen unpassierbare Abschnitte. Der Triftgletscher im Sustengebiet hat einen See und eine tiefe Schlucht hinterlassen, und drohte damit den Zugang zur Trifthütte abzuschneiden, der ursprünglich über das Eis führte. Abhilfe schafft heute eine Hängebrücke. Und was für eine! In 100 Metern Höhe und auf 170 Metern Länge schaukelt man über dem Abgrund. Ein erhabenes Gefühl. Die spektakuläre Trifthängebrücke passiert man auch auf dem Weg zur Windegghütte, die einiges einfacher zu erreichen ist als die Trifthütte. Und die am zweiten Tag mit dem Furtwangsattel einen einsamen und wilden Pass für Wandernde bereithält.
Das Vallée de Joux ist das Tal der Uhrenmacher. Etwa zwanzig Manufakturen haben sich im Waadtländer Hochtal niedergelassen, darunter Luxusmarken wie Blancpain, Breguet oder Audemars Piguet. Auf den Höhen des Vallée de Joux indes ist die Zeit stehen geblieben. Wildnis, Weite und Ruhe haben hier das Sagen. Man findet sie in unendlich scheinenden Wäldern und Mooren und auf ausgedehnten Weiden und langgezogenen Bergrücken. Der Mensch? Ist auch da und fügt sich mit hübschen Bauernbetrieben, behäbigen Kühen und kunstvollen Trockensteinmauern bestens ein. Was passt da besser, als nach der Wanderung über den Mont Tendre, den höchsten Berg im Schweizer Jura, die Nacht in der urtümlichen Cabane de Cunay zu verbringen – mit Ausblick auf den Mont Blanc, den König der Alpen.
Spielen, essen und übernachten, wo Murmeltier, Gämse und Steinbock zu Hause sind – für Kinder sind zwei Tage in einer Berghütte ein unvergessliches Erlebnis. Die Albert-Heim-Hütte im Furkagebiet ist für Familien ein ideales Ziel. Gleich mehrere Wege führen vom Hotel Tiefenbach in die Höhe – dem wilden Tiefenbach entlang, auf dem breiten Hüttenweg oder, wenn ein Gipfel mit ins Gepäck soll, über den Schafberg. Allen gemein ist die hochalpine Szenerie um Galenstock, Tiefenstock und Tiefengletscher. Ist die Hütte dann erreicht, hat man die grosse Auswahl: im nahen Seelein plantschen, auf Kristallsuche gehen oder einen Familienflieger basteln und steigen lassen. Wetten, dass danach alle tief schlafen?
Eine Wanderung ohne Buvette (Beizli) alle 60 Minuten ist in Freiburg fast nicht möglich. Das gilt auch für die voralpine Rundwanderung um die spektakuläre Bergkette der Gastlosen. Sie gelten zurecht als Dolomiten der Schweiz und sind bekannt als vielseitiges Kletterparadies. Die Wanderung führt durch Wiesen und Bäume hinauf zu einem Höhepunkt: das Chalet du Soldat oder Soldatenhaus. Die Freiburger Fondue und Raclette sind legendär, genauso wie der Wirt. Er gibt auf seinem Alphorn oft ein paar Stücke zum Besten, darunter Ohrwürmer wie «Aux Champs-Elysées». Das Grossmutterloch ist der geologische Hingucker: Es ist die Freiburgische Antwort aufs bekanntere Martinsloch, beide entstanden durch Gesteinserosion. Mit der Sesselbahn Gastlosen-Express ab Jaun lassen sich die ersten 500 Höhenmeter komfortabel überwinden, doch der voralpine Wanderweg zum Chalet ist auch für Kinder leicht machbar. Tag zwei führt zuerst steil über den Wolfsort, höchster Punkt der Wanderung und Sprachgrenze zwischen Deutsch und Französisch. Danach wie am ersten Tag durch Wiesen, Bäume und entlang eines Baches vorbei an den Kletterern in der Wand – zum nächsten Beizli mit Weitblick. Danach geht es wieder hinab nach Jaun.
© Bilder: Daniel Fleuti, © Cabane FXB Panossière