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Gesünder leben?

Gesünder leben?

Warum wir uns öfter langweilen sollten

Im Zeitalter von Smartphone und Internet können wir diesem unangenehmen Gefühlszustand jederzeit ausweichen. Aber ist das auch gut? Die Psychologin Anna Fortuny Bernat plädiert für mehr Selbstreflexion.

Langeweile ist ein Gefühlszustand, in dem mich keine Beschäftigung oder Aktivität befriedigt. Die Welt scheint mir leer und begrenzt, sie kann mir keine Aktivität anbieten, an der ich Gefallen finde, obwohl ich das gerne hätte. Es ist ein unangenehmes Gefühl.

Warum ist Langeweile ein unangenehmes Gefühl?

Ich muss mich mit meinen eigenen Gedanken auseinandersetzen. Manchmal ist Langeweile mit schwierigen Emotionen verbunden, wie etwa mit Traurigkeit, Wut, Sinnlosigkeit oder Leere. Wenn ich mich damit beschäftigen muss, ist das eine Herausforderung. Wir sind uns diese Situation heute meist gar nicht mehr gewohnt, weil wir uns ja praktisch jederzeit mit dem Blick ins Smartphone ablenken können. Wir entziehen uns dem unangenehmen Gefühl. Wir fliehen davor. Dabei lassen wir uns passiv fremdsteuern. Langeweile wäre aber eine Gelegenheit, selber aktiv zu werden und das eigene Potenzial zu aktivieren. Langeweile zuzulassen, ist heute eine Entscheidung.

Gibt es verschiedene Arten von Langeweile?

Es gibt Unterschiede. Es gibt die zeitlich begrenzte Langeweile, wenn wir etwa auf den Bus warten oder im Schulunterricht einer für uns in diesem Moment langweiligen Lektion folgen. Eine andere Art von Langeweile ist eine längerfristig dauernde, nicht zufriedenstellende Situation im Alltag, ein Zustand, der unser ganzes Leben bestimmt.

Was sind die Gründe für Langeweile?

Empfinde ich die Schullektion, die Vereinsversammlung oder den Vortrag als langweilig, dann interessiert mich entweder der Inhalt nicht oder ich erachte ihn intellektuell als zu wenig herausfordernd oder als zu schwierig für mich. Eventuell habe ich aber auch generell Probleme, mich längere Zeit zu konzentrieren. Es kann aber auch sein, dass mich meine berufliche oder familiäre Situation nicht erfüllt, wenn etwa die Arbeit zu wenig herausfordernd ist oder ich aus Beziehungsmustern nicht ausbrechen kann. Zuletzt gibt es noch die Form der Langeweile mit tieferliegenden Gründen, wenn ich etwa in meinem eigenen Leben keinen Sinn finde.

Gibt es Menschen, die sich schneller langweilen als andere?

Ja. Impulsive Menschen etwa neigen dazu, sich schneller zu langweilen als andere. Sie brauchen generell mehr und rascher neue Reize, um zufrieden zu sein. Auch Menschen mit einer Konzentrationsschwäche langweilen sich schneller. Aber auch ängstliche Menschen, die in einer zurückgezogeneren Welt leben, können im Alltag schneller mit Langeweile konfrontiert sein.

(Fortsetzung weiter unten…)

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Ist Langeweile gut oder schlecht?

Aus Sicht der psychischen Gesundheit ist der Zustand der Langeweile gut. Wir Menschen haben die Tendenz, bei unangenehmen Gefühlen schnell zu fliehen, wir wehren uns dagegen. Wenn wir uns dem Gefühl aber nicht stellen, kommt es wieder. Es reproduziert sich. Lassen wir das Gefühl zu, haben wir die Gelegenheit, unsere innere Welt zu betrachten, uns zu fragen, was uns langweilt, warum und was wir daran ändern könnten. Uns mit unserem ständigen Bedürfnis, produktiv zu sein, zu konfrontieren und einfach mal nichts zu tun, kann auch sehr entspannend wirken. Wir bekommen Zeit, unsere Gedanken zu sortieren und nach Neuem zu suchen. Das ist ein kreativer Prozess, der uns zu Akteuren macht. Neue Ideen können entstehen.

Langeweile zulassen kann aber auch zur Herausforderung werden, wenn wir merken, dass wir diesen Gefühlszustand nur schlecht aushalten und es nicht schaffen, selber aktiv etwas dagegen zu unternehmen. Es ist aber gleichzeitig die Chance, zu erkennen, dass wir Hilfe von Fachleuten brauchen, damit der Zustand nicht chronisch wird und man allenfalls in ein gesundheitliches Problem oder in ein Fehlverhalten driftet wie übermässigen Tabak-, Essens-, Alkohol- oder Tablettenkonsum, aber auch exzessives Sporttreiben oder den Zwang zur permanenten Selbstoptimierung.

Sollen wir Langeweile wieder vermehrt zulassen?

Durch die ständige Verfügbarkeit der elektronischen Medien haben wir verlernt, Langeweile auszuhalten. Wir sind überstimuliert, was dazu führt, dass wir uns auch kaum entspannen können. Ein achtsamerer Umgang mit sich selber würde uns guttun. Wichtig ist, den Unterschied zu erkennen, ob es sich um einen zeitlich begrenzten Zustand handelt oder ob man vor lauter Langeweile in einen chronisch unzufriedenen Zustand abdriftet. In letzterem Fall gilt es zu erkennen, dass an der aktuellen Lebenssituation offensichtlich etwas verändert werden muss. Eventuell erkennt man selber, was das ist, und hat die Kraft, dies zu ändern, ansonsten sollte man nicht lange zögern und sich unbedingt Hilfe von einer Fachperson holen.

Was kann man gegen Langeweile tun?

Tipps bei Langeweile

Versuche dich in Selbstreflexion

Frage dich, wie oft dir langweilig ist. In welchem Alltagsbereich? Ist es stets in einer konkreten Situation? Ist die Arbeit langweilig? Was machst du, wenn dir langweilig ist? Was passiert mit dir? Wie fühlst du dich? Was machst du dann jeweils? Schreibe die Antworten auf, am besten in ein Heft. Wenn dir das nächste Mal langweilig ist, wiederhole die Schreibübung. Mit der Zeit entdeckst du vielleicht ein Muster. Du merkst, was dir hilft, die Langeweile zu überwinden, oder du merkst, was du ändern müsstest.

Erstelle eine Ressourcenbox

Da es in einem unangenehmen Gefühlszustand manchmal schwierig ist, Inspiration oder einen Weg zur Veränderung zu finden, kann es hilfreich sein, vorgängig eine Ressourcenbox vorzubereiten. Schreibe auf kleine Zettel, was dir generell guttut, an was du Freude hast, wie etwa: in der Natur spazieren gehen; ein Instrument spielen; die Katze streicheln; Musik hören oder was auch immer. Lege die Zettel in eine Schachtel. Wenn dir langweilig ist und du merkst, dass du diesen Zustand in dem Moment nur schlecht aushälst, greif in die Ressourcenbox, ziehe einen Zettel raus und begib dich mit deinen eigenen Empfehlung in einen angenehmen Gefühlszustand. 

Beim Warten auf den Bus kann ich zum Beispiel Ferienpläne entwickeln, mir überlegen, was ich an der nächsten Einladung kochen könnte oder an was für einem Geschenk ein baldiges Geburtstagskind Spass haben würde. Sich im Freien zu langweilen, kann aber auch eine Gelegenheit sein, sich mit dem zu beschäftigen, was um einen herum passiert, wie etwa: andere Menschen beobachten und eventuell mit ihnen interagieren, mit einem Lächeln oder einem Blick, die frische Luft im Gesicht wahrnehmen oder sich an der Bewegung der Blätter auf den Bäumen freuen. Neugierig auf unsere Umgebung zu sein, öffnet unsere Sinne und hilft uns, präsent zu sein.

Langweilt mich die Arbeit, ist es schon etwas schwieriger. Hier gilt es zu überlegen, was mich daran langweilt und wie die Situation verändert werden könnte: Soll ich eine neue Stelle suchen oder mit den Vorgesetzten sprechen, ob es eventuell neue Herausforderungen innerhalb des Unternehmens für mich gäbe. Es ist hilfreich, eine schriftliche Auslegeordnung des Gefühlszustandes zu machen, also aufzuschreiben, was mich langweilt, warum, in welchen Situationen und was jeweils hilft, wieder in einen zufriedenstellenden Gemütszustand zu kommen. Schreiben ist generell ein gutes Instrument, um seine Gedanken und Gefühle zu ordnen und allfällige Muster und Lösungsansätze zu erkennen.

von Regina Speiser,

veröffentlicht am 19.04.2023


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