Rund 13 000 Treppenstufen führen in St.Gallen auf die stadtnahen Hügel. Die Stadt eignet sich deshalb wie keine zweite dafür, das Angenehme – schöne Aussicht – mit dem Nützlichen zu verbinden: fit mit Treppensteigen.
St.Gallen ist seit Kurzem nicht nur bekannte Klosterstadt, sondern «Stägestadt». Ein eigens geschaffener Stadtplan zeigt, wo überall sich die Treppen und Stufen befinden. Kreuz und quer verlaufen die roten Striche, es wimmelt von Stufen und «Stäge».
Patrick Fust, Sekundarschullehrer und Weiterbildner im Bereich «Bewegte Schule», ist es zu verdanken, dass die gesunden Schätze rasant an Bekanntheit gewinnen. Treppensteigen, so schwärmt er, trainiere den Körper, tue der Psyche gut und sorge für Wohlbefinden. Ausserdem lässt es sich ohne Probleme in den Alltag einbauen, besonders in St. Gallen, das 140 Treppen zählt. «Ein Gruppenbild aller 80 000 Einwohnerinnen und Einwohner der Klosterstadt liesse sich auf den Treppen schiessen. Dazu müssten sich auf jede Stufe etwa sechs Menschen stellen», sagt Fust. Bereits ist der erste «Stägestadt-Tag» St.Gallens über die Bühne gegangen, den Patrick Fust ins Leben gerufen hat.
Den passionierten Treppensteiger treibt das Bedürfnis, Bewegung zu fördern, seit Langem an. Als Lehrer und Sportler setzt er sich aktiv dafür ein, dass sich Schülerinnen und Schüler viel und gern bewegen – etwa mit Spielen auf der Treppe während der Pause. Diese sind auch Teil seiner umfassenden Ideenkiste «Bewegung in die Schule», die Ende Oktober herausgekommen ist. «Wichtig ist, dass Bewegung Freude macht und spielerisch ist», so Fust. Das gilt auch für Erwachsene. Die Brücke zu Letzteren und zu St. Gallen liess sich für ihn leicht schlagen, der Stägestadt-Tag ist auf positives Echo gestossen.
Auch Rekordverdächtiges hat sich auf den «Stäge» bereits abgespielt. Ein St.Galler hat die 140 öffentlichen Treppen auf Stadtgebiet nachts und am Stück abgelaufen: 13 000 Stufen, 68,7 Kilometer, 2954 Höhenmeter, 12 Stunden und 20 Minuten. Trocken kommentiert Nachtläufer Markus Piasente gegenüber dem St.Galler Tagblatt: «Ich denke nicht, dass das schon einmal jemand gemacht hat.»
Insbesondere in St.Gallen ist es einfach, seine Lieblingstreppe zu finden. Für Patrick Fust ist dies der bewaldete obere Teil der Treppe auf dem Fluhweg. Entdecke fünf spezielle St.Galler Treppen:
Das Treffen mit Treppensteiger Patrick Fust beginnt mit einem Fauxpas – die Redaktorin fährt mit der Rolltreppe aus der Bahnhofsunterführung nach oben.
Im gemütlichen Spaziertempo geht es danach am berühmten Kloster mit Stiftsbibliothek vorbei, bis die Untere Mühlentreppe nach 10 Minuten auftaucht. Sie ist aus Holz und führt in verschiedenen Etappen während 15 Minuten hinauf. Über eine weitere Treppe, den Kronbergsteig, erreichen wir nach weiteren 10 Minuten eine Anhöhe, wo auch die «Drei Weieren» mit idyllischem Badehäuschen liegen. Im Sommer ein beliebter Treffpunkt in St.Gallen, um zu schwimmen, die Sonne zu geniessen und zu picknicken.
Die Pause ist willkommen, die Aussicht auch: Unten liegt die grün umhügelte Stadt mit Blickfang Kloster, in der Ferne der Bodensee. Die Rast tut den Oberschenkeln gut.
(Fortsetzung weiter unten...)
Während des Abstiegs schwärmt Patrick Fust vom Projektteam «Stägestadt», dem nebst ihm ein Vertreter von «St.Gallen-Bodensee Tourismus», der Leiter der städtischen Dienststelle Sport, ein Stadtarchivar, eine Physiotherapeutin und ein Physiotherapeut sowie ein Kantonsschullehrer angehören. Das breite Spektrum an Wissen erhöht die Attraktivität und Vielfalt der Inszenierung der Treppen. Alle sind mit viel Engagement dabei. «Diese Begeisterung macht vieles möglich.»
Wie wurde er selber zum Treppensteiger? «Wenn man in der Kesselstadt St.Gallen wohnt und wie ich sehr gerne zu Fuss geht, trifft man regelmässig auf Treppen», sagt er. Ausserdem habe es bereits früher Bestrebungen in dieser Richtung gegeben, nun wolle man das Projekt «Stägestadt» nachhaltig verankern.
Unterdessen steigen wir die letzten Stufen nach unten und erreichen bald den Bahnhof.
Obwohl die Redaktorin nicht alle 13 000 Stufen St.Gallens erklommen hat, endet für sie das Treppauf-Treppab am Schluss – müde und zufrieden – auf der Rolltreppe in die Bahnhofsunterführung. Das Tagessoll von 10 000 Schritten ist trotzdem bereits erreicht.