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Gesünder leben?

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Wie Musik auf uns wirkt: 20 Fragen & Fakten

Welche Musik hilft gegen Depression? Kann Musik unerwünschte Wirkungen haben? Und wieso kann jemand einen «Ohrwurm» hören, wenn er taub ist? Zwanzig wissenschaftliche Erkenntnisse.

1. Wie wirken Töne und Geräusche auf Menschen?

Töne und Geräusche rufen oft Gefühle und Erinnerungen wach, deshalb kann ihre Wirkung sehr verschieden sein, je nachdem was ein Mensch damit verbindet: Die erste grosse Liebe zum Beispiel oder den ersten grossen Liebeskummer. Ob wir Klänge mögen oder nicht, entscheidet sich innert Sekunden.

2. Welche Töne und Geräusche verunsichern?

«Schrille, durchdringende, dissonante oder «rauh» klingende Töne wie Schreie oder Alarmsirenen empfinden wir als beunruhigend», sagt Natalie Holz, Neurowissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt. Solche Töne sorgen für Aufmerksamkeit. Das liegt an der Lautstärke und daran, dass wir gelernt haben, dass ein Alarm nichts Gutes verheisst. Im Gehirn aktivieren rauhe Töne das Angstzentrum im Gehirn. Filmmusik-Komponisten nützen das: In Thrillern oder Krimis hat die Musik Ähnlichkeit mit Schreien.

3. Welche Töne und Geräusche beruhigen?

Auch was ein Mensch als beruhigend empfindet, ist sehr individuell. Bei Babys wirken eine sanfte, weiche Stimme und auch Wiegenlieder. Bei beruhigender Musik ist entscheidend, dass sie «vorhersehbar» weitergeht, haben Holz' Kollegen festgestellt. Dabei spielt auch eine Rolle, mit welcher Art von Musik wir vertraut sind. Musik, die «chaotisch» tönt, mit der man nichts anfangen kann, wirkt unangenehm.

4. Wie verarbeitet das Gehirn Geräusche und Töne?

Das Ohr übersetzt Schallwellen in elektrische Impulse, und das Gehirn übersetzt diese Impulse in Informationen. Erst damit erhalten die Schallwellen eine Bedeutung. Das Gehör lasse sich übrigens trainieren, so dass alle möglichen Variationen von Tönen besser wahrgenommen werden, seien es die Tonhöhe, das Timbre, die Harmonie oder die zeitliche Abfolge, sagt Holz.

5. Gibt es gesundheitsschädigende Töne und Geräusche?

Schall hat Kraft: Der schrille Ton einer «Schallkanone» kann richtig schmerzen. «Den ganzen Tag kontinuierlicher, ablenkender Lärm vor dem Bürofenster kann sich nachteilig auf die Aufmerksamkeit und die allgemeine Stimmung auswirken, selbst wenn er die Ohren mit einer harmlosen Intensität erreicht», sagt Natalie Holz. «Man kann zwar wegschauen, aber eben nicht einfach weghören.» Das Gehör schläft auch nie.

6. Was löst Musik im Körper aus?

«Beim Hören von angenehmer Musik produzierte die Haut von Versuchspersonen nach 2,5 Sekunden etwas mehr Schweiss als bei unangenehmer Musik. Nach sechs Sekunden wurde ihr Herzschlag gut zwei Schläge pro Minute schneller und nach zehn Sekunden atmeten sie schneller», hat Stefan Kölsch festgestellt, Musikpsychologe an der norwegischen Universität Bergen. Sogar Veränderungen im Hormon- und im Immunsystem seien möglich, «aber dazu gibt es erst ganz wenige gute Studien».

7. Welche Art von Musik hebt die Stimmung?

Diejenige, die man selbst als erheiternd oder ermutigend empfindet. Gut geeignet sind Melodien, die ähnliche Merkmale haben wie eine fröhliche Stimme, also höhere Frequenzen und Variationen in der Tonhöhe.

Umgekehrt kann eher schwermütige Musik bei einer Depression den Abwärtsstrudel verstärken. «Da muss man aufpassen», rät Kölsch. «Bei Depression kann man sich in guten Zeiten eine Playlist zusammenstellen, die mit traurig-klingender Musik anfängt und einen sozuagen erst mal «abholt». Dann sollte die Playlist übergehen zu Stücken, die klingen wie die Stimmung, in die man kommen möchte.»

Musik kann sogar ganze Menschengruppen in die gleiche Stimmung versetzen. Beim gemeinsamen Singen und Musizieren stärken sie den sozialen Zusammenhalt. «Wenn vierjährige Kinder zum Beispiel gemeinsam Musik machen, kooperieren sie danach mehr miteinander und helfen sich gegenseitig mehr.»

(Fortsetzung weiter unten…)

Weitere Tipps, um sich mit Musik zu entspannen

8. Welche Musik wirkt wie?

Sie kann starke Gefühle hervorrufen – aber: «Das kann sehr unterschiedlich ausfallen. Es hängt davon ab, in welcher Kultur wir aufgewachsen sind und auch davon, was wir persönlich mit ihr verbinden, sagt Federico Adolfi, Neurowissenschaftler am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik. Musik kann zur Entspannung beitragen, sie kann depressive Symptome lindern, nach einem Schlaganfall helfen, um wieder Sprechen zu lernen, sie kann Patienten auf der Intensivstation beruhigen und Menschen mit Parkinson unterstützen, um wieder flüssiger und schneller zu gehen.

9. Kann Musik unerwünschte Wirkungen haben?

Ja. Bei ehemaligen drogenabhängigen Menschen zum Beispiel können die Musikstücke, die mit dem früherem Drogengebrauch assoziiert sind, ein Verlangen nach Drogen auslösen. Bei depressiven Menschen kann traurig-klingende Musik eine depressive Episode befördern und bei bestimmten Personen mit Epilepsie kann rhythmische Musik einen Anfall auslösen.

10. Wieso verursachen manche Musikstücke Gänsehaut?

Buchtipp

Stefan Kölsch, «Good vibrations», Ullstein Buchverlag 2019, ca. 14 Franken.

Wenn zum Beispiel der ganze Chor einsetzt oder eine Hymne gespielt wird, bekommen manche Menschen Gänsehaut. Bei anderen Stücken möchte man fast mitweinen. Der Grund dafür heisst «emotionale Resonanz». «Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war es normal, wenn Zuhörer/-innen inbrünstig und für alle Anwesenden deutlich hörbar zu herzerweichenden Solistentönen schluchzten und heulten», schreibt Kölsch in seinem lesenswerten Buch «Good Vibrations».

11. Was macht einen Song zum Superhit?

Dazu analysierten Kölsch und ein Doktorand die Akkorde von 745 grossen Hits von 1958 bis 1991. Fazit: Der Hörgenuss ist am grössten, wenn die Akkorde eine wohldosierte Mischung an Überraschungen und «Vorhersehbarkeit» bieten. Sind die Zuhörer gespannt, wie die Musik weitergeht, ist im Gehirn eine Region aktiv, die mit Glücksgefühl zu tun hat.

12. Wie entsteht ein «Ohrwurm»?

Das Rezept dafür lautet: Eine eingängige Melodie, oft gehört, ein einfacher Refrain, dazu ein paar Erinnerungen, die mit dem Lied verbunden sind und eine aktive «sekundäre Hörregion» im Gehirn. Wird ein Lied im Versuch unvermittelt gestoppt, sorgt sie dafür, dass man es im Geist zu Ende hören kann – vorausgesetzt, man kennt das Musikstück gut. Schon Mozarts Figaro soll seinerzeit ein Ohrwurm gewesen sein. Wer selbst einen hat, kann ihn bei der «earwormery» melden. Dort werden Ohrwürmer zu Forschungszwecken gesammelt. Auch ertaubte Menschen können übrigens Ohrwürmer «hören», dank der funktionierenden sekundären Hörregion. In diesem Fall gilt der Ohrwurm allerdings als «Musikhalluzination».

13. Kann man Musik überdosieren?

Ja, eine zu hohe «Dosis» kann schaden: Stark aufgedrehte Bässe aus starken Lautsprechern haben bei jungen Männern sogar schon kleine Risse in der Lunge verursacht und zum (vorübergehenden) «Pneumothorax» geführt. Dabei schrumpft die Lunge zusammen wie ein Luftballon, dem die Luft ausgeht. Das ist aber sehr selten. Dass zu laute Geräusche oder Musik das Gehör schädigen, ist allgemein bekannt, wird aber nicht immer beherzigt. Wer zum Beispiel nach einem Popkonzert ein Ohrgeräusch hört, hat seinen Ohren zu viel zugemutet.

14. Taugt Musik zur Stressreduktion?

Und wie! Abgeschlagenheit, Angst, Stress, Anspannung und Stimmungsschwankungen lassen sich zum Beispiel bei Menschen mit Krebserkrankungen mit Musik bessern. Musik kann auch beim Einschlafen helfen, meist werden dazu klassische Stücke bevorzugt.

(Fortsetzung weiter unten…)

15. Wie wirken Geräusche und Töne auf Gehörlose und Hörgeschädigte?

Die Schottin Evelyn Glennie ist fast taub – und zugleich eine weltberühmte Musikerin. Sie studierte Klavier und Schlagzeug. «Ausser mit unserer Hörschnecke nehmen wir Klänge auch mit dem Gleichgewichtsorgan wahr sowie mit Vibrationsrezeptoren im Körper, möglicherweise sogar mit Druckrezeptoren der Haut. Sowohl die Haut als auch innere Organe reagieren auf Vibrationen», erklärt Kölsch. Glennie spüre tiefe Klänge vor allem in den Füssen und hohe Klänge im Gesicht, im Nacken und auf der Brust. Man könne sich mit ihr unterhalten, ohne ihr die Hörbehinderung anzumerken.

16. Wie wirkt sich das Alter auf die Hörfähigkeit aus?

Früher oder später kommt es bei jedem Menschen zur Hörminderung. Wann das ist, hängt auch mit der Lebensweise zusammen. Das Innenohr wird nur über eine einzige Arterie mit Blut und Nährstoffen versorgt. Bilden sich darin Gefässablagerungen, die den Blutfluss behindern, wird das Gehör in Mitleidenschaft gezogen. Auch Schäden an den feinen Sinneszellen und den Hörnerven nehmen mit dem Alter zu. Bei der Altersschwerhörigkeit werden meist zuerst die hohen Töne nicht mehr gehört. Junge Menschen können zum Beispiel oft noch das Pfeifen der Fledermäuse oder ein «Marderschreck-Gerät» hören. Später geht das nicht mehr. Ausserdem wird es im Alter schwieriger, schnell gesprochene Texte zu verstehen.

17. Gibt es «hypersensible» Hörende?

Ja, sagen Holz und Adolfi. Bei der «Hyperakusis» empfinden Menschen Geräusche des täglichen Lebens als unerträglich.

18. Gibt’s erstaunliche wissenschaftliche Erkenntnise zu Musik, Tönen und Geräuschen?

Wie Tiere sich mit Geräuschen verständigen und wie fein sie wahrnehmen, ist faszinierend: Perlhühner beispielsweise können Gewitter hören, die noch Hunderte von Kilometern entfernt sind. Elefanten verständigen sich über grosse Distanzen hinweg mittels Infraschall. Fische «trommeln», knurren, zirpen, grunzen, zischen, quieken oder trompeten, je nach Art. Und besonders herzig sind die «Liebeslieder» singenden Mäuse.

19. Welches Gewicht hat das Gehör unter allen Sinnen? Welcher ist am wichtigsten?

Oft heisst es, die Augen seien der wichtigste Sinn. «Unser Sprachvermögen wird aber viel mehr durch das Hören beeinflusst als durch die Augen oder andere Sinne», geben Holz und Adolfi zu Bedenken. Gegenüber dem Sehen, Riechen und der Berührung habe das Gehör zudem einen grossen Vorteil: Es könne Töne über grossen Distanzen wahrnehmen.

20. Welches Geräusch, welche Musik beruhigt mich?

Mein bestes Schlafmittel ist das wohlige Schnurren eines Büsis neben mir – das Büsi und ich schlafen dabei grad ein. Das zweitbeste sind zirpende Grillen an einem Sommerabend. Sehr beruhigend sind auch die Geräusche, die Pferde machen, wenn sie zufrieden Heu und Stroh fressen.

von Dr. med. Martina Frei,

veröffentlicht am 06.10.2020


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